Die durchgängige Digitalisierung von industriellen Engineering- und Produktionsprozessen ist hilfreich, um die Effizienz von Unternehmen zu steigern. Wie das gelingt, zeigt ein langfristiges Projekt des Maschinenbauers Flottweg aus Vilsbiburg.
Im Jahr 2009 begann man dort mit der Implementierung eines Datenmanagers von der Maschinenfabrik Reinhausen. Ziel war es, die Schnittstellen zwischen allen relevanten Akteuren einer NC-Fertigung effizient zu überbrücken. Was zunächst die Aufgabenzuteilung in der Fertigung vereinfachte, hatte später die Harmonisierung der Datenwelten in der Herstellung von Dekanter-Zentrifugen, Separatoren und Bandpressen zur Folge.
Faktor Mensch im Fokus
Doch es geht nicht nur um den Nutzwert der Produktionsdaten. Beim Datenfluss von der IT-Welt bis hin zum Maschinenpark muss der Mensch seine zentrale Rolle beibehalten. Zumal ergonomische und arbeitssicherheitsspezifische Ansprüche die Eckpfeiler in einer smarten Produktion bleiben. Dabei ergeben sich neue Aufgaben und Qualifizierungen für das Bedienpersonal.
Die Erfahrungswerte mit dem Dateimanager in der digitalisierten CNC-Fertigung haben deshalb vor allem eines gezeigt: Für ein mittelständisches Unternehmen wie Flottweg ist es entscheidend, die Mitarbeiter auf dem Digitalisierungspfad zu unterstützen. Nur damit können neue Methoden auf Gebieten wie Software Engineering, Cloud Computing, Data Analytics, Cybersecurity, Systems Integration oder User Experience Design Einzug halten.
Flottweg traf im Folgenden die strategische Entscheidung, auf ein neues User-Interface zu setzen, das das Bedienkonzept der Maschinen als nächsten Schritt einer digitalen Transformation ausflaggt. Gerade weil sich die Produktionsflexibilität im Maschinenpark immer schneller einstellen lassen muss, braucht es eine effiziente Mensch-Maschine-Kooperation, damit Unternehmen dem Trend nach immer komplexer werdenden Automatisierungsprodukten mit niedrigen Losgrößen gerecht werden können.
Ein solches, zeitgemäßes User-Experience-Design sollte zugleich die Grundlage für intelligente und immersive Benutzerschnittstellen an den Maschinen und Anlagen von Flottweg darstellen. Eine hohe Informationsdichte sollte neben der intuitiven Bedienbarkeit sichergestellt werden, damit der Bearbeitungsprozess und dessen Kontrolle transparenter und leichter vorzunehmen sind.
Einheitliches Bedienkonzept für Maschinen
In Zusammenarbeit mit dem Designbüro N+P Industrial Design entstand so das neue Interface InGo. Das Bedienkonzept visualisiert alle Informationen, die für den Techniker wichtig sind. Darüber hinaus kann es sowohl bei Bandpressen, Zentrifugen und Separatoren von Flottweg als auch zur Darstellung komplexer Prozesse eingesetzt werden. Das vollautomatische Zusammenwirken der einzelnen Prozesskomponenten lässt sich somit einfach nachverfolgen – und zwar immer gleich für alle Anlagen und Maschinen.
Optisch bietet das Bedienkonzept ein angepasstes Verfahrensfließbild, in welchem sich durch die grundlegende Symbolik und die klare Farbgebung der aktuelle Status schnell erfassen lässt. Über standardisierte Symbole kann der Anwender sich in der Übersicht unterschiedliche Informationslevels anzeigen lassen, die einfach ein- und ausgeblendet werden.
Zusätzlich kann zu jedem Aggregat durch Antippen ein Pop-up aufgerufen werden, dass sich auf dem Bildschirm verschieben lässt. Darin werden weitere Informationen, Einstellungen und Betriebsarten dargestellt. Dabei garantiert die Benutzeroberfläche stets die Einhaltung höchster Standards bei der Betriebssicherheit.
