Welche Materialien machen uns unabhängig von fossiler Energie? Synchrotronforschung: So bereitet Strahlung den Weg zur Energiewende

Synchrotronstrahlung ist extrem intensive Strahlung bis in den Röntgenbereich – und kann Informationen liefern, die keine andere Methode gewinnen kann.

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03.05.2022

Materialien, mit denen wir uns unabhängig von fossilen Energien machen können, werden dringend gesucht. Eine Hilfe dabei: Synchrotronstrahlung. Sie zeigt, wie Materialien im Innersten aufgebaut sind und funktionieren. Dazu gehören auch diejenigen, die wir brauchen, um unabhängiger von fossilen Energieträgern zu werden – zum Beispiel Materialien für Solarzellen, Batterien und für die Herstellung von grünem Wasserstoff.

Was beeinflusst das Klima und wie können wir dem Klimawandel entgegenwirken und mit den Folgen fertig werden? Mit diesen drei zentralen Problemen (Physical Science Basis, Mitigation, Adaption laut IPCC) muss sich die Gesellschaft auseinandersetzen, und die Forschung mit Synchrotronstrahlung leistet dazu einen wertvollen Beitrag.

Der Schwerpunkt liegt auf der Erforschung von Materialien, die uns unabhängig von fossilen Energien machen - zum Beispiel Materialien für Solarzellen, für Batterien, oder für die Herstellung von grünem Wasserstoff und die Umwandlung von CO2.

Für die Erforschung regenerativer Bau- und Werkstoffe ist die Synchrotronstrahlung ebenso im Einsatz. Und auch für das Verständnis des Systems Erde und des Klimas werden die vielfältigen Synchrotronstrahlungmethoden genutzt. Die dafür nötige Forschungsinfrastruktur wird in aktuellen BMBF-Programmen wie „Erforschung von Universum und Materie ErUM“ durch das Bundesforschungsministerium gefördert (ErUM-Pro und ErUM-Data).

Strahlung bis in den Röntgenbereich

Synchrotronstrahlung ist extrem intensive Strahlung bis in den Röntgenbereich. Sie wird an Großforschungsanlagen wie Speicherringen oder Freie-Elektronen-Lasern erzeugt, in denen geladene Teilchen bis auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden und intensives Licht, aussenden: die Synchrotronstrahlung. In Deutschland gibt es die Synchrotronstrahlungsquellen PETRA III und FLASH am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg, BESSY II am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB), den European XFEL bei Hamburg, mit deutscher Beteiligung die ESRF in Grenoble, Frankreich, die KIT Light Source in Karlsruhe sowie DELTA in Dortmund.

Bestimmte Informationen können mit Synchrotronlicht leichter oder schneller erhalten werden als mit anderen Methoden und andere, entscheidende Informationen sind ausschließlich am Synchrotron zu gewinnen.

„Wenn chemische Energie in Batterien in elektrische Energie umgewandelt wird, passieren dabei komplizierte Prozesse, die man mit Synchrotronstrahlung verfolgen kann. Diese Forschung hat dazu beigetragen, dass Lithium-Ionen-Akkus heutzutage Standard sind. Durch besseres Verständnis werden ihre Energiedichte, Lebensdauer und Sicherheit immer noch gesteigert. Aber wir denken noch weiter in die Zukunft, und bei der Erforschung von Materialien für Batterien, die ganz ohne Lithium auskommen und daher viel nachhaltiger sind, zum Beispiel Natrium-, Kalium- und Aluminiumbatterien, ist die Synchrotronstrahlung unverzichtbar“, sagt Prof. Dr. Helmut Ehrenberg (KIT).

Aktuelle Untersuchungen und Projekte

Grundlagenforschung und technologische Entwicklungen sind durch Forschungsverbünde und Kooperationsplattformen eng miteinander verbunden. Im Folgenden sind einige aktuelle Beispiele herausgegriffen:

Photovoltaik

Solarzellen aus Halbleitermaterialien sind die Basis der Stromerzeugung aus Sonnenenergie. Meistens wird dafür Silizium verwendet, doch es gibt Alternativen und Ergänzungsmöglichkeiten. Besonders vielversprechend sind Perowskit-Solarzellen, deren Funktionsweise am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) und an DESYs Synchrotronquelle PETRA III mit Synchrotronstrahlung erforscht wird.

