Als der Landarzt Edward Jenner 1796 erstmals einen Impfstoff gegen die Pocken salonfähig machte, dachte man noch, diese meist tödlichen Krankheiten seien eine Strafe Gottes. Über 300 Jahre später ist die Medizin um einige Erkenntnisse reicher. „Mit dem Begriff Epidemie ist meist die Erwartung verknüpft, dass es eine besonders hohe Zahl an Erkrankungen gibt oder eine Gefährdung vieler Personen“, sagt Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut in Berlin. „Doch“, so ergänzt die Biologin, „eine Epidemie beschreibt einfach nur die zeitliche und örtliche Häufung einer bestimmten Infektionskrankheit.“ Wichtig sei dabei vor allem die einheitliche Ursache – und die kann vielfältig sein. Im Hintergrund steht aber immer ein Virus, gegen das es bisher kaum wirksame Therapien gibt. Tropenkrankheiten wie das Dengue-Fieber, aber auch Cholera, Typhus und die Kinderlähmung sind Beispiele für Epidemien. Und Glasmacher klärt auf: Epidemien ist einfach nur das griechische Wort, Seuche das deutsche.
Doch auf der Liste mit bekannten Seuchen finden sich auch Krankheiten, die nicht jeder in Westeuropa kennt: Das Chikungunya-Fieber wütet seit Ende 2013 in Zentral- und Südamerika: Nach gut einem Jahr sind fast eine Million Menschen erkrankt, 140 gestorben. Auch in Deutschland zählen die Behörden Chikungunya-Fälle – vor allem bei Urlaubern, die aus der Karibik zurückkehren. Zudem belastet seit nun zwei Jahren das Zika-Virus Südamerika. Eben jene Krankheit, die durch Mücken übertragen wird und vor allem bei Ungeborenen zu Schädelmissbildungen führt. Im vergangenen Sommer erreichte Zika einen traurigen Höhepunkt. Die südamerikanischen Behörden rieten Schwangeren sogar von der Reise zu den Olympischen Spielen nach Brasilien ab.
Epidemien wüten überall
Dass Epidemien im 21. Jahrhundert nicht nur ein Problem von Schwellenländern sind, zeigte EHEC im Jahr 2011. In Norddeutschland erkrankten 4.000 Menschen an keimbelasteten Sprossen aus Ägypten – über 50 von ihnen starben. Über Wochen hinweg wurden Salatgurken als Übertragungsweg gebrandmarkt. Die Bevölkerung war verunsichert.
Doch am gefährlichsten ist eine Infektionskrankheit, die seit den 1980-ern weltweit mehrere Dutzend Millionen Tote forderte: Aids. International ringen Pharmafirmen darum, einen Impfstoff zu finden. Das Problem dabei: Die Viren mutieren sehr schnell, ihr Erbgut verändert sich minimal nach dem Zufallsprinzip.
Doch natürlich gibt es auch Bestrebungen, die Gefahr des HI-Virus endgültig einzudämmen. Die beiden Wirkstoffe Alvac und Aidsvax von Sanofi beziehungsweise Vaxgen haben es zusammen mit einem Wirkverstärker von GlaxoSmithKline (GSK) zu einer Wirksamkeitsstudie in Afrika gebracht. Erste belastbare Ergebnisse seien nicht vor 2020 zu erwarten, heißt es. Doch bereits im vergangenen Frühjahr ist es Forschern gelungen, immerhin Affen für mehrere Monate immun gegenüber einer Aids-Ansteckung zu machen. Die Erfolgsformel nennt der Experte passive Immunisierung. Hierbei wird der Körper mit HI-Viren in sehr kleinen Dosen infiziert und so angeregt, Antikörper zu bilden. Allerdings baut der Körper diese in allen bisherigen Tests immer wieder nach kurzer Zeit ab, berichten Wissenschaftler. Dadurch müssen Viren immer wieder aufs Neue verabreicht werden, bis der Körper quasi nicht mehr reagiert.
Wirkstoffsuche muss sich rechnen
Es sind nur kleine Schritte im Kampf gegen die großen Krankheiten unserer Zeit. Wie phlegmatisch viele Firmen global bei der Suche nach einem Impfstoff sind, zeigt das Beispiel Ebola. Während das aggressive Virus nur in Afrikas Hinterland wütete, wurde es von den Big-Playern im Pharmabereich konsequent ignoriert. Millionen Menschen erkranken, Tausende sterben. Doch die Suche nach einem Wirkstoff sei schlicht nicht rentabel, heißt es immer wieder von Experten. Denn die große Bedrohung entsteht erst durch mangelnde Hygiene: Ein Problem der Entwicklungsländer. Anders als bei Grippeviren ist eine Ansteckung von Mensch zu Mensch nicht über Tröpfchen in der Luft möglich, sondern nur durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten. Erst als die Weltgesundheitsorganisation WHO auch Afrikas Metropolen vor einer Verbreitung von Ebola eindringlich warnte, wurden die großen Firmen aktiv.
