Der Markt für gefälschte Produkte boomt, vor allem im Onlinehandel. Beispielsweise ist laut einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO (2020) etwa jedes zehnte online gekaufte Arzneimittel eine Fälschung – von Lifestyle-Arzneien bis hin zu lebenswichtigen Medikamenten. Dies hat nicht nur wirtschaftliche Auswirkungen, im Ernstfall kann es zu gravierenden gesundheitlichen Schäden kommen. Doch wie können Verbraucher unterscheiden, ob ein Produkt echt oder gefälscht ist? Barcodes und QR-Codes sollen dabei helfen, Informationen zu den Produkten an Konsumenten zu übermitteln und eine Rückverfolgung der Produkte zu ermöglichen. Doch auch diese Codes können gefälscht oder kopiert werden.
Oberflächentextur als eindeutiges Sicherheitsmerkmal
Im Projekt SmartID entwickeln die Fraunhofer-Institute für Angewandte Polymerforschung IAP, Sichere Informationstechnologie SIT und Offene Kommunikationssysteme FOKUS ein neuartiges Kennzeichnungssystem, mit dem Produkte per Smartphone eindeutig verifiziert und authentifiziert werden können.
Sie machen sich die Tatsache zunutze, dass jede Verpackung eine einzigartige, charakteristische Oberflächentextur aufweist. Diese ist vergleichbar mit einem menschlichen Fingerabdruck und kann durch handelsübliche Smartphone-Kameras detektiert werden. Der aufgedruckte Barcode und gleichzeitig auch die Textur der Oberfläche wird mit Hilfe eines Smartphones gescannt. Der Code enthält bereits die Informationen zu der Beschaffenheit der Textur. Eine speziell entwickelte App vergleicht nun, ob die Informationen, die im Barcode gespeichert sind, mit den Daten aus der gescannten Oberfläche übereinstimmt. Ein fälschungssicherer Barcode entsteht.
Das SmartID-Kennzeichnungssystem wurde dabei so konzipiert, dass es nicht nur dem Produktschutz dient, sondern auch weitere Informationen zu dem Produkt enthalten kann. Das System lässt sich zudem einfach in kommerzielle Druckprozesse bei der Herstellung der Verpackung integrieren.
Offline! Prüfung der Echtheit ohne Datenbank und Internetverbindung
„Mit dem SmartID-System kann jeder in der Lieferkette – vom Hersteller über Zwischenhändler und Zoll bis zum Endverbraucher – ganz einfach per App auf dem Smartphone prüfen, ob ein Produkt, das den SmartID-Code trägt, echt ist. Das Besondere daran ist, dass das offline funktioniert, also ohne Zugriff auf eine Datenbank und ohne Internetverbindung“, erklärt Dr. Tobias Jochum, der das Projekt koordiniert und am Fraunhofer Zentrum für Angewandte Nanotechnologie CAN in Hamburg, einem Forschungsbereich des Fraunhofer IAP, tätig ist.
Für Hersteller ergibt sich noch ein weiterer Vorteil: Es müssen keine IT-Infrastrukturen aufgebaut werden. Da auf die Verwendung einer zentralen Datenbank verzichtet wird, sind verschiedene IT-Sicherheits- und Datenschutzherausforderungen nicht notwendig. Zudem entfallen die hohen Kosten, die sich durch Installation, Inbetriebnahme und Wartung von Datenbanken ergeben. Konrad Öchsner, Innovationsmanager von Koenig & Bauer Coding und neues Beiratsmitglied des SmartID-Konsortiums ergänzt: „Die Komplexität der IT-Infrastruktur kann durch SmartID maßgeblich reduziert werden. Zudem wird durch den Verzicht auf den Betrieb von Datenbanken oder Blockchain-Anwendungen kein zusätzliches Kohlendioxid freigesetzt und somit der CO2 -Fußabdruck reduziert.“
Hohe Sensitivität durch Quantenmaterialien
Einen ersten SmartID-Demonstrator stellt das Fraunhofer-Konsortium auf der Interpack 2023 am Stand des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA vor. Die Entwicklungsarbeiten gehen stetig voran: „Eine wichtige Anforderung an SmartID-Barcodes ist, dass sie eine möglichst kleine Fläche einnehmen“, so Jochum. „Im weiteren Verlauf des Projekts optimieren wir das System daher hinsichtlich seiner benötigten Fläche und auch seiner Sensitivität. Quantenmaterialen übernehmen hierbei eine Schlüsselrolle. Sie machen es möglich, dass auf kleinerer Fläche deutlich mehr Merkmale der Oberflächentextur detektiert werden können. Wir freuen uns bereits darauf, mit den Besucherinnen und Besuchern der Interpack verschiedene Anwendungsszenarien zu diskutieren.“