„Iss den Teller leer!“ Wer in der Nachkriegszeit erzogen wurde, kennt diesen Satz. Essen zu verschwenden, war für Eltern damals undenkbar. Heute wird, was im vollen Kühlschrank nach hinten gerutscht ist, oft bedenkenlos weggeworfen. Aber schon zuvor gehen in Produktion und Distribution große Mengen verloren. Ein Drittel der Lebensmittel weltweit wird verschwendet. Ihre Produktion ist für einen Großteil der Frischwassernutzung und – je nach Statistik – für rund 15 bis 30 Prozent der Treibhausgasemissionen weltweit verantwortlich. Die Einsicht wächst, dass sich etwas ändern muss. Und so ist zum Beispiel auf der Anuga Foodtec, die am 20. März startet, der Umgang mit Ressourcen das zentrale Thema.
Fit für den Wettbewerb
Das Umweltbewusstsein wächst, zudem steigt die „Nachfrage nach Ressourcen und die Preise für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe“ weltweit, sagt etwa Stephan Karl, Geschäftsführer Tetra Pak DACH. Wer seinen ökologischen Fußabdruck reduziert, steigert zugleich seine Wettbewerbsfähigkeit. Auf diesem Weg sind allerdings einige Hindernisse zu überwinden. „Gerade kleinere und mittelständische Betriebe müssen hohe Investitionen in neue Produktionsanlagen genau prüfen“, erklärt Bernhard Scheller, geschäftsführender Gesellschafter bei Ruland Engineering & Consulting.
Stephan Karl weist darauf hin, dass der Einsatz neuer Technologien und die entsprechenden Investitionen von „Unternehmen meist nur dann akzeptiert“ werden, „wenn sich daraus direkte ökonomische Vorteile ergeben“. Zudem dürfen weder Produktsicherheit und -qualität noch Geschmack durch eine Umstellung beeinträchtigt werden, so Martina Birk, bei Krones Beauftragte für das Nachhaltigkeitsprogramm Enviro. Produktionsausfälle sollen kurz sein, die Lösungen sich rasch amortisieren.
Optimale Ergebnisse sind mit einer Produktion zu erzielen, bei der alle Schritte von vornherein so geplant, alle Module so aufeinander abgestimmt sind, dass Rohstoffe maximal verwertet, Energie und Zeit gespart und der CO2-Ausstoß minimiert werden. Bei Neuentwicklungen arbeitet etwa Tetra Pak nach dem Standard „Design for Environment“. Dabei werden bereits in der Planungs- und Entwicklungsphase klare Ziele definiert, um Produktverluste, Wasser-, Energie- und Reinigungsmittelverbräuche zu minimieren. Bei Krones gibt es mit Enviro einen umfassenden Standard für Energie- und Medieneffizienz sowie Umweltverträglichkeit, der für das komplette Produktsortiment gelten soll. Das im Zuge solcher Initiativen gewonnene Know-how lässt sich auch bei der Optimierung einzelner Schritte einsetzen. Und das ist wichtig – denn kaum ein Unternehmen wird eine teure, funktionsfähige Anlage komplett austauschen. Doch es lassen sich schon merkliche Einsparungen erzielen, wenn man an den richtigen Stellschrauben dreht.
Energie und Wasser optimal nutzen
Da Energie aktuell vergleichsweise günstig ist, kann der ROI bei Investitionen in Sparmaßnahmen recht lang dauern. Fortschritte werden am schnellsten bemerkbar, wenn Energie einen großen Anteil an den Kosten ausmacht. Das gilt etwa für die fleischverarbeitende Industrie – hier liegt er bei rund 15 Prozent. Besonders die Kälteerzeugung oder die Beleuchtung sind Energiefresser.
In jüngster Zeit wurden hier „mit der Rückgewinnung von Kondensatorwärme an Kälteerzeugern und dem zunehmenden Einsatz von LED-Leuchten enorme Verbesserungen erzielt“, sagt Christina Steigler, Head of Corporate Communication & PR bei Leybold. Auch zur Milchverarbeitung wird viel Energie benötigt. Tetra Pak hat deshalb für die Ultra-Hoch-Temperatur-Behandlung eine Prozessanlage mit Röhrenwärmetauschern entwickelt, die es erlauben soll, bis zu 92 Prozent der Wärme zurückzugewinnen, wenn die Milch für die Abfüllung gekühlt wird.
Rohmaterial sorgfältig verarbeiten
Für die Lebensmittel- und Getränkeproduktion sind oft enorme Wassermengen nötig. Ein sorgfältiger Umgang damit kann einen deutlichen Kostenvorteil bringen. Ein neues Filtersystem von Tetra Pak reinigt und sterilisiert Abwasser zur Wiederverwendung. Bei Getränkeherstellern soll sich der Verbrauch damit um bis zu 95 Prozent verringern. Hygiene und Vermeidung von Kontamination schützen wertvolle Rohstoffe. Setzt man den Hebel bei der Reinigung der Anlagen an, lassen sich zudem Produktionspausen verkürzen, Arbeit und Chemikalien sparen. In den Flottweg-Dekantern sind daher überall Sprühmöglichkeiten integriert, um produktberührende Flächen ohne große Demontage reinigen zu können. Toträume und Oberflächenrauigkeit sollen auf ein Minimum reduziert und alle Schweißnähte hygienisch verschliffen sein.
