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Trends in der Gasanalyse „Technologien für mehr Effizienz sind da, werden aber nicht wirklich genutzt“

Emerson

Andreas Jung verantwortet bei Emerson das Product Marketing Measurement & Analytical.

Bild: Emerson
15.11.2019

In den letzten Jahrzehnten hat sich Emerson Automation Solutions ein umfangreiches Produktportfolio in der Gasanalysetechnik aufgebaut. Im Gespräch mit P&A erklärt Andreas Jung, verantwortlich für das Product Marketing Measurement & Analytical bei Emerson, warum das auch notwendig ist. Außerdem haben wir über die zögerliche Nutzung von Industrie-4.0-Technologien, die Vorzüge von Quantenkaskadenlasern und das Life-Cycle-Angebot von Emerson gesprochen.

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Emerson war nicht immer in der Gasanalysetechnik tätig. Wo liegen die Anfänge dieser Sparte?

Emerson selbst kommt aus der klassischen Elektrotechnik. Die Firmengründer haben damals mit dem Bau von Elektromotoren begonnen; später folgten Ventilatoren. Nach dem Krieg haben sich die Verantwortlichen schließlich auf den Bereich Automatisierungstechnik fokussiert und systematisch Firmen zugekauft, die sich durch technologische Innovationen auf diesem Gebiet ausgezeichnet haben. Rosemount war zum Beispiel eine der ersten großen Akquisitionen in den 1970er-Jahren, nachdem das Unternehmen einen neuartigen Drucktransmitter entwickelt hatte. Im Bereich der Analysentechnik sind so im Laufe der Zeit mehrere Firmen zusammengeführt worden: Beckman, Leybold, Daniel, Unilog und Westinghouse Combustion Control Division.

Und diese Unternehmen sind dann in Rosemount beziehungsweise Emerson aufgegangen?

Genau. Diese Firmen bildeten schließlich Rosemount Analyticals. Unilog war auf dem Gebiet der Flüssigkeitsanalyse tätig, die anderen Unternehmen dagegen alle im Bereich der Gasanalyse. Westinghouse Combustion Control Division hat etwa die Sauerstoffsonde nach dem Zirkoniumdioxid-Prinzip erfunden, die heute Stand der Technik ist und als Lambdasonde in jedem Auto zum Einsatz kommt. Auch Beckman war ein sehr innovatives Unternehmen, das viele Weichen für die Gasanalyse gestellt hat. Sie haben als erste ein Chemolumineszenz-Gerät marktfähig gemacht und die Standards dafür gesetzt. Sie haben zudem bereits im Jahr 1956 den ersten funktionsfähigen Prozess-Gaschromatographen gebaut und waren bis in die 1980er-Jahre Weltmarktführer mit diesen Geräten.

Wofür waren die anderen Firmen bekannt?

Leybold hat mit dem Binos 1 von 1976 als erstes Unternehmen die Idee aufgegriffen, einen Gasanalysator kompakt zu konzipieren und mehrere Kanäle einzubauen. Das war damals verpönt am Markt. Man meinte, zwei Kanäle in einem Gasanalysator seien nicht sinnvoll und man würde dann nur noch die Hälfte der Geräte verkaufen. Heute ist es Standard, mindestens zwei Kanäle miteinander zu kombinieren. Für weiteren Input bei der Gas-Chromatographie hat Emerson außerdem Daniel übernommen. Als letzte wichtige Akquisition ist vor vier Jahren schließlich noch Cascade hinzugekommen – eine Firma mit innovativen Lösungen auf dem Gebiet der Quantenkaskadenlaser. Das ist also unser Grundprinzip: Wenn wir Technologien mit Potenzial sehen, dann integrieren wir diese in unser Portfolio für die Analysetechnik. Denn all diese Unternehmen brauchen letztlich einen Partner, um weiterwachsen zu können, und das sind gerne wir.

Bleiben diese Unternehmen dann selbstständig im Emerson-Konzern oder gehen sie dort auf?

