Digitale Strategie „Online- und Offline-Business gehören zusammen“

Festo Vertrieb GmbH & Co. KG

Dominik Heigemeir, Head of Marketing & Online-Business DACH

Bild: Festo
17.11.2021

Festo unterzieht Ende des Jahres seinen Webauftritt im deutschsprachigen Raum einem Relaunch. Die A&D sprach mit Gaby Linnow, Head of Market Innovation DACH, Dominik Heigemeir, Head of Marketing & Online-Business DACH, und Heiko Landsberg, Vice President Global Digital Sales, über den neuen Webauftritt sowie das Online-Business von Festo.

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Die Digitalisierung ist in vollem Gange. Inwieweit hat sich das Kaufverhalten von Kunden in den letzten Jahren geändert?

Heigemeir:

Wir nehmen seit einigen Jahren zu den Themen Kaufverhalten und Informationsbeschaffung Umfragen vor. Hier stellen wir fest, dass der Kunde sich immer häufiger selbst um den Auswahlprozess beziehungsweise eine Entscheidungsfindung kümmert. In Zahlen bedeutet dies: Etwa 67 Prozent der Kaufentscheidungen sind schon vorbereitet, ohne dass wir physisch mitgestalten; 90 Prozent einer Kaufentscheidung beginnen mit einer Recherche über eine Suchmaschine im Internet. Digitale Kanäle gewinnen folglich immer mehr an Bedeutung; wir beschäftigen uns deshalb schon seit einigen Jahr sehr intensiv mit den Bereichen E-Channels und Online-Business.

Auf welcher Basis finden diese Umfragen statt?

Heigemeir:

Um ein ganzheitliches Bild zu erhalten, versuchen wir einen möglichst breiten Durchschnitt unseres Kundenportfolios abzubilden und dabei unterschiedliche Abteilungs- und Funktionsbereiche einzubeziehen. Auf dieser Basis zeigt sich, dass sich die Welt, wie wir sie als klassischer B2B-Automatisierungsanbieter kennen, in den vergangenen Jahren drastisch gewandelt hat.

Festo relauncht Ende des Jahres die Webseite für den deutschsprachigen Raum. Ein Grund dafür ist das veränderte Kaufverhalten der Kunden. Welche weiteren Motive spielen hier mit hinein?

Landsberg:

Mit der alten Technologie unserer Webseite war weder ein modernes Design noch eine zeitgemäße Kundenführung möglich. Weiterhin haben wir strikt zwischen Shop beziehungsweise Katalogstruktur und Content getrennt: Statt einer haben wir mehrere Webseiten betrieben. Mit dem Relaunch gibt es nun nur noch einen Internetauftritt von Festo.

Heigemeir:

Der Kunde stellt mittlerweile auch höhere Erwartungen als noch vor einigen Jahren: So sind eine schnelle Registrierung, ein einfacher Reklamationsprozess und ein transparenter Bestellvorgang im B2C-Bereich schon lange gang und gäbe – in B2B hingegen nicht. Für unsere eCommerce-Plattform haben wir dies mit dem Relaunch angepasst. Denn letztlich nehme ich die Ansprüche, die ich als Privatperson habe, mit in meine berufliche Rolle.

Abgesehen von der Bündelung des Webauftritts – was sind die wesentlichen Veränderungen?

Landsberg:

Mit dem Relaunch setzen wir auf ein durchgängiges Design, eine klare Struktur und intuitive Nutzung. So bieten wir dem User immer nur so viel Content, wie er wirklich benötigt – und überlassen ihm die Wahl bezüglich seines nächsten Schrittes: Möchte der Kunde den Kaufprozess einleiten oder benötigt er zunächst noch weitere allgemeine Informationen? Im Katalog am Produkt angekommen, findet der Kunde an einer Stelle alle Informationen und den Support vor, den er braucht, um sich sicher entscheiden zu können. Perspektivisch wird es auch möglich sein, über eine Chatfunktion den direkten Kontakt zu unserem Vertrieb aufzunehmen. Last but not least ist die neue Webseite „responsive“ und passt sich somit an das Endgerät des Kunden an.

Festo hat eine Vielzahl von Produkten im Sortiment. Wie gut finden Kunden zu den Produkten, die sie für ihre Lösung 
benötigen?

Landsberg:

Generell gibt es für den User drei Möglichkeiten, um zu seiner Lösung zu gelangen: Der Kunde kann zum einen die wichtigsten Parameter für die Lösung seines Problems über Filter auswählen. Zum anderen kann er über unser Kernprogramm, das alle wesentlichen Funktionen abdeckt, einsteigen. Diese Produkte bieten wir dem Markt zu guten Konditionen, wie attraktiver Preis und hohe Liefersicherheit. Im ersten Halbjahr 2022 folgt unsere dritte Einstiegsmöglichkeit: Wir können den Kunden dann über konkrete Applikationen zu den für ihn interessanten Produkten leiten. Wie gewohnt stehen unseren Kunden auch jetzt schon Engineeringtools, von der Greiferauswahl über Electric Sizing bis hin zum Handling Guide online zur Verfügung.

