Es ist fast so etwas wie eine Glaubensfrage unter den Verantwortlichen für die Anlagensicherheit: Der eine schwört auf zentrale Konzepte, der andere auf dezentrale Lösungen. Und obwohl die Welt der Technik als durch und durch rational gilt, spielt bei der Ausprägung solcher Präferenzen meist nicht nur der Kopf, sondern auch der Bauch eine entscheidende Rolle. Ein untrügliches Indiz dafür liefert zum Beispiel die Beobachtung, dass ein- und dieselbe Tatsache von beiden Lagern als Argument für die Richtigkeit seiner jeweiligen Überzeugung betrachtet wird.
Zentral oder dezentral?
Bei einem zentralen Aufbau des Systems kontrolliert eine große fehlersichere Steuerung die gesamte Sicherheitstechnik der Anlage. Das komplette Sicherheitsprogramm befindet sich an einer einzigen Stelle und lässt sich dort von einer Person jederzeit mühelos überwachen. In dieser streng hierarchischen Struktur sehen die Verfechter dieser Strategie einen eindeutigen Pluspunkt: Klarer, übersichtlicher und stringenter, so ihr festes Credo, könne man ein Sicherheitssystem doch gar nicht aufbauen.
Ganz anders die Freunde dezentraler Lösungen, die in diesem Ansatz ein Risiko sehen: In der totalen Abhängigkeit sämtlicher Sicherheitskomponenten von einer Instanz liege kein Vorteil, sondern der entscheidende Schwachpunkt des zentralen Aufbaus. Denn wenn die Verbindung zur fehlersicheren Steuerung abbricht, steht in der Regel sofort die gesamte Anlage still. Keines der Aggregate kann in diesem Fall autark weiterarbeiten. Damit geht bei einer Störung unter dem Strich erheblich mehr Produktionsleistung verloren als unbedingt nötig.
Beide Begründungen klingen nicht nur absolut schlüssig – sie sind es auch. De facto nämlich gibt es keine allgemeingültige Antwort auf die Frage nach dem „richtigen“ Konzept. Aber es gibt ein entscheidendes Kriterium für die Wahl des zu favorisierenden Aufbaus: die Anlagengröße. Bei kleineren Anwendungen, die in der Praxis bis heute am häufigsten vorkommen, empfiehlt sich die zentrale Variante. Doch mit zunehmender Komplexität der Applikation gewinnen die Vorteile der dezentralen Strategie an Bedeutung. Dazu gehören neben der höheren Verfügbarkeit auch Kostenaspekte und die überlegene Flexibilität. Außerdem kehrt sich das Argument der Übersichtlichkeit weitgehend um: Denn die Konzentration der gesamten Logik in einem einzigen Programm kann das Sicherheitsmanagement deutlich erschweren. Beim dezentralen Aufbau dagegen lässt sich das alles in mehrere gut zu handhabende Programme aufteilen.
AS-i und fehlersichere SPS
Dass AS-Interface keineswegs Konkurrent, sondern vielmehr ein starker Partner fehlersicherer Steuerungen ist, hat sich unter Sicherheitsexperten längst herumgesprochen. Ein simples Rechenexempel veranschaulicht das Sparpotenzial, das sich beim Einsatz von AS-i Safety auf der Sensor-Aktuator-Ebene allein aus dem drastisch reduzierten Verdrahtungsaufwand ergibt: Zum Einsammeln der Daten von beispielsweise 31 Sicherheitssensoren würde die herkömmliche Peripherie einer fehlersicheren Steuerung mindestens viermal so viele, also 124 Drähte von der Schaltanlage ins Feld benötigen. Mit AS-i Safety genügt für dieselbe Anwendung allein das typisch gelbe Kabel. Für die Realisierung solch effizienter Lösungen in zentral organisierten Sicherheitskonzepten mit unterschiedlichen fehlersicheren Steuerungen gibt es von Bihl+Wiedemann schon seit Jahren die richtigen Produkte: Zum Beispiel lassen sich die AS-i Safety Gateways zu Profisafe über Profinet oder Profibus so einfach wie ein ganz normaler Slave ins übergeordnete Netzwerk einbinden und liefern umfangreiche Diagnose- und Statusinformationen an die fehlersichere Steuerung, im Fall Profisafe beispielsweise an die F-CPU von Siemens. In der fehlersicheren Steuerung liegen alle relevanten Daten vor, die den aktuellen Zustand der gesamten Anlage widerspiegeln.