Das passiert beides. Wenn eine innovative Firma eine starke Entwicklungsabteilung hat, dann bleibt diese natürlich bestehen. Zum Beispiel wird die Leybold-Entwicklungsabteilung im Werk Hasselroth nach wie vor weitergeführt, ebenso wie bei Cascade in Sterling, Schottland, oder bei Daniel in Houston, Texas. Das heißt, wir zerstören nicht, sondern wir entwickeln die Unternehmen weiter, nachdem wir sie in die Konzernstrukturen eingebunden haben.

Emerson hat sich damit ein sehr umfangreiches Portfolio aufgebaut – nicht nur in der Analysensparte. Weshalb?

Wir haben den Anspruch, als Emerson Automation Solution, der weltweit führende Anbieter für die Prozessautomatisierung zu sein. Wir wollen ausgehend vom Prozessleitsystem die ganze Aktorik und Sensorik in unserem Portfolio haben. Egal um welchen Teilbereich der Prozessautomatisierung es geht, wir möchten eine umfassende Lösung anbieten. Die Prozessgasanalyse ist hierbei nur ein kleiner Ausschnitt, der aber diese Gesamtidee genau abbildet.

Mit Blick auf die Gasanalyse: Welche Trends beobachten Sie dort?

Es hat sich herauskristallisiert, dass viele unserer Kunden – und unabhängig von der Branche – in möglichst vielen Prozessen direkt online messen wollen. Damit kommen letztlich nur eine Handvoll an Technologien in Frage, die über ein gutes Preis-Leistungsverhältnis verfügen. Dazu zählen die Infrarot- und UV-Spektroskopie, elektrochemische Sensoren und Wärmeleitfähigkeitsdetektoren. Hinzu kommen noch Sauerstoffsonden nach dem paramagnetischen Prinzip und am Rande gibt es noch Flammenionisations- und Chemolumineszenz-Detektoren. Mit diesen Technologien – und wir haben alle im Portfolio – lassen sich sehr viele Aufgaben in der Prozessgasanalyse lösen.

Welche Rolle spielt die Gas-Chromatographie in Ihrem Angebot?

Die Messgeräte, die ich vorhin aufgezählt habe, haben sich seit Jahrzehnten bewährt, aber stoßen natürlich auch an Grenzen. Typischerweise passiert das, wenn das Gasgemisch komplex wird und viele Messungen erforderlich werden. Bei Infrarot kann es dann beispielsweise zu Querempfindlichkeiten kommen, die die Messungen beeinträchtigen. In diesem Fall kommt dann die Gas-Chromatographie zum Einsatz. Bei diesem Messverfahren wird ein komplexes Gasgemisch aufgetrennt und die Bestandteile einzeln analysiert. Doch auch Gas-Chromatographen (GC) bringen Nachteile mit sich. Sie sind zum einen viel langsamer. Wir sprechen hier über Zyklen, die Minuten dauern; bei herkömmlichen Analysatoren liegen die Ansprechzeiten im Sekundenbereich. Zweitens: Die Anschaffung ist in der Regel viel teurer und die Folgekosten sind höher, da man unter anderem Trägergase für den Betrieb benötigt. An dieser Stelle sieht man schon, dass der Beratungsbedarf in der Gasanalyse sehr hoch ist, da es stark darauf ankommt, was der Kunde letztlich will und braucht. Neu hinzugekommen sind jetzt noch die Quantenkaskadenlaser. Sie kommen zum Einsatz, wenn einen die Querempfindlichkeiten eigentlich zum GC greifen lassen, aber man die lange Ansprechzeit und den Verbrauch von Betriebsgasen vermeiden möchte. Dennoch gibt es natürlich nach wie vor Messaufgaben, die nur ein Gas-Chromatograph erfüllen kann.

Wo liegen die Grenzen von Quantenkaskadenlaser?

In sehr komplexen Gasgemischen gibt es auch viele Störkomponenten. Zwar gibt es die Möglichkeit, diese mit Hilfe von Rechenverfahren zu erkennen und so das gewünschte Messgas zu isolieren, doch wenn die Gemische zu komplex werden, scheitert der Quantenkaskadenlaser. Meistens ist das der Fall, wenn viele langkettige Kohlenwasserstoffmoleküle im Spiel sind. Hier müssen wir dann zum Gas-Chromatographen wechseln. Darüber hinaus lassen sich für bestimmte Anwendungen auch ganz andere Technologien einsetzen wie beispielsweise Massenspektrometer, die wir selbst aber nicht im Programm haben.

