Der mannshohe Kasten sieht aus wie eine Mischung aus Aquarium und Fotokopierer. Getönte Scheiben erschweren die Sicht auf das Geschehen im Inneren der Box. Immerhin: Ein dezentes Brummen ertönt, minimale Bewegungen einer Apparatur sind zu erkennen, dann plötzlich erstrahlt ein Licht und verlischt wieder.
Alles trotzdem erstaunlich unspektakulär, wenn man vor der Besichtigung erfahren hat, dass diese Maschine ein Wunderwerk moderner Technik ist: ein sogenannter Hybrid-3D-Drucker, Modell DragonFly LDM, entwickelt und gebaut vom israelischen Spezialisten Nano Dimension.
Bislang ein Unikum am Markt
„Dieser Hybrid-3D-Drucker ist ein Unikum am Markt mit einer ganz besonderen Leistungsfähigkeit, die zurzeit nur bei diesem Hersteller erhältlich ist“, sagt Elektrotechnikingenieur Michael Feige. Feige ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centrum für interdisziplinäre Materialforschung und Technologieentwicklung (CiMT) der Fachhochschule (FH) Bielefeld.
Er und seine Kolleginnen und Kollegen sind stolz, dass ihnen ab sofort ein solches Arbeitsgerät in ihrem Maschinenpark zur Verfügung steht. „Wir freuen uns auf die neuen Forschungsmöglichkeiten, die sich damit eröffnen“, so der junge Experte für Signalverarbeitung, der auch einen Bachelor in Informationstechnik vorweisen kann.
Mehrere Druckprozesse in einem Zug
Im Unterschied zu einem herkömmlichen 3D-Drucker kombiniert ein Hybrid-3D-Drucker zwei oder sogar mehrere unterschiedliche Druckprozesse. „Wir erzeugen mit dem Hybrid-3D-Drucker Objekte mit feinsten Strukturen, die zum Beispiel aus Kunststoff und Silber bestehen und von der Maschine in einem Zug hergestellt werden“, erläutert Feige.
Ultraviolettes Licht härtet den Kunststoff, und Erhitzen bringt eine spezielle Silbertinte in eine vorher am PC definierte Form, alles en miniature. Die Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von „Sintern“. Dabei wird das Material lediglich angeschmolzen, um ihm die benötigte Form zu geben.
Elektrisch leitfähige, hochpräzise Strukturen
Das eigentlich Besondere am Hybrid-3D-Drucker ist allerdings nicht das Sintern, sondern die kombinierte Herstellung eines Objekts aus zwei oder mehreren ganz verschiedenen Stoffen. Dafür gibt es diverse Anwendungsgebiete. „Der Hybrid-3D-Drucker kann beispielsweise elektrisch leitfähige Strukturen von hoher Präzision erzeugen, zum Beispiel für Leiterplatten, die in elektronische Geräte eingebaut werden“, berichtet Feige.
Im CiMT setzen er und seine Kolleginnen und Kollegen den DragonFly LDM zur Herstellung von innovativen Sensorkomponenten ein. „Wir brauchen diese Sensoren, um die Alterungsprozesse von Oberflächen noch genauer zu verstehen“, so der junge Wissenschaftler. „Die Ergebnisse fließen in die Entwicklung langlebiger Materialien ein, denn dieses Ziel haben wir uns im laufenden Projekt auf die Fahnen geschrieben.“
Sprüht wie ein Tintenstrahldrucker
Noch freilich muss sich die Forschenden vertraut machen mit der Wundermaschine. Zurzeit experimentieren sie dazu mit einer elektrisch leitfähigen Tinte auf Silberbasis und einer elektrisch isolierenden Tinte, die im Lauf des Herstellungsprozesses zu einem Kunststoff ausgehärtet wird.
