Nachdem die Piraterie auf den Weltmeeren in den letzten Monaten zunächst zurückging, meldet das Internationale Schifffahrtsbüro (IMB) der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris nun erneut einen Anstieg: Im ersten Quartal 2015 erhöhte sich die Anzahl der Angriffe um rund 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Dabei werden Piraten immer schlauer“, weiß Oliver Kerner, Gründer der Omnimare Shipping GmbH & Co. KG, Full-Service-Einkaufsgesellschaft für Schiffsausrüstung und Shipmanagement aus Bremen und Hamburg, und betont: „Deshalb müssen Reeder heutzutage einige moderne Sicherheitsstandards beachten, wenn Frachtschiffe in bedrohlichen Regionen wie Somalia, dem Roten Meer, dem Golf von Oman oder dem Indischen Ozean fahren.“
Wegweisende Bestandsaufnahme
Um bestehende Abwehrkapazitäten eines Schiffes zu überprüfen, beauftragen Reeder häufig spezielle Sicherheitsunternehmen. Diese analysieren den Ist-Zustand, sodass sich im Anschluss erörtern lässt, welche Materialien und Umbauten für eine sichere Fahrt erforderlich sind. „Wenn nicht vorhanden, wird ein Stahldraht an der Reling einmal um das gesamte Schiff befestigt und Wasserfontänen werden an den Außenseiten eingebaut, um Angriffe durch Wasserdruck abzuwehren“, erklärt Kerner, der sich auf den Schutz vor Piraten spezialisiert hat. Außerdem gibt es die Möglichkeit, Schallkanonen einzusetzen, die Eindringlinge durch Schall mit einer Stärke von rund 150 Dezibel vertreiben sollen. Zum Vergleich: Ein Düsenjäger fliegt mit circa 130 Dezibel. Im Falle eines Angriffs können Crew und Captain mit diesen Hilfsmitteln versuchen, Piraten am Kapern des Schiffs zu hindern. Oftmals sorgen diese ersten Abwehrmanöver jedoch nur für einen Zeitgewinn an Bord, sodass sich außerdem die Einrichtung eines sogenannten Panikraums empfiehlt, in dem die Besatzung im Notfall Schutz findet.
Hilfe hinter Sicherheitstüren
Für die Einrichtung eignet sich optimalerweise ein Raum, der im Bauch des Schiffes und abseits der häufig genutzten Wege liegt. Um daraus einen Panikraum zu schaffen, bauen Spezialisten zunächst eine Sicherheitstür aus Stahl ein. Bei dem sogenannten Marine Armor System lassen sich sogar mit nur einem Knopfdruck mehrere Eingänge in zehn Sekunden mit schusssicheren Türen verriegeln. Nach Montage der Türen folgt die Ausrüstung mit Proviant – aus Platzgründen oftmals Astronauten-Nahrung – sowie ausreichend Decken und einer Toilette. „Am wichtigsten ist jedoch ein Funkgerät, womit die Crew einen Notruf absetzen kann“, betont der Experte. Allerdings gab es auch immer wieder Ereignisse, bei denen selbst modern ausgestattete Panikräume nicht ausreichten. „Denn auch die Piraten entwickeln neue Techniken, um ihr Ziel zu erreichen. Es gab schon Vorfälle, bei denen Türen gesprengt oder aufgeschweißt wurden“, beschreibt Oliver Kerner und ergänzt: „Deshalb bieten Sicherheitsfirmen inzwischen sowohl bewaffnete Begleitung als auch Trainingsmaßnahmen für die Besatzung an.“