Vom 22. bis 26. April 2023 fand die Hannover Messe statt. Bosch Rexroth wartete dort in mehreren Bereichen mit neuen Lösungen auf. So verlagert das Unternehmen beispielsweise in der Hydraulik verstärkt Funktionen in die Software. Die Lösungen nutzen offene Standards und erhöhen damit die Freiheitsgrade für Maschinenhersteller und Endanwender. Gleichzeitig sollen sie den Energie- und Ressourcenverbrauch im Einsatz reduzieren. Mit der Wiederaufbereitung von gebrauchten Automatisierungskomponenten und einer Prozesslösung für das Recycling von Batterien zeigt die Firma außerdem Lösungen für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft.
Mehr Offenheit und weniger Energieverbrauch in der Automatisierung
Bislang haben Automatisierungshersteller Softwarefunktionen fest mit ihrer Steuerungshardware verknüpft und Kunden so an ihre Produktwelt gebunden. Bosch Rexroth stellt sein echtzeitfähiges, Linux-basiertes Betriebssystem ctrlX OS, das bisher exklusiv auf der Steuerung ctrlX Core zum Einsatz kam, jetzt auch als separate Lösung für das industrielle Umfeld zur Verfügung.
ctrlX OS verbindet damit hardwareunabhängig in Echtzeit noch mehr Automatisierungskomponenten nahtlos mit dem gesamten ctrlX-Automation-Portfolio, einschließlich der Partner-Lösungen der ctrlX World. Maschinenhersteller und Systemintegrationsunternehmen können damit über alle Ebenen der Automatisierungstopologie hinweg softwarebasierte Funktionen auf beliebigen Steuerungen einfacher und flexibler entwickeln, installieren, aktualisieren und betreiben. Als erster System- und Technologiepartner bietet Wago das Betriebssystem auf seinen eigenen Geräten an und entwickelt gemeinsam mit Bosch Rexroth neue branchenspezifische Lösungen.
Der Automatisierungsbaukasten ctrlX Automation unterstützt darüber hinaus die Nachhaltigkeit in der industriellen Automatisierung. Anwender können immer mehr Funktionen zum Energiesparen nutzen, beispielsweise den Smart Energy Mode in Servoantrieben. Er sorgt dafür, dass die Energie intelligent im System gehalten wird und Lastspitzen weitestgehend vermieden werden.
Ein weiterer Trend ist die Wiederverwendung von Automatisierungskomponenten im Rahmen des Remanufactured-Products-Programms. Durch eine Wiederaufarbeitung und den Austausch von Verschleißteilen soll etwa ein gebrauchter Servomotor wieder den Qualitätsstandard eines Neuprodukts inklusive Gewährleistung erhalten. Rund 75 Prozent der Bauteile lassen sich so weiter nutzen.
Schneller zu passgenauen Lösungen in der Lineartechnik
In der Lineartechnik will Bosch Rexroth die Engineering-Prozesse für Einzelkomponenten und smarte mechatronische Subsysteme mit durchgängigen eTools beschleunigen. Als Plug-&-produce-Lösungen vereinfachen die Smart Function Kits für definierte Anwendungen wie Pressen und Fügen sowie Handhaben oder Dosieren das Engineering. Eine vorinstallierte Bediensoftware mit virtuellem Assistenten verkürzt die Inbetriebnahmezeit dieser Subsysteme um bis zu 80 Prozent.
Weitere Zeitersparnis soll die visuelle Ablauf-Programmierung mittels Drag-&-Drop-Funktionsbausteinen bringen. Und völlig neue Freiheitsgrade für die Automatisierung verspricht die Firma mit dem Smart Flex Effector. Dieses sensorgestützte Ausgleichsmodul mit unabhängiger Kinematik in sechs Freiheitsgraden soll Robotern das Feingefühl einer menschlichen Hand verleihen. Durch verlängerte Schmierintervalle und optimierten Schmiermitteleinsatz senken die Lineartechnik-Lösungen die Betriebskosten und reduzieren den Ressourceneinsatz über den gesamten Lebenszyklus.
Tiefenentladung im Batterierecycling verkürzt
Der weltweit steigende Anteil batterieelektrischer Pkw erhöht den Bedarf an Lösungen für das Batterierecycling und der darin enthaltenen Rohstoffe wie Lithium, Kobalt oder Nickel. Auf der Hannover Messe zeigt Bosch Rexroth eine neue Automatisierungslösung, die den notwendigen Entladungsprozess von bis zu 24 Stunden auf weniger als 15 Minuten verkürzen soll.
Die Systemlösung besteht aus Serienkomponenten des Automatisierungsbaukastens ctrlX Automation und des Transfersystems TS 5 sowie auf den Prozess abgestimmte modulare Software. Eine patentierte Tiefenentladung schafft die Voraussetzungen für die anschließenden Recylingprozesse. Die freigesetzte Energie speist die Automatisierungslösung in einen Zwischenkreis, der andere Aktoren der Linie versorgt, oder zurück in das Stromnetz. Das soll einen neuen Meilenstein in der Kreislaufwirtschaft der Elektromobilität setzen.