Auch hierbei wird eine Besonderheit des Hybrid-3D-Druckers deutlich: „Bei einem herkömmlichen 3D-Drucker wird der als Granulat oder Strang vorhandene Grundstoff aus einer geheizten Düse ausgestoßen und die so entstandene pastöse Masse dann schichtweise verteilt“, erzählt Feige. „Unser Hybrid-3D-Drucker dagegen arbeitet wie ein Tintenstrahldrucker: Die Grundstoffe werden in winzigen Tröpfchen Schicht für Schicht aufgesprüht und nach jeder Lage gehärtet.“
Was den DragonFly LDM allerdings von einem handelsüblichen Tintenstrahldrucker unterscheidet, ist neben der Verwendung von zwei verschiedenen Grundstoffen die besondere Lagerung, Temperierung und Aufbereitung der „Tinte“. Auch das Reinigungsverfahren der Druckköpfe ist aufwändig und erfolgt tagein, tagaus alle drei Minuten automatisch, damit die Maschine funktionsfähig bleibt.
Tröpfchen kleiner als ein Pantoffeltierchen
Hat der Hybrid 3D-Drucker seine Tröpfchen gezielt verteilt, entsteht eine feine Mikrostruktur. Der Drucker produziert dabei äußerst kleine Tröpfchen, deren Volumen nur zehn Picoliter beträgt. Zum Verständnis: Man bräuchte 100 Milliarden Tröpfchen, um einen Liter zu füllen. Feige: „Es ist faszinierend, am PC entworfene Strukturen mit Abmessungen zwischen mehreren Zentimetern und mikroskopisch kleinen Strukturen von 40 Mikrometern in einem Objekt vereint drucken zu können – 40 Mikrometer, das ist kleiner als ein Pantoffeltierchen! Wenn überhaupt, war so etwas früher nur mit fotolithografischen Verfahren möglich.“
Der Drucker kann auf diese Weise „in einem Guss“ komplexe elektronische Komponenten inklusive Spulen, Kondensatoren und Widerständen produzieren. Perspektivisch sollen am CiMT mit dem Hybrid-3D-Druck-Verfahren ganze elektronische Schaltungen additiv, das heißt: Schritt für Schritt und Schicht für Schicht, gefertigt werden.
Für die industrielle Produktion ergeben sich so ganz neue Möglichkeiten, berichtet Feige: „Die äußere Form einer Komponente kann passgenau für die Anwendung gestaltet werden. Es lässt sich ein dreidimensionalen Raum, in den die Komponente, wie zum Beispiel ein Rohr, eingefasst werden muss, viel effizienter nutzen. Früher hingegen mussten Konstrukteure damit klarkommen, dass eine Leiterplatte beispielsweise nun mal flach und starr war und einen gewissen Platz brauchte.“
Ideal für die Prototypenherstellung
Neben der Kombination verschiedener Grundstoffe und der Realisierung von feinsten Strukturen gibt es noch eine dritte herausragende Eigenschaft des Hybrid-3D-Druckers: „Das Gerät ist so weit entwickelt, dass es einen Druckauftrag ohne weitere Benutzereingriffe und ohne Beaufsichtigung von A bis Z durchführen kann“, so Feige.
„Wenn mehrere Teile produziert werden müssen, bleiben die Abmessungen immer innerhalb der vorgegebenen Spezifikation. Außerdem kann der Drucker rund um die Uhr arbeiten. Damit ist er das ideale Instrument für Industrieunternehmen oder Forschungsgruppen, die kostengünstig und schnell Prototypen fertigen müssen.“
Projekte von Forschern und Studierenden
An der FH Bielefeld allerdings sollen nicht nur Forscher wie Feige in den Genuss der Leistungsfähigkeit von DragonFly LDM kommen: Auch die Studierenden des Fachbereichs Ingenieurwissenschaften und Mathematik sollen mit dem Hybrid-3D-Drucker selbst entworfene Schaltungen, Sensoren oder Sensorkomponenten produzieren und anschließend testen dürfen.
Während Michael Feige all dies berichtet, hat die Maschine längst einen Druckauftrag erledigt und den Besucherinnen und Besuchern ein kleines Abschiedsgeschenk produziert. Der Wissenschaftler öffnet das Fenster und entnimmt dem Drucker ein Objekt aus erstarrter Silbertinte und Kunststoff: das dreidimensionale Modell des treppenartigen FH-Logos. Man darf gespannt sein, welche Kombination als nächstes an der Reihe ist.