Klebstoffe und Druckfarben haften besser Neues Plasmaverfahren ersetzen lösemittelbasierte Vorbehandlungen

Prototyp Arterienkatheter, Bedruckung FEP-Schlauch und anschließender Klebeverbund zwischen FEP-Schlauch / ABS-Verbinder; Referenz (oben), Plasmabeschichtung auf FEP-Schlauch (unten)

Bild: Innovent
19.08.2024

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt von Alpo Medizintechnik, Tigres und Innovent wurde ein neues Plasma-Beschichtungsverfahren für dielektrische Materialien entwickelt. Dieses neue Verfahren bietet neue Möglichkeiten für schwer verklebbare Polymere und den Einsatz in der Industrie.

Polymere zeichnen sich durch eine Vielzahl herausragender Eigenschaften aus, die ihnen eine breite Anwendung in technischen und medizinischen Bereichen ermöglichen. Je nach eingesetztem Material gehören dazu eine hervorragende chemische Beständigkeit, ein geringes Gewicht, gute Reibungseigenschaften oder hohe Korrosionsbeständigkeiten. Bei der Weiterverarbeitung dieser Materialien, etwa durch Klebe- oder Druckverfahren, stellen jedoch ihre unpolaren Eigenschaften und die daraus resultierende geringe Benetzbarkeit in der Praxis eine erhebliche Herausforderung dar.

In der Industrie besteht daher ein hoher Bedarf an neuen technischen Lösungen, um die Haftungseigenschaften von Polymeroberflächen zu verbessern. Dabei steht vermehrt die Forderung auf lösemittelbasierte Vorbehandlungsverfahren, wie Primern oder den Einsatz von umwelt- und gesundheitsgefährdenden Ätzmitteln zu verzichten und entsprechende Alternativverfahren zu entwickeln.

Haftvermittelnde Eigenschaften

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsverbundes ist es nun gelungen, einen Atmosphärendruckplasma-Beschichtungsprozess zu etablieren, über den sich haftvermittelnde Dünnschichten mit einem hohen Anteil an funktionellen chemischen Gruppen (zum Beispiel Aminogruppen) an der Substratoberfläche realisieren lassen, für nachfolgende Verklebungen, Bedruckungen oder auch Lackierungen. Das Herzstück des Plasmaprozesses bildet das kommerziell verfügbare T-Jet-Plasmasystem der Firma Tigres. Bei diesem System wird eine Coronaentladung zwischen zwei Elektroden im Inneren des Plasmakopfes generiert und durch einen Luftstrom auf das zu behandelnde beziehungsweise zu beschichtende Werkstück geleitet. Aufgrund der kalten Plasmaentladung, liegen die resultierenden Oberflächentemperaturen bei maximal 80 °C beziehungsweise je nach Verfahrungsführung noch einmal deutlich niedriger, sodass sich der Prozess auch für thermisch sensible Kunststoffe eignet.

Über geeignete Dosiersysteme und Plasmadüsen lassen sich chemische Vorläufersubstanzen in das Plasma einbringen und dünne Plasmapolymerschichten auf der Substratoberfläche abscheiden. Die Beschichtungsbreite mit einem Plasmamodul liegt in der Größenordnung von 40 bis 60 mm. Flächige Beschichtungen lassen sich über ein Abrastern der Bauteiloberfläche generieren.

Im Rahmen des Projektes erfolgten die Prozessentwicklungen an den Kunststoffen PTFE und PMMA beziehungsweise an für die Medizintechnik relevanten Schlauchmaterialien aus FEP, PTFE mit Co-extrudierten Wolfram-Röntgenkontraststreifen oder HDPE. Die Kunststoffschläuche stellen ein Bestandteil von vaskulären Medizinprodukten (zum Beispiel arterielle Katheter) dar, die über Klebeprozesse in Kunststoffverbinder integriert werden. Im Falle der Fluorpolymere ist nach bisherigen Stand der Technik eine ausreichende Haftung nur dann gewährleistet, wenn der Schlauch über zusätzliche Metallhülsen im Verbinder fixiert wird.