Was raten Sie Ihren Kunden in diesem Fall?

Wir möchten für alle möglichen Anwendungen die geeignete Messtechnologie anbieten und dann mit dem Kunden zusammen die beste Lösung erarbeiten. Wenn wir dabei erkennen, dass ein Massenspektrometer sich für eine bestimmte Anforderung besser eignet, kaufen wir auch Produkte anderer Hersteller zu und integrieren diese. Hier haben wir keine Berührungsängste.

Sehen Sie derzeit noch Lücken in Ihrem Portfolio, wo Sie sich mit Hilfe von Akquisitionen verstärken möchten?

Nein. Im Moment sehen wir keine Lücken – außer bei sehr exotischen Messverfahren. Wir sind komplett aufgestellt für die Prozessgasanalyse und konzentrieren uns nun vor allem darauf, die vorhandene Technologie auch passend für die Kundenanwendung umzusetzen.

In welchen Branchen ist Emerson bei der Analysentechnik primär vertreten?

Das ist von Land zu Land unterschiedlich. Weltweit sind wir sehr stark in der Chemie-, Petrochemie-, Öl- und Gasindustrie vertreten. In Deutschland ist natürlich auch die Automobilindustrie relevant. Hier beliefern wir beispielsweise die Hersteller von Motorprüfständen. Darüber hinaus engagieren wir uns sehr stark in den Universitäten und Forschungsinstituten.

Trends wie die Vernetzung von Maschinen und Anlagen sowie die Möglichkeiten von IIoT scheinen derzeit allgegenwärtig. Beeinflusst Sie das bei der Weiterentwicklung Ihrer Produkte?

Wir stellen immer wieder fest, dass Trends wie Industrie 4.0 oder IIoT mit dem Alltag in der Gasanalyse eher wenig zu tun haben. Schon vor zwanzig Jahren haben wir den Foundation Fieldbus für die Prozessautomatisierung vorgestellt und ihn bei einem Teil unseres Portfolios als Option eingeführt. Damals war man in Foren und Magazinen begeistert, über einen Bus alle Informationen übertragen zu können und einen geringeren Verdrahtungsaufwand zu haben. Doch von Seite der Anwender, beispielsweise von Chemiekonzernen, ist das kaum nachgefragt worden. Die Verkäufe von Foundation-Fieldbus-Geräten bewegten sich seitdem lediglich im Promillebereich.

Welche Übertragungsarten oder Kommunikationsprotokolle werden denn primär eingesetzt?

Die die Industrie nutzt nach wie vor mit großer Begeisterung 4…20 mA-Signale. Bei bestimmten Produktgruppen wie Sauerstoffsonden wird auch das Hart-Protokoll honoriert; bei anderen Produkten – zum Beispiel den Gasanalysatoren oder den Laser- sowie Infrarotgeräten – ist das nicht der Fall. Hier setzen wir in der Regel auf Modbus.

Bieten Sie dann überhaupt Produkte mit Fernüberwachungsfunktionalitäten an?

Natürlich. Ein schönes Beispiel ist hier die Sauerstoffsonde. Sie weiß von selbst, wann sie kalibriert werden muss oder ein Filter verstopft ist, und meldet das. Wartungsmitarbeiter müssen also nicht extra zur Sonde hingehen oder komplizierte Wartungspläne ausarbeiten. Auf diese Weise ist es möglich, mit demselben Personal eine viel größere Anzahl an Geräten zu überwachen und zu betreuen. Die Erfahrung zeigt aber: Diese Möglichkeiten, wie vorausschauende Wartung oder die bessere Vernetzung von Geräten, werden in den Werken selbst kaum genutzt. Zwischen der öffentlichen Diskussion und der Realität in den Chemie- und Petrochemiestandorten herrscht eine ziemlich große Kluft.

Was sind, Ihrer Meinung nach, die Gründe dafür?

