Roboter sind per se frei programmierbar und dadurch für eine Vielzahl von Prozessen einsetzbar. Der bisher für die Programmierung nötige Aufwand ist jedoch hoch, weshalb Automatisierungslösungen oft nur für Produktionen mit hohen Stückzahlen wirtschaftlich sinnvoll sind. Gerade für kleinere und mittelständische Unternehmen (KMU), die durch mehr Automatisierung ihre Wettbewerbsfähigkeit und Prozessqualität weiter verbessern könnten, sind Roboterlösungen oft noch nicht die beste Option, weil sie nicht flexibel genug an die kundenspezifische Produktionsweise anpassbar sind. Und auch für Großunternehmen werden kürzere Rüstzeiten im Zuge der „personalisierten Produktion“ mit einer hohen Variantenvielfalt und großen Stückzahlschwankungen immer wichtiger, um Roboteranlagen effizient einsetzen zu können.
Automatisierung effizienter realisieren
Der hohe Einrichtungsaufwand für ein roboterbasiertes Automatisierungssystem resultiert zum einen aus dem Einteachen der Roboterpositionen im jeweiligen Programmablauf. Während das Programm selbst mithilfe von Simulatoren auch offline entwickelt werden kann, müssen die einzelnen Roboterpositionen in der Regel speziell für jede Anlage vor Ort eingeteacht werden, um Kalibrierungenauigkeiten oder kleine Unterschiede in der Zelle berücksichtigen zu können. Zum anderen sind bestehende Roboterprogramme nicht für Roboter unterschiedlicher Hersteller wiederverwendbar. Fast alle Roboterhersteller geben jeweils proprietäre Programmiersprachen vor, in denen die Roboterprogramme geschrieben werden müssen.
Für eine effizientere und somit wirtschaftlichere Entwicklung und Inbetriebnahme von Robotersystemen bietet das Robot Operating System ROS vielversprechende Lösungsansätze. ROS umfasst eine Vielzahl an grundlegenden, aber komplexen Funktionen für Industrie- und Serviceroboter, wie beispielsweise Komponenten für Manipulation, Navigation oder Bildverarbeitung. Hinzu kommen Treiber, Algorithmen sowie Diagnose- und Entwicklungswerkzeuge. Alle sind frei verfügbar, herstellerunabhängig, standardisiert und entstehen in gemeinsamer Entwicklungsarbeit.
Intelligente automatische Pfadplanung
Für ein effizienteres Einteachen von Roboterpositionen bietet das ROS-Framework das herstellerunabhängige „MoveIt“-Framework an. Es ermöglicht eine automatische und kollisionsfreie Bahnplanung entsprechend dem vorgegebenen Zielpunkt und wurde bereits auf über 60 verschiedenen Robotersystemen eingesetzt. Dabei berücksichtigt es sowohl die Eigenschaften des Robotermodells (Kinematik und Geometrie) als auch der Umgebung. Zudem bindet es über standardisierte Schnittstellen Bibliotheken wie OMPL (Open Motion Planning Library), SBPL (Search-Based Planning Lab) oder CHOMP zur Bewegungsplanung ein, die dem neuesten Stand der Technik entsprechen. Das MoveIt-Framework ist zudem schnell einzurichten und über eine GUI nutzbar.
Andere Pakete wie beispielsweise „CAD to ROS“ ermöglichen den einfacheren Import von CAD-Daten (Computer Aided Design) in die Roboter-Entwicklungsumgebung. Bisher ist es zeitaufwendig, manuell ein 3D-Roboter- und Umgebungsmodell mit den entsprechenden Konfigurationen für Bewegungsplanung, Wahrnehmung und Kommunikation zu importieren oder aufzusetzen. Um dies zu verbessern, entsteht in ROS ein Tool, das die geometrischen und kinematischen Eigenschaften automatisch aus den CAD-Daten in für ROS verwertbare URDF-Daten (Universal Robot Description Format) umwandelt. So kann effizient ein Modell des Roboters erzeugt und in einem Editor bearbeitet werden.
ROS für den industriellen Einsatz
ROS ist im Jahr 2007 entstanden und eine kommerzielle Nutzung wird bereits vielfach umgesetzt. Das Betriebssystem läuft unter der BSD-Lizenz (Berkeley Software Distribution). Jeder kann den Code nutzen, verändern und kommerziell verbreiten, sofern das ursprüngliche Copyright gekennzeichnet bleibt. So kann aus einer „Open Source“ eine „Closed Source“ werden, die die Firmen für ihre gewinnbringenden Produkte verwenden dürfen. Neue Pakete werden unter Apache 2.0 veröffentlicht, was im Vergleich zu einer BSD-Lizenz auch eine Patentklausel umfasst.
