Vollautomatisches Pneumatiksystem Per Mausklick zur Losgröße 1

Bild: Schröder
29.10.2018

Kleinere Stückzahlen und größere Variantenvielfalt machen möglichst schnelle, effektive Rüstzeiten der Werkzeuge unerlässlich. Ein Produktionsunternehmen hat deshalb einen vollautomatischen Pin-Tisch für die Holzbearbeitung entwickelt. Dieser passt sich dank elektrisch angesteuerter Pneumatikzylinder exakt dem Werkstück und den zu fertigenden Konturen an.

Der Auftragszettel für den Tag hat es in sich: Mindestens 15 verschiedene Positionen an Holz-, Verbund- und Aluminiumzuschnitten mit unterschiedlichsten Geometrien sollen auf der Maschine heute ausgeführt werden. Das ist bei Schröder kein Problem, denn das Unternehmen nutzt jetzt einen besonderen Pin-Tisch. Hier fahren Pneumatikzylinder elektronisch angesteuert innerhalb von Sekunden so aus, dass sie ein Negativ der zu fertigenden Konturen bilden. Anschließend fixieren integrierte Vakuumsauger die Platte und die Bearbeitung kann sofort starten.

Ziel: Rüstzeiten verkürzen

„Wir erleben seit Jahren immer kleinere Losgrößen“, beschreibt Jörg Schröder, Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens, die Herausforderung. „Früher lagen die Stückzahlen im Tausenderbereich, heute fertigen wir oft nur 50 bis 100 Stück.“ Dabei sind nicht die NC-gesteuerten Bearbeitungseinheiten der Maschinen der Flaschenhals, sondern die Rüstzeiten, insbesondere die des Arbeitstisches. Sägen, Bohrer und Fräser brauchen einen Hohlraum unter dem Werkstück, sonst würde der Tisch beschädigt werden. Noch ist es üblich in der Branche, zunächst eine Unterlage mit den entsprechenden Aussparungen und Dichtungen zu fertigen, auf die dann die Werkstücke gespannt werden. „Bei großen Stückzahlen ist das durchaus wirtschaftlich und gut“, sagt Jörg Schröder. Aber je kleiner die Losgrößen werden, desto höher ist der Aufwand – bezogen auf das Einzelteil –, die Schablonen zu fertigen, sie zu registrieren, zu verwalten und sie so zu lagern, dass sie wiederverwendbar sind.

Schröder in Beckum, Nordrhein-Westfalen, ist ein Produktionsunternehmen für Serien- und Variantenprodukte aus Holz, Verbundwerkstoffen und Kunststoff. „Als Zulieferer sind wir gezwungen, ständig die Kosten zu optimieren, und die unproduktiven Rüstzeiten am Bearbeitungstisch sind der größte Hebel“, fasst der Geschäftsführer die Ausgangssituation zusammen. Genau hier setzt die Idee des Schreinermeisters und Elektromechanikers Jörg Schröder an: Ein automatisierter Pin-Tisch, der auf einen Software-Befehl hin sowohl flexibel die Zuschnittkonturen unter den Platten frei lässt, gleichzeitig die Platten so fixiert, dass sie sicher und exakt bearbeitet werden können.

Gemeinsam mit Aventics, einem Hersteller von Pneumatikkomponenten und –systemen, realisierte er einen automatisierten Pin-Tisch für eine neue vierspindlige Portalmaschine von MKM International aus Bad Oeynhausen. Ein Mausklick reicht und die Zylinderventileinheiten von Aventics fahren innerhalb weniger Sekunden in Position und fixieren die zu bearbeitende Platte mit den integrierten Vakuumsaugern. Gleichzeitig ist das CNC-Programm geladen und die Bearbeitung kann beginnen.

Vollautomatisches Pneumatiksystem

Das Konzept ist die Weiterentwicklung einer Idee, die Schröder bereits vor einigen Jahren mit MKM umgesetzt hatte. Er hatte einen manuellen Pin-Tisch für Einsteckpins mit einer LED an jeder Position ausgerüstet. Eine von ihm entwickelte Software überträgt die bereits bei der CNC-Programmierung im CAD-System definierte Saugerkonfiguration des Teiles an eine separate Kleinsteuerung, welche dann die entsprechenden LEDs ansteuert. Das signalisiert dem Maschinenbediener eindeutig, an welchen Stellen Pins eingesteckt werden müssen. „Selbst damit kann das Einrichten des Maschinentisches länger dauern, als die Fertigung einer kleinen Losgröße. Es hat mir keine Ruhe gelassen, dass es dafür keine Automatisierung gibt“, erinnert sich Jörg Schröder.

