Mit dem Tablet-PC wählt Korbinian Nottensteiner, Teilprojektleiter der Factory of the Future und zuständig für die flexible und autonome Montage mit Leichtbaurobotern, verschiedene Aluminiumprofile aus, die mit diesem System zu komplexen Strukturen aufgebaut werden. Am Institut für Robotik und Mechatronik des DLR arbeitet man an diesem speziellen Forschungsaufbau.
Der Aufbau besteht aus zwei Leichtbaurobotern LBR iiwa der Firma Kuka, die auf einer ursprünglich am DLR entwickelten Technologie aufbauen. Ihre besonderen Eigenschaften ermöglichen eine zuverlässige Ausführung, der auch Unsicherheiten in der Arbeitszelle nichts ausmachen. Durch die Impedanzregelung kann die Steifigkeit des jeweiligen Arms angepasst werden, sodass eine feinfühlige Montage möglich wird. Die Messung der Drehmomente in den Gelenken erlaubt es zudem, den aktuellen Zustand des Montageprozesses nachzuverfolgen und darauf zu reagieren. Daher können auch die Anforderungen an eine absolute Genauigkeit des Aufbaus heruntergesetzt werden.
„Wir zielen mit dem Design des zweiarmigen Systems darauf ab, die Anzahl der spezialisierten Systemeinrichtungen zu reduzieren und so die Montage von großen und unterschiedlichen Produktfamilien zu ermöglichen“, so Nottensteiner. Das System kann verschiedene Produkte fertigen, die über ein einfach zu bedienendes Tablet-Interface konfiguriert werden.
Individualisierte Fertigung
„Je mehr man sich verschiedene Produktionsarten in den unterschiedlichen Industriesektoren ansieht, umso deutlicher wird, dass genau diese individualisierte Herstellung von Produkten und kürzere Produktlebenszyklen die nächsten großen Herausforderungen der automatisierten Produktion sind und die industrielle Fertigung maßgeblich verändern werden“, sagt Roman Weitschat, Projektleiter der Factory of the Future und ebenfalls Forscher am Institut für Robotik und Mechatronik des DLR. Konventionelle Ansätze zur Automatisierung mit hochspezialisierten Lösungen werden diesen Herausforderungen langfristig nicht gerecht und sind lediglich für große Stückzahlen rentabel. „Was wir brauchen, sind autonome und kognitive robotische Systeme, die die notwendige Flexibilität und Wandlungsfähigkeit für die Produktion der Zukunft bieten: So wird die robotergestützte Herstellung von Einzelstücken möglich, während Mensch und Roboter in gemeinsamen Arbeitsbereichen selbstverständlich zusammenarbeiten“, so Weitschat.
Die Vision der flexiblen und autonomen Montage mit Leichtbaurobotern zielt auf eine einfache Handhabung und Integration von robotischen Systemen ab: Das Institut für Robotik und Mechatronik des DLR entwickelt ein Montagesystem, das einerseits mit weniger Fachwissen bei den Benutzerinnen und Benutzern auskommt, andererseits aber in der Lage ist, komplexe Produkte und verschiedene Varianten davon zu fertigen. Dabei soll der Aufwand für die Implementierung neuer Aufgaben deutlich gesenkt werden.
Gleichzeitig möchte das System dem Benutzer die Arbeit erleichtern, indem es Planungsaufgaben selbständig übernimmt. Im Idealfall wird lediglich das gewünschte Endprodukt durch den Kunden vorgegeben. Dies kann beispielsweise über eine Schnittstelle zur intuitiven Produktkonfiguration geschehen. Hochentwickelte Algorithmen zur automatisierten Planung erstellen daraufhin eine Folge von Montageschritten für das robotische System.
„Wir stellen uns vor, dass die Werker einfach zum Tablet-PC greifen, das gewünschte Produkt intuitiv eingeben und das Montagesystem dieses dann zusammenbaut – ganz ohne weiteres Eingreifen“, sagt Nottensteiner. Wie das aussehen könnte, kann man aktuell bereits im Factory-of-the-Future-Lab des Instituts für Robotik und Mechatronik des DLR sehen.
Neue Generation der DLR-Leichtbauroboter
SARA – der Safe Autonomous Robotic Assistant – zielt auf Geschwindigkeit, Flexibilität und intuitive Programmierung ab. Der neueste Roboterarm aus DLR-Entwicklung zeichnet sich durch sekundenschnelle, autonome Werkzeugwechsel und intuitive Programmierung von Wirktrajektorien aus.