Für die industrielle Einsatzfähigkeit von ROS setzt sich die Initiative ROS-Industrial ein. Ziel der Initiative ist es, die Zuverlässigkeit der Software für die Robotik und Automatisierung weiter zu verbessern und sie an industrielle Standards und Regularien anzupassen. Außerdem werden Fragen der Haftung, des Supports und der Gewährleistung von Garantien behandelt. Zudem bietet die Initiative ROS-Industrial eine finanzielle und organisatorische Rahmenstruktur und versteht sich als Schnittstelle und Vermittler zwischen Technologieanbietern und Nutzern.
Zur Initiative gehören zwei rasch wachsende Konsortien und ein weiteres für den Raum Asien-Pazifik wird gerade gegründet. Das europäische Konsortium wird vom Fraunhofer IPA geleitet. Zusammen mit dem nordamerikanischen gibt es aktuell knapp 40 Mitglieder vom Startup bis zum Konzern und von Forschungseinrichtungen bis zum industriellen Endanwender. Um neben den technischen auch die finanziellen und rechtlichen Aspekte zu klären, finden regelmäßig weltweit Veranstaltungen statt, darunter auch Fortbildungen.
Für Unternehmen ist die Arbeit der ROS-Industrial-Initiative nutzbringend, weil sie verschiedene Entwicklungskulturen für neue Software zusammenbringt und somit Softwareentwicklungsprojekte im Bereich Robotik und Automatisierung beschleunigen kann. In ROS fließen Community-getriebene Entwicklungen ein, gleichzeitig werden diese Entwicklungen mit großen, aus Politik und von Unternehmen angeleiteten Zielen und Programmen wie beispielsweise Industrie 4.0 verknüpft. Das europäische Konsortium agiert zudem als Schnittstelle für öffentlich geförderte Projekte, deren Ergebnisse schneller und nachhaltiger in industrielle Anwendungen überführt werden können und zudem schnell eine breite Zielgruppe erreichen. Ein Beispiel hierfür ist das vom Fraunhofer IPA koordinierte und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderte Projekt „ReApp“, in dem eine Entwicklungsumgebung für die effizientere und wirtschaftlichere Programmierung und Inbetriebnahme von Robotern mit ROS entsteht. Nicht zuletzt haben Industriepartner durch die Mitgliedschaft in ROS-Industrial die Möglichkeit, die Weiterentwicklung von ROS über sogenannte „Strategic Projects“ (SPs) mitzugestalten.
Auf dem Weg zum Standard
Die zwei beispielhaft gezeigten ROS-Komponenten „MoveIt“ und „CAD to ROS“ verdeutlichen, dass Roboter mit Open-Source-Komponenten schneller programmierbar und einsetzbar sind. ROS ist auf dem besten Wege, zum Standard für die Robotik und Automatisierung zu werden. Open-Source-Software wird zunehmend als wirkungsvolles Mittel angesehen, Innovationsschübe zu ermöglichen und dürfte auch wie genannt im Hinblick auf Entwicklungen im Kontext von Industrie 4.0 eine stärkere Rolle übernehmen. Deshalb arbeitet beispielsweise das Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) der Universität Stuttgart an einem Pilotdemonstrator, dessen ROS-Komponenten mit dem sich für Industrie-4.0-Architekturen verbreitenden OPC-UA-Protokoll kommunizieren können.
Die Vorteile von Open-Source-Software sind deshalb für Unternehmen entscheidend, weil der Bedarf an neuer Software für Automatisierungslösungen zunimmt und die Entwicklungszyklen kürzer werden. ROS-Komponenten ermöglichen Unternehmen, auch mit knappen Ressourcen mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. Bereits in mehreren industriellen Anwendungen, die das Fraunhofer IPA oder ROS-Industrial-Mitglieder realisiert haben, hat ROS seinen Mehrwert bewiesen. Hierzu zählt beispielsweise eine Navigationssoftware des Fraunhofer IPA, die auch ROS-Softwarekomponenten beinhaltet. Die Software läuft unter anderem auf fahrerlosen Transportsystemen der Firma Bär Automation, die in der Automobilproduktion im Einsatz sind.
Das Fraunhofer IPA berät Unternehmen als unabhängiger Technologiepartner in allen Fragen zum Einsatz von ROS sowie der Auswahl passender Komponenten, führt Potenzialanalysen und prototypische Umsetzungen durch und steht für die Wartung und den Support von Open-Source-Hardwaretreibern zur Verfügung.