Mit den bisher gebräuchlichen AS-i Safety Gateways ist es möglich, bis zu zwei AS-i Kreise pro Gateway an die fehlersichere Steuerung anzubinden. Den Sicherheitsspezialisten von Bihl+Wiedemann erschien das mit Blick auf die Zukunft zu wenig. „Wie wir aus vielen Gesprächen mit Anwendern wissen, geht der Trend eindeutig hin zu immer komplexeren und verzweigteren Anlagen“, sagt Firmenchef Jochen Bihl. „Daraus haben wir für uns einen klaren Entwicklungsauftrag abgeleitet: Wir brauchen ein AS-i Safety Gateway, das in der Lage ist, die Sicherheitstechnik möglichst vieler Anlagenteile zu koppeln – selbst dann, wenn in diesen Segmenten unterschiedliche Feldbusse verwendet werden.“
Über die Technik dafür verfügten die Mannheimer bereits. Denn Safe Link, die sichere Kopplung von Bihl+Wiedemann, wurde genau für diesen Zweck entwickelt: um mehrere sichere AS-i Netze auf besonders effiziente Art zu verbinden und sie in komplexe Anwendungen zu integrieren, in denen unterschiedliche Feldbusse zum Einsatz kommen können. So können bis zu 1922 Slaves quer durch alle angeschlossenen AS-i Netze auf direktem Weg miteinander kommunizieren, völlig unabhängig vom technologischen Gesamtkonzept der Anlage. Sie haben unmittelbaren Zugriff auf die Ein- und Ausgangsdaten aller beteiligten Maschinen.
AS-i Safety Gateway mit Safe Link
Grundsätzlich könnte man die sicheren Verbindungen zwar auch über die F-CPU herstellen, wenn in allen Anlagenteilen Profisafe verwendet wird, aber Safe Link ist hier aus vielerlei Gründen die weitaus einfachere Alternative. Die Herausforderung für die Entwickler bestand nun darin, die bereits vorhandene Technologie auch in die AS-i Safety Gateways zu fehlersicheren Steuerungen zu integrieren. „Das hört sich vielleicht im ersten Moment nicht so kompliziert an“, meint Jochen Bihl. „In Wahrheit aber war es ein hartes Stück Arbeit, um beides in ein und dasselbe Gerät zu packen: die Voraussetzungen für das perfekte Zusammenspiel mit der F-CPU und die Fähigkeiten zur sicheren Kopplung mit anderen AS-i Netzen.“
Erstmals gelungen ist das mit dem AS-i Safety Gateway zu CIP Safety über Sercos, das Bihl+Wiedemann im Herbst 2015 präsentiert hat. Das Gerät selbst vereint zwei AS-i Master für zwei AS-i Kreise. Darüber hinaus dringt es in für AS-Interface völlig neue Sphären vor: Mit seiner Hilfe nämlich kann man Antriebe über CIP Safety sicher steuern und überwachen – ohne zusätzliche Sicherheits-SPS. Mit dem neuen AS-i Safety
Profisafe Gateway können nun auch Systeme mit sicheren Antrieben von Siemens mit Profisafe absolut flexibel miteinander vernetzt und mit einem dezentralen Konzept betrieben werden: Jeder Anlagenteil hat seine eigene Steuerung, das Sicherheitsprogramm wird in vielen Fällen komplett im AS-i Gateway abgearbeitet. Die Kopplung der einzelnen Segmente erfolgt einfach über Safe Link.
Die neuen Highlights von Bihl+Wiedemann lassen sich durchaus als Entwicklungen im Zuge von Industrie 4.0 betrachten. Denn die in diesem Zusammenhang oft erwähnte Smart Factory zeichnet sich nicht zuletzt durch die universelle Vernetzung aller Anlagen aus. „Aber unsere neuen Produkte hätten wir auch entwickelt, wenn es Industrie 4.0 nicht gäbe“, stellt Jochen Bihl klar. „Die wichtigsten Treiber unserer Innovationen sind immer noch die Rückmeldungen unserer Kunden: Sie sagen uns, was sie sich wünschen – und wir machen uns an die Arbeit.“