Seit 1886 hat Offenburg eine zentrale Wasserversorgung. Damals förderten wasserkraftbetriebene Pumpen das kostbare Nass aus drei Brunnen. Heute versorgen elf Brunnen die Region mit Wasser. Der wichtigste von ihnen wurde 1953 gebaut und liefert 200 Liter Wasser – pro Sekunde. Insgesamt benötigen die rund 60.000 Offenburger in Stadt und Umland täglich etwa 10.000 Kubikmeter Wasser. Dieses fließt durch ein mehr als 300 Kilometer langes Wasserleitungsnetz zu den mehr als 12.500 Hausanschlüssen. Die Aufbereitung des Wassers, das ohne messbare Spuren von Schadstoffen wie Quecksilber, Arsen und Blei ist und auch bei den Mineralien Calcium, Eisen und Magnesium weit unter den erlaubten Grenzwerten liegt, erfolgt im zentralen Wasserwerk Am Sägeteich.
Das Wasser aus den Tiefbrunnen ist mit viel Kohlensäure versetzt und hat einen ph-Wert von 5,8. Es wird durch zwei Aufbereitungsstufen in den zulässigen pH-Wert-Bereich der Trinkwasserverordnung gebracht. Bei der ersten Stufe fließt das Wasser von oben tröpfchenweise durch den Rieselbehälter, während im Gegenstromverfahren unter Druck Luft nach oben geblasen wird. In der zweiten Stufe wird die überschüssige Kohlensäure mittels sechs Kalkfiltern gebunden. Das Wasser stellt sich durch diese Aufbereitungsstufen selbsttätig in den zulässigen pH-Wert ein. Zwei Vorratsbecken im Wasserwerk mit insgesamt 5.000 Kubikmetern dienen als Reserve. Im Notfall lässt sich das gesamte Wasserwerk auch über ein Notstromaggregat mit Energie versorgen.
Update für die Pumpenanlagen
1992 ging das heutige Wasserwerk in Betrieb. Nach rund 20 Betriebsjahren war eine Komplettsanierung mit dem Retrofit der elektrischen Anlagen notwendig. Nicht zuletzt, um auf zukünftig steigende Anforderungen bei Qualität und Quantität vorbereitet zu sein und jederzeit eine sichere Versorgung zu gewährleisten. Zudem stand die Anschaffung eines modernen Leit- und Kontrollsystems an, das Diagnosen aller Systeme bis hinunter zur Feldebene ermöglicht. Die Kommunikation des gesamten Leitsystems basiert auf Netzwerktechnik. Um eine Fernwartung einzurichten, erhielten alle neuen Komponenten Profinet-Schnittstellen. Im Servicefall kann sich der zuständige Techniker von überall aus per Netzverbindung einwählen und vor einem Vor-Ort-Einsatz eine Diagnose durchführen.
Zu den Komponenten, die bei der Modernisierung verbaut wurden, gehören auch die Frequenzumrichter VLT Aqua Drive von Danfoss. Vor der Sanierung waren zwei der vier Netzpumpen, die jeweils ein 200-Kilowatt-Motor antreibt, drehzahlgeregelt, um die Hochbehälter zu füllen. Nach der Sanierung der Elektroanlagen sollten alle vier Pumpen bei gleicher Leistung über eine zeitgemäße Drehzahlregelung verfügen. Zudem sollten die Frequenzumrichter über die Profinet-Anbindung vom übergeordneten Leitsystem alle notwendigen Drehzahlvorgaben erhalten und Anlagenzustände zurück übermitteln.
EMV-Besonderheiten im Betrieb
Die Betreiber des Wasserwerks entschieden sich für VLT Aqua Drives von Danfoss, um die Netzpumpen anzusteuern. Die vier Antriebe für die 200-Kilowatt-Motoren befinden sich in den Schaltschränken über den Pumpen. Für den Wasser- und Abwasserbereich konzipiert, bieten die Antriebe viele Sonderfunktionen zur Pumpensteuerung und -überwachung. Dazu zählen unter anderem der Motorschutz, ein Füllmodus, Sleepmode, Erkennung von Rohrbrüchen und ab Herbst Funktionen zur Anwendungsüberwachung (Predictive Maintenance). Zudem zeichnen die Frequenzumrichter die Laufzeiten der einzelnen Pumpen auf und können bei Bedarf automatische Pumpenwechsel durchführen, damit diese einen gleichmäßigen Verschleiß aufweisen. Im Offenburger Wasserwerk sind die Aqua Drives so konfiguriert, dass sie bei einem Ausfall der SPS oder der Kommunikation intern eine autarke Netzdruckregelung der Netzpumpen übernehmen. Das erhöht die Ausfallsicherheit des Werkes. Mit Wirkungsgraden bis zu 98 Prozent erlauben die Antriebe zudem einen effizienten Pumpenbetrieb im besten Betriebspunkt.
