Besagte Silikonbeschichtung wird derzeit von einem Forscherteam aus dem Zoologischen Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) untersucht. Erste Praxistests an Segelyachten zeigten, dass sich keine Seepocken und andere Makrofouler dauerhaft an der Testoberfläche halten konnten. Grundlage für den Erfolg ist das neue Verständnis der Forschenden über das Benetzungsverhalten von Klebstoffen mariner Organismen.
Unerwünschter Bewuchs
Haftung ist ein bedeutender Effekt in der Natur. Seepocken und Muscheln nutzen komplexe Klebstoffe, um sich an natürlichen und vom Menschen hergestellten Oberflächen wie Schiffsrümpfen oder Offshore-Anlagen dauerhaft anzusiedeln. Auf lange Sicht können die Organismen diese Oberflächen schädigen und sorgen beispielsweise für einen höheren Treibstoffverbrauch durch größeren Strömungswiderstand.
Konventionelle Methoden, Schiffsrümpfe gegen den unerwünschten Bewuchs zu schützen, sind häufig mit umweltschädigenden Giftstoffen verbunden. Erstautor der Studie Dennis Petersen und seine Kollegen Dr. Thomas Kleinteich, Professor Stanislav Gorb und Dr. Lars Heepe aus der Arbeitsgruppe Funktionelle Morphologie und Biomechanik am Zoologischen Institut der Kieler Universität suchten daher nach neuen Möglichkeiten, den permanenten Bewuchs durch Makrofouler einzudämmen, ohne dass Giftstoffe ins Meer eingetragen werden.
Dauerhaftes Kleben verhindern
Für die Entwicklung der neuen Oberfläche analysierten die Forschenden zunächst die Benetzungsfähigkeit des Seepockenklebstoffes – die Fähigkeit der Organismen, sich an Oberflächen unter Wasser flächig anzuhaften und dazu ihren „Kleber“ möglichst breit auszubringen. Dem Team ist es dabei gelungen, den gesamten physikalischen Prozess der Benetzung bei der Seepocke nachzuvollziehen und somit Strategien zu entwickeln, wie diesem durch eine geeignete Oberflächenstruktur entgegengewirkt werden kann.
„Unsere Forschung zeigt, dass Klebstoffe von Organismen, die unter Wasser siedeln, Haftung auf fast jedem Untergrund ermöglichen. Ursache dafür ist die komplexe chemische Zusammensetzung dieser Klebstoffe. Ziel unserer Untersuchungen war es deshalb, eine möglichst universelle Oberfläche zu entwickeln, die basierend auf physikalischen Prinzipien ein dauerhaftes Haften der Organismen verhindert“, sagt Petersen.
Auf Basis ihrer Erkenntnisse haben die Forscher eine Beschichtung aus einem ungiftigen Silikon entwickelt, die eine pilzkopfähnliche Mikrostruktur aufweist. Ähnlich wie der Lotus-Effekt, der das Abperlen von Flüssigkeit auf glatten Oberflächen bewirkt, verhindert die Geometrie dieser neuen Struktur eine starke Klebeverbindung zwischen Seepocken oder Muscheln mit der Beschichtung.
Kieler Yachtclub testet aus
In einem ersten Praxistext wurden Teile des Rumpfes an vier Segelyachten des Kieler Yachtclubs mit der neuen Folie ausgestattet und eine Saison lang getestet. Nach dem Aufslippen waren keine Seepocken oder andere Makrofouler wie Muscheln auf der neuen Beschichtung zu finden. Das Material weist darüber hinaus noch weitere positive Eigenschaften auf. Während auf hartem Material wie Metall oder auch Plexiglas Seepocken bei der Beseitigung stumpf abbrechen und ihre Haftscheibe hinterlassen, lösten sich diese auf dem weichen Material ohne Rückstände ab.
Unterwasserhaftung werfe noch viele Rätsel auf, so Professor Gorb. Nur durch den Vergleich des Bewuchses auf verschiedenen Oberflächen „lernen wir, den Prozess des Haftens mariner Organismen zu verstehen. Mit diesem Verständnis ließen sich in Zukunft bestimmt noch weitere innovative Strategien für eine giftstofffreie Reduzierung von Bewuchs entwickeln.“
Die komplette Veröffentlichung in englischer Sprache finden Sie unter folgendem Link: Originalveröffentlichung