Landeklappen ein- oder ausfahren, Seitenruder auslenken - die Steuerung dieser Funktionen übernehmen Flugsteuergeräte. Lange bevor die Komponenten in den Flugzeugprototypen eingebaut werden, müssen sie beweisen, dass sie die luftfahrtspezifischen Sicherheitsstandards erfüllen - sowohl als Einzelkomponenten als auch in Kombination. Für diese Tests hat der Flugzeugausrüster Liebherr Aerospace Lindenberg in Zusammenarbeit mit Cosateq den Electronic Bird entwickelt. Hinter diesem Namen verbirgt sich ein Flugzeugprüfstand, auf dem Software-in-the-Loop- und Hardware-in-the-Loop-Simulationen durchgeführt werden. Früher musste für die Tests aufwendig ein Iron Bird genanntes Modell aufgebaut werden, in dem Aktuatoren und Sensoren bereits vorhanden waren. Dagegen bildet der Electronic Bird alle relevanten Flugzeugkomponenten wie Landeklappen, Seitenleitwerk und Höhenruder samt der dazugehörigen Aktuatoren und Sensoren mit Software-Modellen nach. Auf Stellsignale reagiert er so, als wären die entsprechenden Flugzeugkomponenten real vorhanden. Erreicht wir dies durch ein Echtzeit-Cluster aus 14 miteinander vernetzten Simulationssystemen. Durch die Simulation erhöht sich die Chance, Entwurfsfehler schon in einer frühen Entwicklungsphase zu entdecken. Das Entwicklungs-Team kann die Eigenschaften der Flugsteuerung unter realitätsnahen Bedingungen testen und verbessern. Ungewöhnliche Flugzustände sind so nachbildbar, ohne Personal zu gefährden. Mit dem Computer lassen sich Gefahrensituationen beliebig oft wiederholen und Gegenmaßnahmen gefahrlos erproben. So muss zum Beispiel die Steuerung eine definierte Reaktion auf einen fehlerhaften Leitwerk-Stellantrieb aufweisen. Aber auch Sensorfehler, Drahtbruch, Kommunikationsfehler oder mechanische Probleme gilt es zu beherrschen. „Der Electronic Bird kann die Aktuatorik und Sensorik eines Flugzeugs vollständig nachbilden“, sagt Gerd Leiprecht, Entwicklungsleiter bei Cosateq. Damit ermögliche er automatisierte Komponenten-, Integrations- und Systemtests für sämtliche Steuerkomponenten im Regelbetrieb und unter verschiedenen Fehlerszenarien.“ Die Entwickler sind so in der Lage, die korrekte Reaktion, die Nachrichtenpriorisierung und die Kommunikation der Komponenten zu bestimmen. Die verschiedenen Modelle führt der Electronic Bird mit einer Abtastrate von jeweils einer Millisekunde aus. Einzelmodelle berechnet er mit einer Abtastrate von bis zu zehn Mikrosekunden, wobei die Abtastrate allein von der Rechenleistung und der Modelkomplexität abhängt. Die verschiedenen Rechenknoten kommunizieren über Shared Memory mit weniger als 50 Mikrosekunden Latenzzeit für den Datenaustausch.
Erweiterbare Simulationsumgebung
Die zentrale Software-Komponente des Electronic Bird bildet die Simulationsumgebung Scale-RT von Cosateq. Die Software erlaubt eine Echtzeitausführung von Matlab/Simulink-Modellen. Möglich machen dies Tools und Schnittstellen, mit denen der Anwender Simulationsmodelle für verschiedene Zielsysteme kompilieren und zur Ausführung auf die verschiedenen Rechenknoten verteilen kann. Darüber hinaus dient Scale-RT zum Analysieren und Visualisieren von Messergebnissen. Mit der konfigurierbaren, grafischen Bedienoberfläche können die Parameter der Simulationsmodelle und die Testprogramme während der Laufzeit geändert werden. Außer CAN und Profinet können mit der Simulationsumgebung auch luftfahrtspezifische Bus-Systeme wie ARINC 429 in das Echtzeit-Cluster integriert werden. „Die einfache Erweiterbarkeit des Systems bei der Integration zusätzlicher Modelle und Schnittstellen hat sich als großer Vorteil erwiesen“, sagt Leiprecht.Liebherr-Aerospace hat den Electronic Bird erstmals im Jahr 2000 eingesetzt. Entwickelt wurde damals die Flugsteuerung für den Mittelstreckenjet Sukhoi Superjet 100. Auch bei neuen Flugzeugprojekten wird Scale RT genutzt. Die Simulationsumgebung wird von Cosateq stetig weiterentwickelt, damit Anwender auch neueste Messkarten und Ziel-Hardware nutzen können.