Um eine neue Aufgabe einzulernen, führt der Werker den schwerelos geregelten Arm so, dass die gewünschte Wirkung erzielt wird. „Dabei zeichnet das System erstmalig und im Gegensatz zu inzwischen marktgängigen Systemen nicht nur den gefahrenen Weg, sondern auch die entlang des Weges aufgebrachten Wirkkräfte auf das Werkstück auf, was wir deshalb Wirktrajektorie nennen“, so Oliver Eiberger, zentraler Entwickler von SARA am Institut für Robotik und Mechatronik des DLR.
„Am besten kann man es sich so vorstellen: Wenn man jemandem eine Bewegung mit einem Werkzeug vormacht und dabei beide Personen den Griff des Werkzeugs nebeneinander halten, lernt der Schüler nur die Positionstrajektorie. Legt man hingegen die Hand auf die den Werkzeuggriff haltende Hand des Lernenden, spürt dieser in der Ausführung auch die aufgewandten Kräfte.“ Wichtiges Ergebnis dieser Funktionalität ist, dass SARA dadurch ein extrem robustes Wiedergabeverhalten zeigt: Auch wenn sich das Werkstück in einer etwas anderen Startposition befindet, kann der Roboter die Aufgabe trotzdem erledigen, da er – durch die der Position überlagerte Wiedergabe der Interaktionskräfte – auch der verschobenen Kontur folgt. „Diese Funktion begegnet dem häufigen Vorwurf, dass unsere Roboter nur schwer programmierbar seien, da Werker nicht in Newton denken und keine räumlichen Kraftvektoren programmieren wollen“, unterstreicht Eiberger.
Mit SARA intuitiv zusammenarbeiten
Der SARA-Arm ist ein drehmomentgeregelter Roboterarm mit sieben Achsen und 12 kg Traglast. Sein großer Arbeitsraum mit 1 m Radius am Handgelenk und die im Vergleich zum Vorgänger mehr als verdoppelten Geschwindigkeiten erlauben flinke Bearbeitung – selbst an größeren Werkstücken. Hochauflösende Drehmomentsensorik, 8-kHz-Systemtakt und auf Dynamik optimierte Antriebe verleihen ihm höchste Feinfühligkeit und ein Steifigkeitsspektrum in der Kraftregelung von Schwerelosigkeit bis zur halben Steifigkeit der Positionsregelung, also einem Vielfachen bisheriger Systeme.
Ein integrierter Schnellwechselmechanismus mit Werkzeugerkennung, Energie- und Datenanschluss durch die endlos drehende letzte Achse erlauben die selbstständige Rekonfiguration für komplexe Aufgabenfolgen: „Wir sehen die Zukunft der Robotik eher in flexiblen Stationen, die viele Bearbeitungsschritte an einem Werkstück ausführen, als in langen, verketteten Straßen, die raumgreifend und unflexibel sind. Skalierungsfähigkeit und Ausfallsicherheit durch parallele Bearbeitung an Stationen sind die eine, intuitive und schnelle Programmierung die andere Seite der Strategie zur Automatisierung der Zukunft“, so Eiberger. So kann durch die Zusammenarbeit mit SARA die Produktion intuitiver, schneller und auch kostengünstiger gestaltet werden – ein großer Wettbewerbsvorteil.
Zehn Institute forschen an Factory of the Future
SARA und die flexible und autonome Montage von Leichtbaurobotern sind nur zwei von mehreren Setups, an denen im Projekt Factory of the Future geforscht wird. Neben dem Institut für Robotik und Mechatronik sind noch weitere neun Institute an anderen DLR-Standorten beteiligt.
Factory of the Future – die Fabrik der Zukunft – ist ein ist ein Querschnittsprojekt des DLR, das interdisziplinäre Fachkompetenzen vereinigt. Das Ziel ist die digitale Transformation robotergestützter Produktionsprozesse im Rahmen der Industrie 4.0. Die Initiative des DLR verfolgt mit dem Projekt eine umfassende Strategie, indem sie Zukunftstechnologien und Ansätze aus der Forschung zu Künstlicher Intelligenz und kooperativen Robotern untersucht – von neuartigen Ideen bis hin zu ausgereiften Konzepten. So wird Factory of the Future zum Vorreiter: Die Anwendung hochaktueller Forschungsmethoden aus Luft- und Raumfahrt macht es möglich, Produktionsabläufe zu vereinfachen und zu optimieren.