In vielen Fällen wird die Komplexität von EMV-Prüfanlagen durch die Anzahl der Bewegungsachsen verdeutlicht – nicht selten müssen Techniker bis zu 50 programmieren. Dazu zählen neben Drehtisch-Achsen diejenigen von oft mehreren Antennenmasten mit jeweils bis zu sieben Achsen. Realisiert wird dies im Fall der Drehtische über Servoachsen und bei den Antennenmasten aufgrund des notwendigen höheren Drehmoments mit Schrittmotorachsen.
Markus Saller, Technical Director von Maturo erläutert den Aufbau einer klassischen EMV-Anwendung: „In der Regel ist in einem EMV-technisch nach außen hin abgeschirmten Raum ein Drehtisch und ein Antennenmast mit einer Abstrahlantenne untergebracht. Außerhalb und per Glasfaserkabel als Schutz vor Störaufkopplungen angebunden ist ein Controller, wie etwa der auf Beckhoff-Technik basierende NCD. Über diesen werden unterschiedliche Messentfernungen zwischen Prüfling und Antenne sowie die Drehtisch- und Antennenpositionen gesteuert.“Zunehmend gewinnen Hochpräzisions-Anwendungen mit einer Drehtisch-Positionierungsgenauigkeit von bis zu 0,01° an Bedeutung – unter anderem zur Antennenkalibrierung beziehungsweise zum Minimieren der notwendigen Messentfernungen und damit auch der erforderlichen Größe des EMV-Raums.
Auf diese Herausforderungen hat sich Maturo, der weltweit operierende Hersteller von elektromechanischen Positioniersystemen für EMV-, Automobil-, Funk- und Radarmessungen, mit vielfältigen Ausführungen an Positionier-Drehtischen für den Einsatz in EMV-Kabinen oder im Freifeld eingestellt. So reichen die Durchmesser von 0,3 bis zu 14 m und die Tragkraft kann zwischen 10 kg und 100 t liegen. Der Positionierung der erforderlichen Strahlungsantennen dienen manuelle, halb- und vollautomatische Antennenmasten und -stative für unterschiedliche Messhöhen, Belastungen und Bewegungsfreiheiten. Als Bediengeräte stehen drei eigenentwickelte Controller zur Verfügung, darunter der neue NCD für bis zu acht anzusteuernde Mehrachs-Geräte. Wobei es sich bei den Mehrachs-Geräten um beliebige Kombinationen von Antennenmasten, Drehtischen, Dreheinheiten, Gleitbahnen oder andere Positioniergeräte handeln kann.
Flexible Steuerungs- und Antriebstechnik
Unabhängig vom grundsätzlichen Aufbau einer EMV-Anwendung sind die Lösungen von Maturo geprägt von individuellen Kundenanforderungen. Die hohe Flexibilität der PC-basierten Steuerungs- und Antriebstechnik von Beckhoff ist hier ein wichtiger Entscheidungsgrund für den Einsatz von PC-based Control des Automatisierungsspezialisten, wie Stefan Lehner, Manager Software Department bei Maturo sagt: „Das Beckhoff-Produktspektrum ist sehr breit, modular und skalierbar aufgebaut. So lassen sich ganz nach Kundenwunsch ohne großen Aufwand sowohl Standard- wie auch Sonderfunktionen realisieren, zum Beispiel durch die Integration unterschiedlichster Schnittstellen oder spezieller Safety-Funktionalitäten. Hinzu kommen die Vorteile der Systemoffenheit zum Einbinden etwaiger Drittkomponenten. Hierbei werden wir durch den ursprünglich von Beckhoff entwickelten und inzwischen weltweit etablierten Kommunikationsstandard EtherCAT unterstützt. Zumal sich EtherCAT als ein äußerst leistungsfähiges und einfach handhabbares Bussystem bewährt hat.“
Die Flexibilität der Beckhoff-Automatisierungstechnik wirkt sich für Maturo noch in anderer Hinsicht aus. Ein Aspekt ist das Übertragungsmedium Lichtwellenleiter (LWL), wie Lehner erläutert: „Ohne LWL-Technik sind unsere Lösungen überhaupt nicht möglich. Entscheidend ist, dass sie sich problemlos mit der eingesetzten Steuerungstechnik nutzen lässt. PC-based Control bietet im Gegensatz zu vielen anderen Systemen diese Möglichkeit, und zwar systemintegriert, das heißt, ohne einen zwischengeschalteten LAN-LWL-Konverter.“ Umgesetzt hat Maturo dies beim neuen Controller NCD: Er hat vier EtherCAT-LWL-Abzweige, über die alle weiteren Geräte angesteuert werden. Für eine optimale Bedienbarkeit sorgt das kundenspezifische Control Panel CP6907; für ausreichend Rechenleistung der Embedded-PC CX1020. Softwareseitig wird TwinCAT NC PTP zum Steuern der zahlreichen Achsen eingesetzt. Der TwinCAT XML Data Server dient der Datenverwaltung und der TwinCAT TCP/IP Server übernimmt die Kommunikation mit dem übergeordneten Leitsystem.