Wird der Plasma-Beschichtungsprozess beispielsweise mit dem chemischen Vorläufer 3-Aminopropyltriethoxysilan (APTES) betrieben, so lassen sich silikatische Plasmapolymerschichten generieren, mit einem hohen Anteil an Stickstofffunktionalitäten, im Maximum bis circa 14 Atomprozent. Die Dünnschichten führen zu einer besseren Benetzbarkeit der Kunststoffe, je nach Substratart und Schichtdicke bis zu superhydrophilen Eigenschaften. Zudem konnten in Analysen eine gute Beständigkeit der Stickstofffunktionalitäten gegenüber einer Wasserbeanspruchung nachgewiesen werden.

Verbesserte Klebeeigenschaften und Bedruckbarkeit

Eine gezielte Anpassung der Oberflächeneigenschaften der Kunststoffsubstrate ermöglicht signifikante Haftungssteigerungen von Verklebungen zum Beispiel auf Epoxidharz- oder Acrylatbasis. An PMMA-Stahl-Verbundproben, die über einen 2K-Epoxidharz-Konstruktionsklebstoff aufgebaut wurden, ließen sich Haftfestigkeiten im Druckschertest bis in den Bereich der Eigenfestigkeit des PMMA-Kunststoffes erzielen. Im Fall von PTFE wurde eine Erhöhung der Scherfestigkeiten des Klebeverbundes von 0,1 MPa auf 8 bis 9 MPa erreicht. Durch zusätzliches mechanisches Anrauen des PTFE, beispielsweise über Strahlprozesse, ließ sich die Scherfestigkeit sogar auf bis zu 13 MPa steigern.

Ein Verbund aus FEP-Schlauch / ABS Verbinder, für den künftigen Einsatz in der Medizintechnik, wurde durch die Verklebung mit einem zertifizierten Cyanacrylatklebstoff aufgebaut. Durch den entwickelten Beschichtungsprozess, aber auch mit einer optimierten Plasmaaktivierung konnte die nach DIN EN ISO 10555-1 geforderte Mindestzugkraft von 10 N zuverlässig erfüllt und reproduzierbar übertroffen werden. Ebenso wurde die Sterilisierbarkeit der Verbundproben nachgewiesen, sowohl mittels Dampfsterilisation als auch Ethylenoxid-Sterilisation, wobei die Haftungswerte nahezu unverändert blieben. Selbiges gilt bei einer Langzeitbelastung der Verklebung im Klimaschrank bei erhöhter Temperatur von 85 °C und 50 Prozent relativer Luftfeuchte, was einer geforderten Lagerbarkeit der vaskulären Medizinprodukte von mindestens 5 Jahren entspricht.

Neben dem Schlauchmaterial FEP konnten in dem Entwicklungsprojekt auch bei den ebenfalls getesteten PTFE- und HDPE-Schläuchen, die gestellten Haftungsanforderungen durch den Plasmaprozess erfüllt werden. Zukünftig ist damit bei schwer zu verklebenden Polymeren die Möglichkeit gegeben, einen vereinfachten Aufbau der Medizinprodukte über Direktverklebungen zu realisieren.

Effizientere Oberflächenmodifikation

Die durch den Plasmaprozess erzielten speziellen Oberflächeneigenschaften bieten zudem Vorteile bei der Bedruckbarkeit der Schläuche. Die bessere Benetzbarkeit geht dabei mit einem klaren Druckbild der mittels Tintenstrahldruck aufgebrachten Messskalen und Beschriftungen einher. Ein zweiter positiver Effekt stellt zudem die Steigerung der Tintenhaftung auf den getesteten Kunststoffschläuchen dar.

Neben Kunststoffen ist der Plasma-Beschichtungsprozess allgemein auf dielektrischen Oberflächen wie Glas, Keramik, Holz, Textilien, Folien und anderen Materialarten anwendbar. In parallellaufenden Forschungsarbeiten ergaben sich beispielsweise Synergien bei der verbesserten Lackhaftung auf harzreichen Hölzern oder der Pulverlackhaftung auf Flachglas. Insgesamt bietet der entwickelte Beschichtungsprozess somit eine hohe Bandbreite an Applikationsmöglichkeiten in der Industrie.

Die vorgestellten Arbeiten wurden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unter dem Förderkennzeichen KK5088407AP1 unterstützt.

Bildergalerie

  • Setup der Atmosphärendruck-Plasmabeschichtung, beispielhaft für die Funktionalisierung von PTFE

    Setup der Atmosphärendruck-Plasmabeschichtung, beispielhaft für die Funktionalisierung von PTFE

    Bild: Innovent

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