Sie haben den Vorteil, dass sie kostengünstig hergestellt werden können und andere Wellenlängen verwerten als Silizium. In sogenannten Tandem-Solarzellen, die beide Halbleiter kombinieren, lässt sich daher eine höhere Effizienz erreichen als in herkömmlichen Modulen. Mit Synchrotronstrahlung werden die Eigenschaften von Perowskit-Solarzellen erforscht, zum Beispiel die Temperatur-Struktur-Beziehung, der Prozess der Kristallisation oder die stabilisierende Wirkung von Fluor-Additiven in bleifreien Perowskit-Solarzellen.

Aber auch die Siliziumschicht in der Tandem-Solarzelle kann durch gezielte Nanotexturierung noch effektiver gemacht werden. Andere Forschungsprojekte, beispielsweise an PETRA III, erforschen „Plastik“-Solarzellen auf Polymerbasis, die einfach und kostengünstig herzustellen und durch ihre Biegsamkeit vielfältig einsetzbar sind.

Das Helmholtz-Innovationslabor HySPRINT ist eine Kooperationsplattform für die Industrie am HZB mit dem Fokus auf (opto-) elektronischen Materialien und Bauelementen in einem frühen technologischen Entwicklungsstadium. Hier werden Tandemsolarzellen entwickelt und optimiert. Die Effizienz der Perowskit-Tandem-Solarzelle im Labormaßstab lag Ende 2021 bei fast 30 Prozent, seitdem wurden weitere Fortschritte erreicht: Die Verwendung von Standard-Silizium-Solarzellen und serienreifen Silizium-Bottom-Zellen der Firma Q CELLS.

Batterien

Zur Nutzung von erneuerbarer Energie gehört auch deren Speicherung. Batterien haben hohe Wirkungsgrade und sind mobil einsetzbar, daher wird intensiv an der gesamten Wertschöpfungskette geforscht - vom Funktionsmechanismus, neuen Materialien bis hin zur Haltbarkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit. Mit Synchrotronstrahlung kann zum Beispiel die Rolle einzelner Elemente unterschieden werden, um maßgeschneiderte Lösungen zu finden. Alterungsprozesse im Lade- und Entladezyklus können live beobachtet werden.

Forschungsverbünde spielen eine wichtige Rolle in der Batterieforschung. Auf europäischer Ebene gibt es in der Großforschungsinitiative Battery 2030+ das EU-Projekt „BIG-MAP“ (Battery Interface Genome - Materials Acceleration Platform) zur Entwicklung nachhaltiger Batterien für die Zukunft, in dem die European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) eingebunden ist. Dort wird Batterieforschung auch im „Grenoble Battery Hub“ vorangetrieben.

Im Exzellenzcluster POLiS des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der Universität Ulm und weiteren Partnern werden Zukunftsbatterien erforscht, die leistungsfähiger, zuverlässiger, nachhaltiger und umweltfreundlicher sind als die derzeitigen Lithium-Ionen-Batterien. Dabei wird Synchrotronstrahlung eingesetzt, um die Funktionsweise der Batterien zu verstehen und entsprechend anzupassen. Auch in anderen Kompetenzclustern des BMBF-Dachkonzeptes „Forschungsfabrik Batterie“ wird Synchrotronstrahlung genutzt, zum Beispiel in FestBatt und ExcellBattMat.

Katalyse

Große Erwartungen werden in die industrielle Verwendung von grünem Wasserstoff gesetzt, zum Beispiel in der Stahlproduktion oder in der Luftfahrt. Als „grün“ wird Wasserstoff bezeichnet, der CO2-neutral hergestellt wurde – entweder mit Ökostrom oder in Zukunft auch direkt durch Photolyse in „künstlichen Blättern“. Dabei sollen maßgeschneiderte Katalysatoren die Spaltung von Wasser mit Hilfe von Sonnenlicht möglich machen.

Geeignete Katalysatoren sind auch für effiziente Power-to-X-Prozesse – also Verfahren zur Umwandlung von erneuerbarer Energie in andere chemische Energieträger wie zum Beispiel synthetische Kraftstoffe von großer Bedeutung. Forschung mit Synchrotronstrahlung hilft nicht nur, besonders geeignete Katalysatormaterialien zu finden, sondern auch, besonders effiziente Strukturen oder Kombinationen von Materialien zu entwickeln, Prozesse zu verstehen und während des Betriebs zu untersuchen. Hierzu können auch molekulare Filme beitragen, wie sie der European XFEL ermöglicht.