Auf „mehr als 40 Prozent der Gesamtkosten“ beziffert Stephan Karl von Tetra Pak die Ausgaben für Material in der Produktion. Beim Umgang mit den Grundstoffen gibt es in vielen Prozessschritten Möglichkeiten zur Verbesserung. Fehler beim Frosten vermindern die Qualität oder machen das Produkt unbrauchbar; das gilt etwa für Shrimps. Linde geht das Problem mit einem vorgeschalteten Tauchbad aus Flüssigstickstoff oder einer spezifischen Düseneinstellung am Frostereingang an. So werden die Produkte vorstabilisiert. Optimiert man auch nur Details, lässt sich Abfall reduzieren und wertvolles Grundmaterial vollständig auswerten. Bei Flottweg hat man dazu den Entleerungsmechanismus der Separatoren weiterentwickelt. Die Trommelöffnungszeiten kann man nun flexibler und genauer einstellen. Das ist etwa in der Olivenölverarbeitung nützlich. Separatoren erlauben oft nur eine vollständige Entleerung – Abfallprodukt (Feststoff) und wertvolle Phase (Öl) werden gemeinsam ausgetragen. Bei einem neuen Modell lässt sich auch ausschließlich der Feststoffraum leeren – Olivenöl geht so nicht mehr verloren.
Reste, die bei der Produktion anfallen, wurden lange Zeit als Viehfutter oder für die Biogasproduktion genutzt. Inzwischen wird der Wert dieser Nebenströme zunehmend erkannt. Molke, die bei der Quark- und Käseherstellung anfällt, ist ein beliebter Zusatz von Smoothies und Babynahrung. Durch hochentwickelte Filter und Separatoren lassen sich begehrte Grundstoffe für andere Produkte abtrennen – Protein, Laktose, Calcium, Phosphor und Lecithin. Bei der Frucht- und Gemüseverarbeitung werden bislang 70 bis 80 Prozent des Rohstoffs genutzt. Aus dem Rest werden daraus etwa wertvolle Faserstoffe und Antioxidantien, natürliche Aromen und Farbstoffe.
Nachhaltiger verpacken
Verpackungen schützen Lebensmittel vor Verderb, doch für sie sind jede Menge Rohstoffe und Energie nötig. Durch neue Technologien, geringere Wandstärken, veränderte Formen und Materialeigenschaften und den Einsatz nachwachsender Rohstoffe lässt sich hier noch viel bewegen. 2019 tritt ein neues Verpackungsgesetz in Kraft, das unter anderem höhere Verwertungsquoten einfordert. Beim Verpackungsspezialisten Multivac zum Beispiel achtet man darauf, etwa durch den Einsatz von Schneidsystemen Packstoffabfall so gering wie möglich zu halten, und behält die Recyclingfähigkeit der Materialien im Blick.
Im Fokus stehen hier zudem Tiefziehtechnologien, bei denen möglichst dünne Folien die nötige Funktionalität und Stabilität der Packung bieten sollen. Holz ist das wichtigste Rohmaterial für die Tetra-Pak-Getränkekartons – und es soll aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammen. Ziel ist es,die gesamte Verpackung aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen. Inzwischen gibt es Kartons, deren Verschlüsse und Folien statt aus Plastik aus einem Kunststoff auf Zuckerrohrbasis hergestellt werden.
Neue Chancen durch Digitalisierung
Künftig sollen Verpackungen viel mehr können: Indikatoren sollen über Frische, Temperatur und Haltbarkeit informieren. So lassen sich Verluste durch falsche Lagerung vermeiden, und gute Ware wird nicht entsorgt, nur weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Per Chip kann man Logistikprozesse optimieren – die Ware ist schneller beim Kunden, fehlerhafte Batches sind zielsicher zu identifizieren. Allerdings können mit der Verpackung verbundene RFID-Chips Probleme beim Recycling aufwerfen.
Ressourceneffizienz erfordert komplexere Prozesse und eine Vernetzung aller verfügbaren Daten. Digitalisierung und Industrie 4.0 sind deshalb zentrale Themen. Bei Linde arbeitet man zum Beispiel daran, über die Sensorik noch mehr digitale Daten zu sammeln, um den Frostungsprozess zu optimieren. Wolfgang Hartmann, Leiter Marketing bei Kaeser Kompressoren, betont, wie wichtig es ist, jeden Prozess ganzheitlich zu sehen. Mit intelligenter Planung, Echtzeit-Überwachung und vorausschauender Wartung lassen sich so Einsparpotentiale bei der Drucklufterzeugung heben und die Life-Cycle-Kosten um bis zu 30 Prozent reduzieren.