Es wird derzeit viel über neue Schnellverriegelungssysteme gesprochen. Welche Neuigkeiten gibt dabei es für Rundsteckverbinder M12?
Sahm:
Dieses Thema wird seit Jahren im Markt diskutiert. Verschiedene proprietäre Lösungen haben dabei punktuell zu Erfolgen geführt, ein Marktstandard konnte in der Vergangenheit jedoch nicht erzielt werden. Der Wunsch nach einem einheitlichen, standardisierten System ist aber nie verstummt und heute aktueller denn je. Der neue Ansatz M12 Steckverbinder mit Push-Pull-Schnellverriegelung bietet jetzt das Potenzial für einen herstellerübergreifenden Marktstandard. Die Reichweite einer einheitlichen Technologie ist immens und bedeutend für viele Zweige der Industrie.
Welche Vorteile bietet mir eine Push-Pull-Verriegelung beim M12 Steckverbinder?
Post:
Die Verriegelung mittels Push-Pull bringt eine hohe Zeitersparnis von circa 80 Prozent beim Anschließen der Automatisierungskomponenten, da ein Verschrauben nicht mehr erforderlich ist. Auf das Jahr hochgerechnet lassen sich so enorme Einsparpotenziale in der Montage realisieren. Durch das verbesserte Handling können Geräteports zudem kompakter angeordnet werden, was dem Wunsch nach Miniaturisierung und wirtschaftlicher Verkabelung entspricht. Neben der Zeitersparnis entfällt die Überprüfung des korrekten Anzugsmoment der Verriegelung mittels Drehmomentschlüssel. Der Anwender erhält ein akustisches Feedback, das die korrekte Verriegelung anzeigt. Somit haben wir eine einfache, schnelle und sichere Verriegelung.
Sie haben den Wunsch des Markts nach einem standardisieren System angesprochen. Wie sieht es mit einem normierten Standard für M12 mit Push-Pull aus?
Sahm:
Es gibt eine Norm, die sämtliche Ausführungsformen für einen M12-Push-Pull-Standard beschreibt. Die IEC 61076-2-010 beschreibt sowohl eine Innen- als auch eine Außenverriegelung mittels Push-Pull. Sie enthält damit alle Varianten, die für eine durchgängige Systemlösung im Umfeld der Automatisierungstechnik Anwendung finden. Somit kann die IEC 61076-2-010 als Erweiterung des bewährten M12-Standards mit Schraubverriegelung gesehen werden, wie er in der Basisnorm IEC 61076-2-101 beschrieben wird. Der Clou ist, dass die einzige Änderung zum etablierten M12 darin besteht, dass das M12-Gewinde um einen Einstich ergänzt wird und gleichzeitig die bewährten Eigenschaften des M12-Vollgewindes beibehalten werden. Dadurch können die Geräte mittels eines sogenannten M12-Duo-Ports universal ausgerüstet werden und sind zukünftig wahlweise mit Push-Pull oder mit den am Markt weit verbreiteten M12-Schraubsteckverbindern anschließbar, also beide Anschlüsse sind möglich. Sogar Leitungsverlängerungen durch fliegende Push-Pull-Kupplungen können mit marktüblichen Standardkomponenten umgesetzt werden.
Gibt es auch noch weitere Konzepte und Normen zum Thema M12-Push-Pull?
Post:
Neben der IEC 61076-2-010 gibt es auch noch die IEC 61076-2-012, die eine Push-Pull-Innenverriegelung beschreibt. Die -012 entstand aus Konzepten vorhandener, nicht genormter PP-Industriesteckverbinder, die in das M12-Format hinein konstruiert wurden. Deshalb gibt es keine homogene Integration in die M12-Welt.
Wie unterscheiden sich diese Normen im weiteren Vergleich?
