Antriebstechnik Robuste Motoren für Schalentiere

Bild: Juanmonino
02.10.2014

Fabriken, die Meeresfrüchte verarbeiten, bewahren den frisch 
angelieferten Fang meist bis zur Verarbeitung in Salzwasser auf. Die salzhaltige Umgebungsluft zieht die Technik wie zum Beispiel 
herkömmliche Förderantriebe allerdings stark in Mitleidenschaft. Ein Hersteller für Antriebstechnik bietet nun Abhilfe.

In Yerseke, einem niederländischen Fischerdorf etwa eine Stunde südlich von Rotterdam, sind Schalentiere seit beinahe anderthalb Jahrhunderten der wichtigste Industriezweig. Das ortsansässige Familienunternehmen Krijn Verwijs Yerseke, 1880 als Austernzuchtbetrieb gegründet, hat sich im Lauf der Jahre zu einem der größten Akteure im europäischen Schalen- und Krustentiermarkt entwickelt. Unter dem Markennamen „Premier“ und unter Eigenmarken beliefert Krijn Verwijs täglich Supermarktketten und Gastronomie-
Großhändler mit Muscheln. Das Unternehmen bietet daneben ein komplettes Sortiment von Austern, Hummern und verschiedenen anderen Schalentieren an.

Miesmuscheln werden in Zuchtbänken in den Niederlanden, Irland, Großbritannien und Deutschland geerntet. Sobald sie die Fabrik per Schiff oder im Kühltransporter erreichen, werden sie in große Becken mit einem stetigen Zufluss von kühlem, sauberem Nordseewasser gegeben. Um sie zu entspannen und gründlich von Sand zu befreien, verbleiben die Muscheln etwa einen Tag lang in diesen Behältern. Ganz im Sinne eines frischen End­produkts befinden sich die Container in der Fabrik gleich neben den Verarbeitungsanlagen: Dies ermöglicht einen sehr schnellen Produktionsanlauf, indem die Muscheln direkt aus den gewaltigen Behältern auf die erste von mehreren Förderstrecken des mehrstufigen Prozesses gegeben werden. Die Muscheln werden weiter gereinigt, beschädigte und tote Exem­plare werden manuell aussortiert, und sie werden entbartet, das heißt von den externen Fäden befreit, mit denen sie sich in der Natur an Oberflächen festsetzen. Schon bald danach können qualitätsgeprüfte verarbeitete Produkte verpackt und an die jeweiligen Kunden verschickt werden.

Von salzhaltiger Luft zerfressen

Angesichts der großen Behälter voll Salzwasser und der Tatsache, dass die lebenden Muscheln durchgängig in feuchtem Zustand über die Förderbänder laufen, ist die gesamte Fabrik von einer salzhaltigen Atmosphäre durchdrungen. Die schnelle Korrosion von Metallkomponenten in zahlreichen Anlagen ist daher vorprogrammiert. Im Fall der zahlreichen 1,5-kW-
Getriebemotoren, die die vielen Förderbänder antreiben, erscheinen die ersten Rostflecken binnen Wochen auf neuen Systemen. Die Lebensdauer eines Standardantriebs in dieser Umgebung beträgt daher nur ein bis zwei Jahre – dann muss ein neuer Getriebemotor als Ersatz installiert werden.

Um Antriebe länger im Dienst zu behalten, gibt es nur wenige sinnvolle Maßnahmen. Bei gusseisernen Systemen werden selbst Schutzbeschichtungen oder -lackierungen beispielsweise durch Kratzer beschädigt, sodass der Beginn der Korrosion nur unwesentlich verzögert wird. Edelstahlantriebe, die nächstliegendste Alternative, eignen sich leider nicht für diese Anwendung – nicht nur wegen der hohen Anschaffungs­kosten. Auch Routine-Reinigungsarbeiten wären mit Edelstahlantrieben nicht mehr möglich, da sie vor dem Abstrahlen stets eine beträchtliche Zeit zum Abkühlen benötigen, um Verspannungen im Material zu vermeiden.

Viele Jahre lang musste Krijn Verwijs sich daher dem scheinbar Unvermeidlichen fügen und dem schnellen Rostangriff stets neue Ersatzantriebe entgegensetzen. Schließlich aber stellte der niederländische Antriebslieferant Drive & Flow bei Krijn Verwijs einen neuen Ansatz vor, um Antriebe für den Einsatz in aggressiven Umgebungen zu ertüchtigen – eine neu entwickelte Lösung von Nord Drivesystems.

1.000 Stunden andauernder Salzsprühtest

Nord hatte sein Portfolio um eine breite Auswahl an Antriebssystemen mit einer speziell behandelten Aluminiumoberfläche erweitert: Genau solchen widrigen Umgebungsbedingungen wie der salzhaltigen Atmosphäre bei Krijn Verwijs sollten die so behandelten Antriebe auf Dauer standhalten. Dem höheren Anschaffungspreis dieser Getriebemotoren im Vergleich zu herkömmlichen Ausführungen aus Gusseisen steht gegenüber, dass die Leichtmetall-Systeme mit sogenannten nsd-tupH-Oberflächen in der Regel den gesamten Lebenszyklus der von ihnen angetriebenen Förderbänder überdauern. Die sonst üblichen Folgekosten für die Beschaffung mehrerer Ersatzantriebe fallen also weg. Dasselbe gilt für den damit verbundenen Installa­tionsaufwand. Prüflabor-Ergebnisse bestätigten bereits, dass die behandelten Antriebe beispielsweise nach 1.000 Stunden Salzsprühtests keinerlei sichtbare Korrosionsspuren davontrugen.

