Bis zum Jahr 2050 will die EU klimaneutral sein. Dieses ehrgeizige Ziel ist nur zu erreichen, wenn in allen großen Bereichen, vom Verkehr, über die Industrieproduktion bis zur Energieversorgung, statt auf fossile ausschließlich auf erneuerbare Energieträger gesetzt wird. Doch nicht nur die Energieressourcen und ihre Gewinnung sind dabei entscheidend. „Zusätzlich braucht es auch Energiespeichersysteme, die die zeitlich und räumlich schwankenden erneuerbaren Energien klimafreundlich speichern können“, macht Andrea Balducci deutlich.
Heute stellen die Lithium-Ionen-Batterien den Hauptanteil an mobilen Energiespeichern. Diese sind in den verschiedensten Geräten zu finden, vom Smartphone bis zum E-Auto. Lithium-Ionen-Akkus weisen eine hohe Energiedichte auf, sie können also viel Energie speichern. Auf der anderen Seite ist ihre Umweltbilanz zum Teil verheerend: Sie enthalten neben Lithium auch Kobalt und Aluminium, deren Ressourcen begrenzt sind und deren Abbau große Umweltschäden verursacht. „Auch wenn die Lithium-Ionen-Batterie heute noch unverzichtbar ist, mittel- und langfristig werden wir sie vollständig ersetzen müssen“, so Balducci. Der Professor für Angewandte Elektrochemie und sein Team suchen in den beiden neuen EU-Projekten nach Alternativen.
Verzicht auf kritische Ausgangsstoffe
Im Zentrum der Forschungsbestrebungen stehen dabei Superkondensatoren. Diese Energiespeicher haben gegenüber den Batterien den Vorteil, dass sie in Sekundenschnelle aufgeladen sind und dabei eine nahezu unbegrenzte Lebensdauer aufweisen. Im Projekt mit dem Titel „Green-cap“ (Graphene, MXene and ionic liquid-based sustainable supercapacitor) plant das Konsortium bestehend aus Teams aus sieben Ländern in den kommenden drei Jahren Superkondensatoren aus 2D-Materialien zu bauen. Diese sollen den bisherigen Nachteil gegenüber Batterien – die geringere Energiedichte – wettmachen.
Dafür nutzen sie als Elektrodenmaterial Graphen und sogenannte MXene aus Titan und Kohlenstoff, die nur eine Atomlage dünn sind und damit eine extrem große Oberfläche aufweisen. Die Jenaer Chemiker steuern hier die innovativen Elektrolyte bei: ionische Flüssigkeiten und Gemische aus solchen und organischen Lösungsmitteln. „Gegenüber bestehenden Elektrolyten haben diese den Vorteil, dass sie dank ihrer hohen Leitfähigkeit, die Speicherkapazität des Kondensators verbessern“, unterstreicht Andrea Balducci. Außerdem sind ionische Flüssigkeiten nachhaltig, da sie ohne kritische Rohstoffe auskommen und gut zu recyceln sind.
Eine weitere Strategie, welche im zweiten Projekt „MUSIC“ (Materials for sustainable Sodium Ion Capacitors) verfolgt wird, ist es das Konzept von Lithium-Ionen-Akkus mit dem von Superkondensatoren zu kombinieren. Gleichzeitig soll dabei das umweltbelastende Lithium durch das umweltverträglichere Natrium ersetzt werden. Im Rahmen des über vier Jahre geförderten Projektes, an dem Partner aus fünf europäischen Ländern beteiligt sind, sollen Natrium-Ionen-Kondensatoren bis zur Marktreife entwickelt werden. „Diese vereinen die Vorteile beider bisherigen Systeme“, erläutert Balducci. „Sie werden die Energiedichte von Batterien aufweisen und die Lebensdauer und Ladezeiten von Kondensatoren.“ Und das bei einem vollständigen Verzicht auf kritische Ausgangsstoffe.
Balducci und sein Jenaer Team werden sich auch hier vor allem auf die Entwicklung und Charakterisierung von Elektrolytlösungen konzentrieren, auf die die Forschenden spezialisiert sind. Am Projektende soll ein Prototyp eines Natrium-Ionen-Kondensators vorliegen.