Sahm:
Obwohl beide Normen dem gleichen Zweck der Schnellverriegelung dienen, sind sie doch sehr verschieden. Während die IEC 61076-2-010 auf dem Vollgewinde aus der Ursprungsnorm IEC 61076-2-101 basiert und somit den Weltstandard für Automatisierungskomponenten in seiner bekannten Form unangetastet lässt, wurde bei der IEC 61076-2-012 das Gewinde durch drei Segmente unterbrochen. Die Gewindeunterbrechungen sind notwendig, damit die drei Rasthaken des Kabelsteckers durch das Gewinde in die Rastposition eintauchen können. Solche Systeme erfordern, dass die Winkelzuordnung zwischen Push-Pull-Mechanismus und Kontaktträger bei der Geräteintegration sehr genau eingehalten wird, da sonst der Push-Pull-Steckverbinder blockiert und nicht mehr in den Port steckbar ist. Bei der Lösung auf Basis der IEC 61076-2-010 ist keine Gewindeunterbrechung erforderlich, da die Rastkontur an den Anfang des M12-Gewindes gelegt wurde und als Einstich auf einfache Art bei der Gewindeherstellung im Standardprozess realisiert werden kann. Das macht das Design-in für den Gerätehersteller besonders einfach. Die Gerätesteckverbinder sind genauso wie beim bewährten M12-Standard rotationssymmetrisch ausgelegt, wodurch die Push-Pull-Mechanik des Geräteports nicht zur Kodierung des M12-Kontaktträgers ausgerichtet werden muss. Dies gibt dem Gerätehersteller einen hohen Freiheitsgrad, die Kabelabgänge der Ports einfach und vor allem wirtschaftlich zu gestalten. Die M12-Basisnorm -101 und die Push-Pull-Norm -010 sind auch bezüglich der Design-in-Anforderungen konsistent, sie arbeiten sozusagen im Gleichschritt. Das geht soweit, dass ein herkömmlicher M12-Port mit Standardgewinde – ohne konstruktiven Eingriff in die Gerätekonstruktion – durch einen kompatiblen Duo-Port mit Push-Pull ausgetauscht werden kann und das sogar nachträglich bei bestehenden Gerätekonzepten. Hinzu kommen noch weitere Vorteile, beispielsweise dass die Push-Pull-Verriegelungselemente in Kunststoff oder Metall ausgeführt werden können. Dadurch sind kostengünstige Push-Pull-Steckverbinder aus Kunststoff herstellbar, die in erweiterten Applikationsbereichen wie Agrar- oder Chemieindustrie einsetzbar sind.
Gibt es eine Tendenz, welche Norm von den etablierten großen M12-Herstellern unterstützt wird und warum?
Post:
Ja, die gibt es. Die acht für M12-Steckverbinder etablierten Hersteller Weidmüller, Conec, Escha, Molex, Murrelektronik, Binder, Harting und Phoenix Contact haben sich für die Unterstützung der IEC 61076-2-010 ausgesprochen. Die Hauptgründe dafür sind die herstellerübergreifende Funktionssicherheit und wirtschaftliche Herstellbarkeit durch die Nähe zur Basisnorm -101 sowie eine einfache Integration ins Gerät, ohne große Aufwände bei Design-in. Ebenfalls spielen die schnelle und breite Verfügbarkeit des neuen Systems und die Investitionssicherheit durch eine breite Herstellerunterstützung eine große Rolle. Aus diesen Gründen fließt die DNA der M12 Basisnorm (-101) in die 010 unverändert ein und wird mit dem Know-how der oben genannten M12-Hersteller zu einem neuen, Welt-Standard fortgeschrieben. Dadurch, dass sich die Hersteller nicht nur normativ, sondern auch in der Praxis einer abgesicherten herstellerübergreifenden Austauschbarkeit des Push-Pull-Systems verschrieben haben, kann sich der Anwender eines wie vom M12-Standard gewohnten breiten, technisch ausgereiften Produktportfolios mit allen Vorzügen des Multi-
Sourcing bedienen.
Kann man auf Grund der herstellerübergreifenden Kompatibilität bereits sagen, dass sich die IEC 61076-2-010 zum Marktstandard entwickeln wird?
Sahm:
Proprietäre Lösungen mit erhöhtem Aufwand beim Design-in haben heutzutage keine Chance in der Industrie. Einfache, standardisierte Lösungen, die einer durchgängigen Systemtopologie folgen, sind das Gebot der Stunde. Diesem übergreifenden Gedanken haben sich die acht Hersteller verschrieben. Die Botschaft ist, dass sich die M12-Standardnorm und die Push-Pull-Norm in weiten Teilen decken und alle in der industriellen Verdrahtung mit M12 erforderlichen Varianten enthalten. Durch den einfachen Einstich muss der Design-in-Prozess nicht geändert werden – so einfach ist der Schritt zum Push-Pull.