Eine wichtige Voraussetzung, beispielsweise für den Export in Schwellenländer, war bereits erfüllt: Die Filteranlagen der Firma Schuko, hergestellt im oberschwäbischen Bad Saulgau, laufen ziemlich robust. Schließlich ist es in Indien oder vielen afrikanischen Staaten schwierig, im Falle einer Störung schnell an Ersatzteile und qualifizierte Servicetechniker zu kommen.
Doch wie erhält man Zugang zu Absatzmärkten in Schwellenländern? Wie schafft man es als Hersteller aus einem Hochlohnland dort wettbewerbsfähige Produkte anzubieten? Mit diesen Fragen wandte sich Schuko an die Wissenschaftler des Zentrums für Frugale Produkte und Produktionssysteme (ZFP), welches das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA gemeinsam mit dem Fraunhofer IAO betreibt.
In einer Machbarkeitsuntersuchung, einem sogenannten „Exploring Project“, analysierten die Projektpartner zunächst die Einflussfaktoren, die den Export und Betrieb der Anlage auf den Zielmärkten beeinflussen: beispielsweise Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Niederschlagsmenge, Stromversorgung, Transportinfrastruktur, Normen und Steuern. Auf dieser Basis entstanden anschließend Konzepte zur Erschließung neuer Märkte.
Modularisierung senkt Transportkosten
Hinderlich für den Erfolg in preissensitiven Märkten sind vor allem die zu hohen Gesamtkosten der Filteranlagen. Das liegt beim Export in Schwellenländer vor allem am teuren Transport per See- oder Luftfracht. Denn die Filteranlagen bestehen ganz überwiegend aus Stahl und sind dementsprechend schwer. Und trotz ihrer kompakten Bauweise passen nur wenige in einen Überseecontainer. Außerdem verteuern Zölle und Steuern in den Zielländern die Maschinen aus Deutschland zusätzlich.
Um gegenüber lokalen Anbietern dennoch wettbewerbsfähig zu sein, teilte ein Forschungsteam um Uwe Schleinkofer, einer der beiden Leitenden des ZFP, die Filteranlagen in Module auf. „Verschifft wird dann nur noch das Modul, das gemäß dem frugalen Ansatz die tatsächlich erforderliche Kernfunktion enthält“, erklärt Schleinkofer. „Davon passen mehrere auf eine einzige Europalette. Lizensierte Hersteller im Zielland liefern dann auf Wunsch weitere Module mit zusätzlichen Funktionen und montieren die Anlage vor Ort beim Kunden.“
Bewerbung um weitere Exploring Projects ab sofort möglich
„Das Zentrum für Frugale Produkte und Produktionssysteme in Stuttgart ist eine in Deutschland einmalige Einrichtung. Es leistet einen maßgeblichen Beitrag für die Wettbewerbsfähigkeit unserer produzierenden Industrie auf preissensitiven Märkten und ermöglicht auch in Zukunft weitere nachhaltige Entwicklungen in diesem Bereich“, sagt Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Baden-Württemberg. „Ziel ist es, in den Wachstumsmärkten und im europäischen Einstiegs- und Standardsegment erfolgreich zu bleiben und diese Positionen gegenüber weltweiten Mitbewerbern aus dem Niedrigpreissegment zu schützen.“
Ihr Haus fördert den Ausbau des ZFP mit 1,37 Millionen Euro. Fließen soll dieses Geld vor allem in weitere Exploring Projects. Unternehmen aller Branchen aus Baden-Württemberg, bevorzugt kleine und mittelständische, können sich daher ab sofort mit ihren Ideen (beispielsweise zu einer Problemstellung oder einem konkreten Produkt) beim ZFP bewerben. Die Forscher prüfen die eingereichten Ideen im Nachgang auf Machbarkeit, entwickeln zusammen mit den Unternehmen Lösungskonzepte und setzen besonders erfolgversprechende Ansätze prototypisch um.
Weitere Informationen und ein Bewerbungsformular finden Sie hier!
Informationsangebote und Netzwerkveranstaltungen
Aber auch mit Webinaren und Netzwerkveranstaltungen will das ZFP Unternehmen bei der Entwicklung frugaler Produkte und Geschäftsmodelle unterstützen. So ist für das Frühjahr 2023 ein Open Lab Day geplant, eine Art Tag der offenen Tür für Unternehmensvertreter, bei dem die Forscher vom ZFP beispielsweise Demonstratoren zeigen, die im Rahmen bisheriger Exploring Projekts entstanden sind.
Geplant ist außerdem eine Neuauflage der „InnoFrugal“-Konferenz, die pandemiebedingt letztmals im November 2019 stattgefunden hat.
Tracking könnte bei der Entwicklung frugaler Produkte helfen
Ein Teil der Mittel vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg soll zudem in die anwendungsorientiere Forschung fließen. Die Schwerpunkte liegen dabei in vier Feldern: Green Tech, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, Frugale Produktstrategien sowie in einem ganzheitlichen Entwicklungsprozess für frugale Innovationen. So schwebt Schleinkofer beispielsweise vor, die Nutzung von Maschinen beim Kunden zu tracken: „Wenn bekannt ist, welche Funktionen einer Maschine wie häufig genutzt werden, ist es sehr viel einfacher eine frugale Version dieser Maschine zu entwickeln“, so der Forscher.