2018 wurde Flottweg für dieses Konzept einer gut strukturierten, standardisierte Lösung für die Automatisierung und Visualisierung in der Kategorie Mensch-Maschine-Schnittstelle mit dem German Design Award ausgezeichnet. „InGo ist seit Anfang 2018 intern wie auch extern in der Erprobung – und das Feedback ist durchweg positiv, da das für uns standardisierte Look-and-Feel schnell akzeptiert und in der Bedienung der Maschinen schnell verstanden wird“, berichtet Bernhard Niedermeier, Entwicklungsingenieur in der Automatisierungstechnik bei Flottweg.
Auch wenn das neue Design zunächst ungewohnt wirke, sollen sich die Anwender schnell einarbeiten und begreifen können, wie einfach und komfortabel die Bedienung ist. „Der Operator sieht schon im Vorbeigehen, ob alles in Ordnung ist – auch im Freien oder bei schwierigen Lichtverhältnissen“, sagt Niedermeier.
Engineering-Aufwand reduzieren
InGo soll eine klare Linie in die Bedienung von Maschinen bringen, Fehlerquellen eliminieren und gleichzeitig den Wissenstransfer der Mitarbeiter auf ein neues Niveau heben. Zugleich erleichtert es die Interaktion von Flottweg-Maschinen mit anderen Systemen und verringert den Aufwand und die Kosten bei der Integration in bestehende Prozesse. Denn für allgemeine Anlagenelemente wie Pumpen, Ventile und Messungen gilt das gleiche Bedienkonzept.
Die Vorzüge beim Engineering fasst Gerhard Hager, als Entwicklungsingenieur ebenfalls an InGo beteiligt, so zusammen: „Für jede Maschine gibt es für eine schnelle Projektierung alle notwendigen Bausteine zur Visualisierung und Steuerung. Mit dieser Bibliothek lassen sich individuelle Applikationen definieren, sodass ein Großteil der manuellen Programmierung entfällt. Ein zusätzlicher Motor entspricht einem fertigen Baustein mit allen Störmeldungen in allen Sprachen. Es muss lediglich noch die Tag-Nummer ergänzt werden, fertig. Dadurch spart man sich etwa 20 Prozent Engineering-Aufwand. Wenn die Projekte umgesetzt sind, ergeben sich weitere Einsparungen über Inbetriebnahme und Service. Auch in dieser Hinsicht hat sich die Investition in das neue, standardisierte Design gelohnt.“
Nächste Station: Predictive Maintenance
Flottweg verspricht sich viel von der Vision einer Smart Factory: gesteigerte Produktivität und gesenkte Risiken quer durch die Business Operations sowie Chancen auf gesteigertes Umsatzwachstum dank neuer Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Predictive Maintenance wird hierfür ein wichtiger Baustein sein, womit stets aktuelle Information durch Echtzeitdaten von Maschinen und Anlagen sowie Nachfrageprognosen möglich werden. Diese Transparenz hilft, Entscheidungen zu treffen und Logistikprozesse wie auch Zuliefererbeziehungen weiter zu verbessern.
Sensoren und Algorithmen lassen eine automatisierte Verschleißüberwachung zu und initiieren so proaktiv die Lösungen. Auch lassen sich die Folgen von Produktionsveränderungen in Echtzeit überwachen.
Für Flottweg-Kunden ergeben sich damit kostenoptimierte Abläufe mit einem verbesserten Ressourcenmanagement, zuverlässigere Fertigungskapazitäten sowie eine hochgradige Automation. Smart Factory ist dabei als Prozess zu sehen. Durch Predictive Maintenance mit Realtime-Daten lassen sich beispielsweise Ausfallzeiten eines Bearbeitungszentrums in der Fertigung deutlich reduzieren.