Bei Krijn Verwijs entschloss man sich trotzdem zunächst zu eigenen Erprobungen, um sich der Praxistauglichkeit dieser Innovation selbst zu vergewissern. Der erste nsd-tupH-
Getriebemotor wurde im Frühjahr 2013 in der Muschelfabrik installiert. Seine kratzfeste Oberfläche erwies sich als extrem widerstandsfähig und zeigte nach mehreren Monaten Betrieb tatsächlich kaum Verschleißerscheinungen. „Mit
Standard-Getriebemotoren aus Gusseisen hatten wir keine Wahl: Wir mussten wieder und wieder zahlreiche Geräte austauschen – bis zu zehn Mal während der Lebensdauer eines Förderbands“, erklärt Bram de Visser. Der Mitarbeiter des Technischen Service von Krijn Verwijs Yerseke erwartet, dass die nsd-tupH-Systeme mindestens fünfmal so lange durchhalten wie die alten Getriebemotoren.

Aluminium wird Edelstahl ähnlich

Bei der nsd-tupH-Behandlung wird keine Beschichtung aufgetragen. Sie ist vielmehr eine Oberflächenveredlung, die eine permanent mit dem Substrat verbundene Basisschicht erzeugt. Auf Basis eines elektrolytischen Prozesses macht diese Behandlung Aluminiumgehäuse ähnlich korrosionsfest wie Edelstahlprodukte. Die behandelte Oberfläche wird zudem mehr als sechsmal so hart wie unbehandelte Aluminiumlegierungen und tausendmal so hart wie ein Lack. Dank einer leichten, kompakten und selbstentleerenden Konstruktion ohne Hinterschneidungen oder Kammern lassen sich Antriebssysteme mit nsd-tupH-Oberflächen einfach reinigen. Gegenüber chemischen Reinigungsmitteln, wie sie in vielen Industriebranchen eingesetzt werden, sind diese Systeme unempfindlich – das Spülen mit Säuren oder Laugen sowie den Einsatz von Hochdruckreinigern überstehen sie anstandslos. Abplatzen stellt auch kein Problem dar: Anders als Lackierungen erfordert die nsd-tupH-Behandlung im letzten Arbeitsschritt keinerlei Bearbeitung, sodass die Aluminiumoberflächen nicht bloßgelegt werden. Bei Schutzschichten muss hingegen stets damit gerechnet werden, dass die aufgetragenen Stoffe sich zum Beispiel bei Beschädigungen ablösen können. Darüber hinaus ist eine nsd-tupH-Behandlung für alle Nord-Produkte aus Aluminium universell verfügbar – ganz im Gegensatz zu Edelstahlvarianten, die bei den meisten Herstellern nur für einige wenige Antriebstypen bereitstehen.

In Yerseke steht nun ein kompletter Umstieg an: Nach und nach wird jeder Antrieb, der bei Krijn Verwijs in den kommenden Monaten und Jahren ersetzt werden muss, gegen ein nsd-tupH-Modell von Nord getauscht. Bis dieser Prozess abgeschlossen ist, wird es allerdings noch eine Weile dauern, denn die weitläufigen Fördersysteme der Anlage sind mit vielen hundert Antrieben ausgestattet.

Bildergalerie

  • Während herkömmliche Getriebemotoren in dieser Umgebung rapide korrodieren, zeigen sich Nord-Systeme mit nsd-tupH-Oberflächen (linke Einheit) kaum beeinträchtigt.

    Während herkömmliche Getriebemotoren in dieser Umgebung rapide korrodieren, zeigen sich Nord-Systeme mit nsd-tupH-Oberflächen (linke Einheit) kaum beeinträchtigt.

    Bild: Nord Drivesystems

  • Hunderte von Getriebemotoren in der Anlage plant Krijn Verwijs nach und nach durch widerstandsfähige nsd-tupH-Antriebe von Nord zu ersetzen (2. Einheit v. r.).

    Hunderte von Getriebemotoren in der Anlage plant Krijn Verwijs nach und nach durch widerstandsfähige nsd-tupH-Antriebe von Nord zu ersetzen (2. Einheit v. r.).

    Bild: Nord Drivesystems

  • Lebende Schalentiere werden direkt aus großen Salzwasserbehältern auf Förderbänder gegeben – daher die feuchte, aggressive Atmosphäre überall am Standort.

    Lebende Schalentiere werden direkt aus großen Salzwasserbehältern auf Förderbänder gegeben – daher die feuchte, aggressive Atmosphäre überall am Standort.

    Bild: Nord Drivesystems

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