Grundlagenforschung zur Katalyse ist derzeit zum Beispiel gebündelt im Schwerpunktprogramm SPP2080 „Katalysatoren und Reaktoren unter dynamischen Betriebsbedingungen für die Energiespeicherung und -wandlung“, in dem unter anderem daran geforscht wird, Katalysatoren in Ruhephasen zu reaktivieren und die Ausbeute der erwünschten Reaktionsprodukte zu erhöhen.

Viele Gruppen des SPP2080 nutzen Synchrotronstrahlung, ebenso wie im DFG-Sonderforschungsbereich „TrackAct – Verfolgung der aktiven Zentren in heterogenen Katalysatoren für die Emissionskontrolle“ des KIT. Eine Brücke zur Industrie soll die neue Forschungsplattform „CatLab“ für die Katalyse in Berlin Adlershof schlagen, die das HZB und die MPG gemeinsam aufbauen. Hier sollen chemische Umwandlungsprozesse basierend auf neuartigen maßgeschneiderten (Chemo-, Elektro- und Photo-) Katalysatoren im industriellen Maßstab entwickelt werden.

Wasserstoffspeicher

Auch zur Speicherung von Wasserstoff gibt es verschiedene Ansätze. Neben der üblichen Druckgasspeicherung kann Wasserstoff auch chemisch in Methanol oder flüssigen organischen Wasserstoffträgern (LOHC) gebunden oder in Festkörper eingelagert werden, vor allem in Metallhydriden und adsorptiv in nanostrukturierten Materialien. Deren Struktur und Funktionsweise werden an Synchrotrons untersucht, zum Beispiel die Anlagerung und Freisetzung an Graphen-gestützte Pd-Nanocluster oder die Einlagerung in ein Hydridkomposit-System.

Die Erforschung der Eigenschaften von Wasser und die Forschung zu Elektrolyse und Nanostrukturen liefern wichtige Grundlagen für die Nutzung von Wasserstoff. Ein Zentrum der Synchrotronforschung zu diesen Themen entsteht in Norddeutschland in zwei neuen Instituten bei DESY.

Hier liegen sowohl die DESY-Lichtquellen als auch der Röntgenlaser European XFEL in unmittelbarer Nähe. Es handelt sich um das Centre for Molecular Water Science (CMWS) unter Beteiligung einer Vielzahl von europäischen Partnern und um das Center for X-Ray and Nano Science (CXNS) als Kooperation von DESY, Helmholtz-Zentrum Hereon und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU).

Klimawandel verstehen

Forschung mit Synchrotronstrahlung leistet auch einen Beitrag zum Verständnis unserer Umwelt, zum Beispiel wie sich klimarelevante Aerosole in der Atmosphäre verhalten, welche grundlegenden Eigenschaften Wasser oder Gashydrate haben, welche Stoffe im Boden miteinander reagieren, welche Böden oder Gesteinsformationen CO2 aufnehmen können oder welchen Anteil die Subduktion von Gesteinen am globalen Kohlenstoffkreislauf hat.

An der European Synchrotron Research Facility (ESRF) in Grenoble, Frankreich, forscht die Arbeitsgruppe „Geobridge“ zu solchen Themen, doch auch andere Forschungsbereiche dort widmen sich dem Klimawandel.

„Die chemische Industrie nutzt heute noch fast vollständig fossile Rohstoffe für die Herstellung der chemischen Produkte. Dies auf erneuerbare umzustellen, ist eine große Herausforderung. Synchrotronstrahlung ist dafür ein einzigartiger Schlüssel, denn sie erlaubt zu beobachten, wie die dafür benötigten Katalysatoren arbeiten – „operando“ im Fachjargon genannt. Nur so können Materialien zielgerichtet und effizient entwickelt werden und eine Grundlage für Computer-gestütztes Design schaffen“, sagt Prof. Jan-Dierk Grunwaldt, KFS-Vorsitzender und selbst als Forscher am KIT in der Wandlung von Wind- und Solarenergie beziehungsweise Biomasse zu chemischen Produkten engagiert.

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