Die US-Website wurde bereits einem Relaunch unterzogen – welches Feedback gab es hier von Kundenseite?

Landsberg:

Die Verschmelzung von Shop und Content wurde sehr gut aufgenommen. Dies zeigen auch unsere Zahlen: Direkt nach dem Go-Live verzeichneten wir zunächst einen Einbruch unseres Online-Umsatzes, da der Kunde seine Registrierung von der alten aktiv auf unsere neue eCommercePlattform übertragen musste – dies konnten wir nicht automatisiert vornehmen. Dieses Problem konnten wir aber schnell lösen, sodass wir mittlerweile über 30 Prozent des Festo-Gesamtumsatzes über unsere eCommerce-Plattform in den USA abwickeln. Kleine Umfragen nach dem Check-out-Prozess sowie die hohen Konvertierungsraten, die über dem Benchmark für den B2B-Bereich liegen, zeigen, dass wir mit der neuen Webseite begeistern.

Theorie und Praxis sind zwei verschiedene Paar Schuhe – welche Änderungen gab es nach dem Relaunch in den USA, die für die deutschsprachige Website gleich mit einfließen?

Landsberg:

Generell haben wir unter Berücksichtigung des Kundenfeedbacks bestehende Angebote, beispielsweise die Navigationsstruktur, angepasst – hier wurde eine deutliche Straffung vorgenommen. Außerdem haben wir noch weitere Produktfilter ergänzt, um den kompletten Bedarf besser darstellen zu können.

Heigemeir:

Wir sind mit der neuen 
eCommerce-Plattform nicht nur in den USA, sondern auch in China live gegangen – hier haben wir noch einmal ganz andere Zugriffszahlen als in den USA erreicht. Dieses sequentielle Go-Live hat uns in Bezug auf die Performance der Internetseite ein sehr gutes Gefühl gegeben, um nun auch die DACH-Region, als einen sehr etablierten Markt mit hohen Anforderungen, zu bedienen.

Welche Potentiale sehen Sie mit dem Ausbau des Onlineshops?

Heigemeir:

Über die Filter- und Suchfunktion können wir den Kunden noch besser zu seiner Lösung leiten und online beraten. Über Cross Selling, also das Empfehlen passenden Zubehöres, schaffen wir zusätzliche Kaufanreize. Zusammengefasst kann man festhalten, wir steigern die Durchgängigkeit der Journey für unterschiedlichste Anwendungsfälle.

Inwiefern unterscheidet sich das Online-Business von Festo von den Mitbewerbern?

Landsberg:

Wir unterscheiden uns vor allem bezüglich der Tiefe des technischen Angebots und der Unterstützung, gerade in den frühen Phasen der Konstruktionen des Designs. Wir arbeiten schon sehr lange mit ePlan Fluid als Engineering-Werkzeug zusammen, erstellen kundenbezogene CAD-Modelle – und dies auf einem Niveau, wie es momentan im Wettbewerb nicht zu finden ist.

Seit Jahren sprechen alle von Digitalisierung. Aber kann Online-Business überhaupt als gleichberechtigter Verkaufskanal etabliert werden?

Linnow:

„Gleichberechtigt“ trifft es meines Erachtens an der Stelle nicht ganz richtig. Letztendlich geht es ja eben nicht darum Kanäle gleichberechtigt aufzubauen, sondern darum, den von unserem Kunden erwarteten Nutzen im passenden Kanal entlang der Customer Journey entsprechend anzubieten und zu erfüllen. Das bricht zu Teilen mit bekannten Paradigmen. Natürlich sind wir auch im Management gefordert, keine Strickfehler in den Strukturen und Rahmenbedingungen zu machen. Daher haben wir zum einen ein interdisziplinäres Team aufgebaut und zum anderen im Rahmen von Omni-Channel mit Vertretern aller Kanäle – sei es Direktvertrieb, Distribution oder Online – Ideen entwickelt und Maßnahmen abgeleitet, wie eine synchronisierte Zusammenarbeit im Sinne des Kunden erfolgreich und auch für die Mitarbeiter vorteilhaft ist.

Online- und Offline-Business verlangen verschiedene Denkansätze. Ist denn das entsprechende Mindset für das Online-Business schon vorhanden?

Linnow:

Wie bei allen Aspekten der Digitalisierung erfordert es auch hier ein Denken in vernetzen Strukturen und weniger in sich separierten Bahnen und Kanälen. Das Verständnis dafür wächst. Sind wir schon angekommen? Sicher haben wir hier noch Luft nach oben. Wir sind mittendrin und gefordert, dies weiter erlebbar zu machen: dass Online-Business jeden betrifft – von der kaufmännischen Beratung, über den Direktvertrieb, zur technischen Beratung bis hin zum IT-Back-Bone. Dass wir Digitalisierung und Vertrieb kennen und können, haben wir einmal mehr bewiesen als es darauf ankam: Allein in der Pandemie haben wir beispielsweise früher als andere und recht pragmatisch digitale Verkaufsformate auf die Beine gestellt und erfolgreich umgesetzt.