Seine Grundidee: Er ersetzt die starren Metall-Pins des Pin-Tischs durch bewegliche und kompakte Zylinderventil­einheiten. Die Zylinderventileinheit steuert er über ein eigens entwickeltes Bussystem elektronisch an und lässt sie die bei der Programmierung erstellten Auflagepläne automatisch umsetzen. Die Programmierung ist weitestgehend automatisiert. Das Saugerprogramm ist dem CNC-Programm fest zugeordnet und beides wird gemeinsam zur Maschine übertragen. Das integrierte Vakuumsystem fixiert dann die Werkstücke.

Als Technologiepartner unterstützte Aventics den Mittelständler dabei, sein Konzept in die Tat umzusetzen. Schröder erstellte ein modulares System aus vier verfahrbaren Tischen mit den Maßen 1.200 x 800 mm. Jeder Tisch ist mit 48 Zylinderventileinheiten mit 2x4 Zylindern ausgerüstet. Je zwei Tische können synchronisiert werden, um eine größere Aufspannfläche zu erhalten. „Die außergewöhnliche Zylinderventileinheit haben wir innerhalb eines Monats soweit entwickelt, dass wir Funktions- und Lebensdauertests fahren konnten“, erinnert sich Alexander Minderlen, der bei Aventics diese Baugruppe auf der Entwicklungsseite betreut.

In der Bodenplatte der Baugruppe sind acht Wegeventile sowie eine Steuerplatine von Schröder vor Einwirkungen wie Staub und Spänen geschützt integriert. „Hier hatten wir extrem enge Vorgaben wie Bauhöhe, Breite/Raster sowie integrierte Elektrokomponenten und Vakuumsystem, damit die Lösung auch in bereits installierte Arbeitstische nachrüstbar ist“, betont der Entwickler. Aventics liefert die Achtereinheiten vormontiert und pneumatisch geprüft. Bei Schröder wurde dann die von der Firma CBE entwickelte und gebaute Prozessorplatine verbaut. Ein Aluminiumdeckel komplettiert die Baugruppe.

Intelligent und energieeffizient

Die 384 Zylinderventil-Einheiten jedes Tischs mit je einem Ein- und Ausgang sind über einen Feldbus mit der Steue­rungssoftware von Schröder verbunden. Somit reicht hier ein vieradriges Kabel aus, um einen Tisch anzusteuern und zu überwachen. Durch die perfekt abgedichteten Vakuumsauger erreicht der neue Pin-Tisch mit einem deutlich reduzierten Energieeinsatz ein besseres Ergebnis. Wichtig ist außerdem, dass Werkstücke plan aufliegen. Die Planheit der Zylinderendlagen je Tisch liegt im hundertstel Millimeter Bereich. „Das ist beispielsweise wichtig, damit wir auch kleinste Profilierungen an den Plattenkanten exakt fräsen können“, so Jörg Schröder.

Den ersten automatisierten Pin-Tisch hat Schröder für eine neue Portalmaschine von MKM International anfertigen lassen und nutzt ihn in der eigenen Fertigung. Die vier in Y-Richtung fahrenden Tische können von vier Frässpindeln unabhängig voneinander an jeder Stelle erreicht werden. Zusätzlich sind zwei Frässpindeln ein Bohrgetriebe und den übrigen zwei Spindeln ein schwenkbares Sägeaggregat zugeordnet. Mit dieser Maschinenausstattung fallen kaum noch Werkzeugwechselzeiten an „Wir senken damit unsere Rüstzeiten deutlich und produzieren hoch flexibel und superschnell“, fasst der Tüftler das Ergebnis zusammen.

„Es haben auch schon andere Unternehmen an ähnlichen Konzepten gearbeitet, auf Grund der komplexen Aufgabenstellung aber nicht konsequent zu Ende geführt“, lächelt Schröder. Er will den automatisierten Tisch nicht nur selbst nutzen, sondern vermarktet die Lösung für neue und bereits installierte Maschinen und Anlagen für die Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie sowie auch andere Branchen.

Bildergalerie

  • Die Zylinder fahren innerhalb von Sekunden in Position und bilden die definierten Konturen und Arbeitsräume unter den Werkzeugen.

    Die Zylinder fahren innerhalb von Sekunden in Position und bilden die definierten Konturen und Arbeitsräume unter den Werkzeugen.

    Bild: Schröder

  • Die Zylinder stützen die Platte nah an den Eingriffsstellen, damit sie während der Bearbeitung nicht schwingen oder flattern.

    Die Zylinder stützen die Platte nah an den Eingriffsstellen, damit sie während der Bearbeitung nicht schwingen oder flattern.

    Bild: Schröder

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