Durch die Modularität von PC-based Control ergibt sich ein weiterer Pluspunkt wie Lehner sagt: „Bei unseren Projekten treten meist massive Platzprobleme auf. Daher setzen wir nie den klassischen Schaltschrank ein. Die Automatisierungskomponenten müssen wir in den unterschiedlichsten Einbaulagen – liegend, hängend und so weiter – sowie modular verteilt einbauen können. Die Modularität von PC-based Control kommt hier sehr entgegen, zumal sich die Steuerungstechnik dadurch an den jeweiligen Bedarf anpassen lässt.“ Die gewünschten I/Os können auf diese Weise kanalgenau eingesetzt beziehungsweise ergänzt werden. Es ist also kein großvolumiges, überdimensioniertes I/O-Modul nötig. Lehner hebt aber noch ein weiteres Detail hervor: „Wir setzen in Verbindung mit den Schrittmotorklemmen EL7041 und den Servomotorklemmen EL7211 das neue Lüftermodul ZB8610 ein und können so die notwendigen Einbaulagen und kompakten Bauweisen besonders einfach umsetzen. Bislang wurde hierzu ein Fremdlüfter verwendet, der mehr Platz und Installationsaufwand erfordert hat.“
Für hohe Präzision nutzt Maturo auch die Möglichkeiten von Extreme Fast Control (XFC): „Über die EtherCAT-Klemme EL2262 geben wir mit einem Oversampling-Faktor 100 die Positionen weitaus hochaufgelöster vor, als es im reinen Steuerungszyklus möglich wäre. Auf diese Weise lassen sich bei der relativ hohen Geschwindigkeit und 0,01°-Auflösung die notwendigen Impulse an die Antriebstechnik übermitteln“, erläutert Lehner. Die XFC-Technologie der verteilten EtherCAT-Uhren (Distributed-Clocks) ist erforderlich für die Hot-Connect-Funktionalität, welche den flexiblen Busaufbau mit EtherCAT unterstützt.
Maximale Flexibilität
Markus Saller ergänzt abschließend: „Bei unserem breiten Anforderungsspektrum profitieren wir sehr stark vom vielfältigen Beckhoff-Antriebsportfolio. Hinzu kommen Vorteile durch die vereinfachte Installation und Inbetriebnahme über die One Cable Technology (OCT) beziehungsweise das elektronische Typenschild. In besonderem Maße profitieren wir von der kompakten Antriebstechnik, das heißt, von den Servo- und Schrittmotorklemmen, die wir – wenn es leistungsmäßig möglich ist – bevorzugt einsetzen. Denn damit lässt sich der Antriebsstrang bedarfsgerecht, hoch kompakt und einfach zusammenstecken, sodass uns eine maximale Flexibilität zur Verfügung steht.“