Allerdings weisen Frequenzumrichter auch Besonderheiten auf. So müssen die angeschlossenen Motoren für einen Betrieb am Umrichter geeignet sein. Solche Motoren verfügen meist über eine verstärkte Isolierung in den Wicklungen und müssen gegen Lagerströme geschützt sein, etwa durch isolierte Lager. Sind ältere Motoren nicht so ausgestattet, lassen sie sich trotzdem an Umrichtern betreiben: du/dt- oder Sinusfilter, ausgangsseitig zwischen Frequenzumrichter und Motor geschaltet, schützen den Motor, indem sie Spannungsanstiegsgeschwindigkeit und Pulsspitzen eliminieren oder senken, die einen Durchschlag in den Wicklungen hervorrufen und den Motor zerstören könnten. Obwohl nur einer der im Wasserwerk vorhandenen Motoren für den Frequenzumrichterbetrieb geeignet war, entschieden sich die Offenburger gegen Ausgangsfilter. Da auch die Motoren einer Überholung bedurften, ging man das Risiko des Motorsterbens ein.
Ein weiterer Aspekt, der vor allem bei höheren Leistungen eine Rolle spielt, sind sogenannte Netzrückwirkungen oder Oberschwingungsbelastung des Netzes. Bei Umrichtern entsteht durch den Eingangsgleichrichter und die Glättung der Gleichspannung ein impulsförmiger Eingangsstrom. Dieser weicht je nach Gerätebauart mehr oder weniger von der Sinuskurvenform ab. Der nicht-sinusförmige Strom lässt sich in eine Reihe sinusförmiger Ströme unterschiedlicher Frequenzen zerlegen, wobei sich die dritte, fünfte und siebte Oberschwingung, also die Frequenzen 150, 250 und 350 Hertz bei 50 Hertz Netzfrequenz am stärksten auswirken.
Ein zu großer Oberschwingungsgehalt kann dazu führen, dass empfindliche elektronische Steuerungen oder Regelgeräte nicht mehr einwandfrei funktionieren oder Verbraucher vorzeitig ausfallen. In diesem Fall können Reduzierungsmaßnahmen notwendig sein. Wichtig ist die Senkung von Netzrückwirkungen in Kombination mit Notstromaggregaten oder -generatoren im Inselbetrieb, da diese eine wesentlich niedere Netzimpedanz haben, als das normale Netz. Dies bedingt eine Verstärkung der Auswirkungen der Netzrückwirkungen und gefährdet den sicheren Betrieb deutlich.
Simulieren für Gegenmaßnahmen
Um Belastungen und Gegenmaßnahmen im Vorfeld identifizieren zu können, führte Danfoss eine Analyse durch. Dazu erfassten die Antriebsspezialisten mittels Messgeräten die aktuelle Situation vor der Modernisierung und simulierten die zukünftige Anlage mit HCS, einer Analyse-Software, die EMV-Belastungen in Anlagen simulieren kann und gleichzeitig mit den bestehenden Grenzwerten abgleicht. In Offenburg ergab die Simulation, dass noch keine umfangreichen Maßnahmen für zusätzliche Filterung nötig waren. Dennoch legten die Spezialisten von Bnnetze, einem Partner der Offenburger Wasserversorgung, und die Netzspezialisten von Danfoss in einem Plan fest, welche Pumpenkonfiguration im Notfall maximal laufen kann, um keine Ausfälle aufgrund der Netzrückwirkungen zu riskieren. So ist auch im Notfallbetrieb eine Wasserverteilung zumindest in reduziertem Umfang möglich. Allerdings führten erhöhte Lagerströme zu einer deutlich schnelleren Abnutzung der Motorlager und erforderten Gegenmaßnahmen.
Die Lösung war zweigeteilt: Es ließ sich erkennen, dass aufgrund von Potenzialdifferenzen in der Anlage Ausgleichsströme flossen. Abhilfe schaffte ein Potenzialausgleich zwischen Pumpengehäuse und Motor. Zusätzlich installierten die Techniker High-Frequency-Common-Mode-Filter. Die speziellen Gleichtaktkerne unterbinden hochfrequente Einstreuungen bei den Motorkabeln. Zudem erforderte der reibungslose Betrieb ein verbessertes Erdungskonzept, das ebenfalls zu einem besseren Potenzialausgleich beitrug. Zusammen brachten diese Maßnahmen den Erfolg.