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Transformation Nearshoring und Nachhaltigkeit für Wachstum in der industriellen Automation

Sven Siepen ist Senior Partner und Leiter des Bereiches Maschinen- und Anlagenbau und der Energietechnik bei Roland Berger.

Bild: Roland Berger
12.11.2020

Bereits vor der Covid-19 Krise unterstützen Trends wie Nearshoring und Nachhaltigkeit das Wachstum in der industriellen Automation. Durch die Krise werden sich diese Trends verstärken. Jedoch profitieren nicht notwendigerweise alle Anbieter davon. Verstärkt werden Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette auf Partnerschaften setzen.

Sven Siepen ist mit diesem Beitrag im A&D-Kompendium 2020 als einer von 100 Machern der Automation vertreten. Alle Beiträge des A&D-Kompendiums finden Sie in unserer Rubrik Menschen .

Bereits vor der Covid-19 Krise verzeichneten Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette der industriellen Automation attraktive jährliche Wachstumsraten zwischen 5 und 10 Prozent. Makroökonomische Trends wie steigende Personalkosten sowie höhere Anforderungen an Qualität, Präzision und Hygiene waren wesentliche Treiber.

Trend zum Nearshoring

Die Krise hat die Komplexität einer globalen Lieferkette offengelegt, der Trend zum Nearshoring wird sich dadurch fortsetzen. Damit sich die Investitionen in Automationslösungen rechnen – häufig als Nachrüstungen in bestehenden Produktionsstätten („Brownfield“) – und Investitionskosten auf mehr Produktionslinien umgelegt werden können, müssen diese jedoch flexibler werden. Die Diskussion um Nachhaltigkeit und die Schonung – teilweise Knappheit – von Ressourcen wird weiteres Wachstum unterstützen.

Im Rahmen der Entwicklung von CSR-Regularien kommen zunehmend Themen wie Ausschuss, der effizienten Verarbeitung von Rohmaterialen und Energieeffizienz in Produktionsentscheidungen zur Sprache. Automationslösungen werden von unseren Kunden im Produktionsumfeld zunehmend als ein wichtiger Baustein in der Nachhaltigkeitsstrategie gesehen. Selbstoptimierende Lösungen, die laufend Ausschussraten reduzieren, haben hohes Interesse hervorgerufen und beweisen ihre Effektivität jetzt in der Praxis. Ein wichtiger Treiber für die Etablierung industrieller Automationslösungen bleibt aber weiterhin die Überwindung von Engpässen bei ausgebildeten Produktionsmitarbeitern sowie die Senkung personeller Produktionskosten. Insgesamt bietet sich somit ein positiver Ausblick, aber nicht alle Anbieter werden gleichermassen profitieren.

In der Segmentierung der Wertschöpfungskette der industriellen Automation – Komponentenhersteller, (Sub-)Systemlieferanten, Lösungsanbieter, Dienstleister sowie Softwarehersteller – befinden sich die Firmen auf unterschiedlichen Startpunkten. Im Rahmen einer Untersuchung von über 500 Unternehmen zeigte sich die hohe Bandbreite von Margenprofilen und entsprechenden Mitteln, in Wachstumsmöglichkeiten investieren zu können. Im Schnitt erzielen Komponentenhersteller eine EBITDA-Marge von 13 Prozent, jedoch schafft das obere Quartil über 20 Prozent.

Dieses Quartil hat sich erfolgreich durch differenzierte Produkte der Kommodifizierung entgegengesetzt. Diese Differenzierung erforderte ein hohes Prozessverständnis der bedienten Endmärkte und ist zunehmend nur mit steigendem Aufwand zu halten. Für die Komponentenhersteller stellt sich damit die Frage, wie dieses Prozessverständnis effizient erweitert werden kann. Eine Konsolidierung entlang der Wertschöpfungskette ist eine Möglichkeit, die vermutlich durch niedrigere Bewertungen einzelner Marktteilnehmer während der Covid-19 Krise begünstigt wird.

Entwicklungspartnerschaften

Über die vergangenen fünf Jahre wurden circa 60 Prozent der von uns beobachteten Akquisitionen von strategischen Investoren getätigt. Übernahmen von Isra Vision durch Atlas Copco, First Sensor durch TE Connectivity oder GOM durch Zeiss sind Beispiele dafür und vor allem als Kompetenzerweiterung zu sehen. Zunehmend können jedoch Entwicklungspartnerschaften zwischen Komponenten- und Systemlieferanten beobachtet werden, ebenso zwischen Systemlieferanten und Lösungsanbietern.

Unserer Einschätzung nach wird sich die Anzahl solcher Entwicklungspartnerschaften in Zukunft stark erhöhen. Das Rational dahinter ist der erwähnte Ausbau des Prozessverständnisses, ohne das Risiko einer Akquisition in Kauf nehmen zu müssen. Das verfügbare Kapital wird eher in den Ausbau der eigenen Kompetenzen – auch durch selektive Zukäufe von Spezialisten – investiert. Für die Marktteilnehmer bedeutet dies eine offene Perspektive wer Wettbewerb und wer Partner sein kann. In jedem Fall können sich die Kunden von Automatisierungslösungen über eine laufende Verbesserung des Angebotes freuen.

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