Der erste Pharmakonzern, der in großem Stil in die Ebola-Forschung einstieg und das auch öffentlich kundtat, ist das britische Unternehmen GSK – das zu den größten Impfstoffherstellern der Welt gehört. Praktischerweise hatte GSK 2013 das Unternehmen Okairos in der Schweiz gekauft, einst eine Ausgründung des US-Pharmakonzerns Merck. In Okairos Portfolio befand sich damals schon eine Impfstrategie, die sich gegen Ebola anwenden lässt. Ein Wirkstoff von GSK befindet sich mittlerweile in der Testphase. Nach und nach zogen auch andere Konkurrenten mit – sie betrachten den Markt für Ebola-Impfstoffe mittlerweile als attraktiv. So pumpte Novartis erst kürzlich reichlich Forschungsgeld in die Entwicklungsarbeit einer kleinen Subfirma, die mit vielversprechenden Methoden dem Virus entgegenwirken will. Auch das eher unbekannte NewLink Genetics aus Iowa kann sich über eine Millionenspritze für die Forschung freuen: Merck stieg ein. Sie alle haben erkannt, wie viel Prestige die Pionierarbeit Impfstoff haben kann. Die Behörden zeigen sich besonders flexibel bei der Einhaltung von Fristen, berichten immer wieder Firmen. Und in den Chefetagen der großen Konzerne müssen bei dem Bereich oft keine zeitaufwändigen Kosten-Nutzen-Rechnungen aufgestellt werden. Denn es geht nicht darum, einen Markt möglichst schnell vor einem anderen Player zu erschließen – der Konkurrenzdruck ist niedrig.
Impfungen made in Germany
Das erkennen auch immer mehr deutsche Firmen. Hierzulande arbeiten laut des Verbands der forschenden Arzneimittelhersteller (VfA) dutzende Unternehmen an neuen Impfstoffen. „Ganz genau lässt sich dies natürlich nicht beziffern, da wir nicht jedes Start-up kennen, das auf diesem Feld agiert“, sagt Dr. Rolf Hömke vom VfA. Auch lässt sich das Gesamtvolumen der Forschung nicht in einen Wert auf die Suche nach Impfstoffen runterbrechen, da die meisten Unternehmen zudem noch für andere Produkte forschen und entwickeln. Oft wollen deutsche Firmen aber auch im Verborgenen bleiben, bevor es zum klinischen Test an Menschen kommt – zu groß ist die Sorge, einen irreparablen Imageschaden davonzutragen, weil man in der öffentlichen Wahrnehmung „versagt“ hat.
Ein Unternehmen, das mit diesem Verhalten bricht, ist Takeda. Das Unternehmen baut seit November in Singen eine Anlage zur Produktion eines Impfstoffs gegen das Dengue-Fieber. Für Takeda sei das ein Meilenstein auf dem Weg zur Deckung des hohen medizinischen Bedarfs für die Dengue-Prävention, heißt es. 100 Millionen Euro investiert Takeda in Singen, denn, so erklärt es Takeda-Managerin Kim Konradsen: „Die Kollegen dort haben große Erfahrungen im Bereich der Lyophilisation (Gefriertrocknung), einer Schlüsseltechnik für die Herstellung des Dengue-Impfstoffs.“ Der Impfstoff basiert auf einem Lebenderreger; dies erfordert höchste Präzision bei der Entwicklung. Bei der Verarbeitung von Arzneimitteln muss jeder Handgriff passgenau sitzen, das weiß auch Ralph Zapke von Yokogawa Deutschland. Die Firma mit Sitz im nordrheinwestfälischen Ratingen ist eine Tochter der japanischen Yokogawa Electric Corporation, die als Automatisierungsspezialist in der Prozessindustrie international agiert. „Insbesondere mit unseren Recordern, Datenloggern und entsprechenden Softwarelösungen betrachten wir uns als Marktführer nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit.“ Die Pharmakunden nutzen laut Zapke Messwerterfassungssysteme zur Überwachung produktions- und qualitätsrelevanter Prozessparameter, aber „beispielsweise auch bei der Reinstwasseraufbereitung oder in den teilweise gekühlten Lägern für die fertigen medizinischen Produkte“.
Dabei hat Yokogawa immer auch die Vorschriften der US-Arzneimittelzulassungsbehörde FDA im Blick. In Deutschland beispielsweise betreut Yokogawa Kunden, die für den europäischen Markt Impfstoffe herstellen. Dabei werden sensible tierische Produkte eingesetzt, um Seren herzustellen. „Auch hier befinden sich unsere Geräte im Einsatz“, sagt Zapke. „Dazu zählen zum Beispiel unsere Pharma-Recorder der Reihe DX Advanced, die kompatibel zum FDA-Standard CFR Part 11 sind.“
Im 18. Jahrhundert gab es noch keine FDA-Vorgaben. Und so konnte Edward Jenner ungehindert Kinder mit Viren aus Wunden von Kühen infizieren. So machte er erstmals Menschen immun gegen ein Virus. Jenners Zufallsfund ist es maßgeblich zu verdanken, dass die WHO rund zweihundert Jahre später die komplette Welt für pockenfrei erklären konnte – eine der Erfolgsgeschichten der Impfstoffforschung.