Welchen Stellenwert nimmt das Online-Business bei Festo ein?

Linnow:

Es steht außer Frage, welche Bedeutung und Chancen das Online-Business im 21. Jahrhundert auch für Festo hat. Es bietet für den Kunden ergänzende Transparenz, Geschwindigkeit, Einfachheit und Effizienz. Online-Business ist ein fest verankerter Bestandteil unserer Strategie mit klaren quantitativen und qualitativen Zielen. Dabei betrachten wir Online-Business nie losgelöst, sondern als Teil eines ganzen Vertriebsansatzes. Es ist in dem Sinne auch kein ganz neues Thema für Festo: EDI-Anbindungen, dynamische Kataloge oder eigene Onlineshops – bei Vielem waren wir Vorreiter in der Branche. Aber natürlich können wir gerade im Online-Business immer kurzzyklischer mit neuen technologischen Entwicklungen den Reifegrad und die Customer 
Experience merklich für den Kunden erweitern. Das treibt uns am Ende alle an.

Festo hat die Digital Customer Journey 2025 aufgestellt, was sind hier die zentralen Bausteine?

Landsberg:

Im Mittelpunkt steht der Aufbau eines durchgängigen digitalen Angebots entlang der Customer Journey, um den Kunden von der Informationsgewinnung über die Produktauslegung bis zum Verkauf und den After-Sales-Bereichen online zu begleiten. Dies bedeutet nicht, dass wir unser gesamtes Geschäft online abwickeln möchten. Mit der digitalen Strategie bieten wir die Möglichkeit des Omni-Channelings: Der Kunde entscheidet, welchen Kanal erwählt. Bei „einfachen“ Beschaffungen – so zeigt es unsere Befragung – bevorzugen Kunden schon heute die digitale Abwicklung. Immer vorausgesetzt, es sind alle notwendigen Informationen verfügbar.

Ein Weg kann auch mal steinig sein – mit welchen Stolpersteinen rechnen Sie beim Umsetzen der Strategie?

Landsberg:

In Bezug auf die technische Umsetzung sind wir mit unserer eCommerce-Plattform auf einem sehr guten Weg. Nun gilt es diese Plattform als ergänzenden Vertriebskanal für unsere Kunden zu etablieren. Unsere Kampagne in den USA hat gezeigt, dass wir über das Online Business Neukunden akquirieren können und ein deutliches Umsatzplus einfahren. Dies müssen wir allerdings weltweit für jedes einzelne Land aufzeigen.

Linnow:

Sicher werden sich schnelle technologische Entwicklungen auch zukünftig kurzzyklisch beziehungsweise agil in unserem Auftritt wieder finden müssen. Und sicherlich werden wir neuen Erwartungen, die sich im Markt rasant entwickeln, begegnen. Wir sind auch deshalb so erfolgreich, weil wir mehr in Möglichkeiten statt in Stolpersteinen denken.

Sind Sie mit der Digital Customer Journey im Zeitplan – und inwiefern war Corona hier ein Beschleuniger?

Landsberg:

Wir möchten bis Ende 2022 alle wesentlichen Länder auf die neue eCommerce-Plattform umziehen – und dies schaffen wir auch. Corona war in Bezug auf das Bewusstsein im Unternehmen ein Beschleuniger: Digitale Kanäle, über die wir schon seit Jahren diskutieren, sind nun Realität. Dies zeigt sich schon im täglichen Geschäft: Webinare, virtuelle Messen, digitale Kundeninteraktion via Microsoft Teams – aufgrund von Corona musste sich hiermit auseinandergesetzt werden, was uns auch erfolgreich gelungen ist.

Festo eröffnet im November das erst Experience Center in Deutschland und möchte damit unter anderem die Kundennähe verstärken – ist dies nicht ein Widerspruch zum Ausbau des Online-Business?

Heigemeir:

Nein, beide Bereiche gehören zusammen. Mit dem Online-Business lässt sich effizient dort Umsatz generieren, wo es wenig Beratung bedarf. Im Projektgeschäft hingegen ist nach wie vor – und das wird auch so bleiben – unsere Beratungskompetenz gefragt. In unseren Festo Experience Centern steht der Dialog, das Zusammenspiel mit unseren Kunden und die kundenspezifischen Applikationen, im Mittelpunkt: das gemeinsame Erarbeiten einer Lösung. Wenn diese steht, kann an den digitalen Verkaufskanal übergeben werden.

Wie möchte Festo das Online-Angebot für Kunden in Zukunft optimieren?

Landsberg:

Die Datenmengen werden noch weiter zunehmen; das Thema Künstliche Intelligenz, und damit die Personalisierung unserer Kundenangebote, wird folglich mehr und mehr in den Mittelpunkt rücken. Mittelfristig ist es auch wichtig, unsere zwei Bereiche Automation und Didactic auf der Webseite zu verschmelzen – im Moment sind dies noch zwei verschiedene Welten.

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