Grafische Orchestrierung in der Fertigung
Bosch Rexroth setzt in allen seinen Automatisierungstechnologien auf offene, herstellerübergreifende Standards und Schnittstellen wie die Verwaltungsschale. Sie fungiert als standardisierter digitaler Zwilling für alle Komponenten und Lösungen, sowohl von Bosch Rexroth als auch von anderen Herstellern.
Anwender können mit der neuen individuell anpassbaren Softwareplattform ihre Brownfield- und Greenfield-Anlagen losgrößenunabhängig grafisch in ISO/IEC-standardisierten Prozessmodellen orchestrieren, und das ohne Stillstandszeiten. Die standardisierte Daten- und Prozesstransparenz soll Agilität und Reaktivität der Produktion dauerhaft erhöhen.
Mit Hydraulik-Plattform zu mehr Nachhaltigkeit
Mit der neuen Software-Plattform H4U (Hydraulics for You) präsentiert Bosch Rexroth eine Neuentwicklung in der Industriehydraulik. Sie überführt bislang hardwaregebundene Hydraulikfunktionen in hardwareunabhängige Softwarebausteine. Die klassischen Vorteile der Hydraulik bleiben dabei erhalten. Gleichzeitig vereinfacht H4U die Integration der Hydraulik in bestehende Automatisierungsumgebungen.
Mit den H4U.apps erreichen Endanwender eine höhere Produktivität sowie Energieeffizienz und verringern ihren CO2-Fußabdruck. Eine App für die Druck-/Volumenstrom-Regelung nutzen Kunden bereits in ihren Anwendungen. Auf der Hannover Messe werden weitere H4U.apps, darunter die Weg-/Kraft-Regelung für hydraulische Achsen, vorgestellt. Dadurch wächst auch die Automatisierungsplattform ctrlX Automation um Hydraulikfunktionen.
Flexibilität für mobile und stationäre Anwendungen
Auf Basis bewährter, aber mechatronisch optimierter Hydraulikpumpen für den offenen Kreislauf stellt Bosch Rexroth seine neue Hydraulik-Architektur eOC (electronic Open Circuit) vor. Mit diesen Pumpen für Mobil- und Industrieanwendungen ermöglicht die eOC-Technologie den Betrieb mit variablen Vorgaben für Druck, Volumenstrom und Leistung – sowohl stationär genau als auch in dynamischen Übergängen. eOC kann dadurch die Stabilität der Funktion in der jeweiligen Anwendung erhöhen.
Außerdem steigern Wirkungsgradvorteile in Komponente und im Systemverbund die Effizienz. Energie-Rekuperationslösungen werden möglich oder vereinfacht. Der Schlüssel dafür liegt in der Verlagerung komplexer Regelungsvorgänge von Hardware-Reglern auf die Software-Ebene. Das reduziert die Varianz der Pumpenverstellungen und der Voreinstellungen. Auch der Einstellaufwand einmalig und pro Maschine ist geringer.
Hägglunds-Quantum-Motorenbaureihe
Bislang bestehende physikalische Grenzen überwindet die neue Hydraulikmotoren-Baureihe Hägglunds Quantum mit einer neuartigen Kombination aus Drehmoment und Geschwindigkeit. Mit einer Höchstdrehzahl von mehr als 150 U/min und einem maximalen Drehmoment von mehr als 350 kNm setzt sie Maßstäbe bei der Leistungsdichte. Durch Optimierungen bei Design und Material hat Hägglunds den Wirkungsgrad erhöht und die durchschnittliche Lebensdauer gegenüber bisherigen Baureihen verdreifacht. Die Motoren eignen sich beispielsweise für Brecher und Innenmischer, aber auch für mobile Anwendungen.
Elektrifizierung mobiler Arbeitsmaschinen
Die für den weltweiten Off-Highway-Einsatz entwickelte modular aufgebaute eLion-Plattform unterstützt eine durchgängige Elektrifizierung mobiler Arbeitsmaschinen. Der Nennleistungsbereich der Motoren reicht von 20 bis 200 kW bei Spitzenleistungen bis zu 400 kW. Für Zeitersparnisse im Engineering soll die vollständig integrierte funktionale Sicherheit gemäß ISO 13849 sorgen.
eLion umfasst Motoren und Inverter sowie wichtige Systemkomponenten wie DC/DC-Wandler, Bordladegeräte und Hochvolt-Kabel. Darüber hinaus stellt Bosch Rexroth für die gesamte eLion Plattform Bodas-Softwaremodule und passende Getriebe sowie Hydraulikkomponenten wie Axialkolbenpumpen zur Verfügung. Im Rahmen von Pilotprojekten sind bereits diverse mit eLion ausgerüstete Maschinen im Einsatz.