Das liegt vor allem an dem immensen Einsparungsdruck. Gerade die Abteilungen für die Instandhaltung müssen ihre Mitarbeiter vehement gegen Rationalisierungsmaßnahmen verteidigen und haben oftmals wenig Spielraum, um sich die Möglichkeiten von Industrie 4.0 voll zu Nutze zu machen. Häufig greifen sie erst dann auf neue Technologien zurück, wenn zusätzliche Anlagen zu betreuen sind. Hier steht sich die Industrie teils selbst im Weg. Denn die Technologien für mehr Effizienz sind da, werden aber nicht wirklich genutzt. An dieser Stelle kommen wir übrigens auch wieder zurück zum Quantenkaskadenlaser.

Inwiefern?

Der entscheidende Vorteil ist, dass man unseren Quantenkaskadenlaser von Cascade in der Regel nur einmal pro Jahr – abhängig von der Anwendung – kalibrieren muss. Gas-Chromatographen und die Infrarotgeräte müssen dagegen regelmäßig, meist wöchentlich, mit einer Ein-Punkt- oder Zwei-Punkt-Kalibrierung neu eingestellt werden. Eine einfachere Wartung ist etwas, wonach wir sehr häufig gefragt worden sind. Aber jetzt, da wir eine solche Lösung zur Verfügung haben, ist sie vielen Kunden wiederum zu teuer. Das ist ein weiteres Problem: Forderungen, die wir aufgreifen, werden leider nicht immer am Markt honoriert. Idealerweise soll alles billiger werden, die Entwicklung neuer Technologien und die Weiterentwicklung bestehender Produkte bedeuten andererseits hohe Kosten für uns. Das ist ein Trend, der für uns als Technologielieferant natürlich zwiespältig ist.

Neben dem reinen Produktgeschäft werden auch Dienstleistungsangebote immer wichtiger. Sie bieten unter anderem Life-Cycle-Services für Ihre Messgeräte an…

Wir bieten unseren Kunden verschiedene Möglichkeiten an: Die meisten von Ihnen entscheiden sich beim Kauf einer Messanlage dafür, dass einmal im Jahr einer unserer Servicetechniker das gesamte Messsystem auf Herz und Nieren prüft, gegebenenfalls einzelne Komponenten austauscht und das System neu kalibriert. Das ist sozusagen unser Standardwartungsvertrag. Darüber hinaus gibt es Anlagen, die nur unter der Bedingung genehmigt worden sind, dass das Messsystem regelmäßig – zum Beispiel monatlich – überprüft wird. In diesem Fall protokollieren unsere Techniker in den gewünschten Zeiträumen die Funktionstüchtigkeit des Messsystems. Die absolute Ausnahme bilden bislang große Wartungsverträge, bei denen sich unsere Techniker auf Abruf um jede Kleinigkeit kümmern und zum Beispiel Filterelemente und ähnliche Verschleißteile sofort austauschen. Doch gerade diese einfacheren Wartungsarbeiten führen die meisten unserer Kunden noch selbst durch. Auch die Möglichkeit, die Messgeräte bei uns einzuschicken, damit wir sie überprüfen, wird aktuell noch selten genutzt.

Kümmern Sie sich dabei auf Wunsch auch um Geräte von Drittherstellern?

Wenn es sich nicht um ein zu exotisches Gerät handelt, dann machen wir das ebenfalls. Wir haben hier keinerlei Berührungsängste und das wissen unsere Kunden auch zu schätzen.

Wird Ihr Dienstleistungsangebot bereits umfangreich wahrgenommen?

Unser Life-Cycle-Angebot wird bislang noch nicht vollumfänglich ausgeschöpft. Viele Unternehmen fahren Messgeräte nach wie vor auf Verschleiß. Erst wenn eine Fehlfunktion oder ein Defekt auftritt, wird es eingeschickt oder ein Servicetechniker bestellt. Das heißt: Wir bieten unsere Life-Cycle-Services zwar mit Erfolg an, aber noch nicht in dem Umfang, den ich mir wünsche. Hier ist noch viel Luft nach oben.

Das Dienstleistungsgeschäft wird also erst noch zum Wachstumsfeld?

Es wird definitiv eine Veränderung einsetzen in den nächsten Jahren – insbesondere, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der 60er-Jahre nach und nach in die Rente gehen. Bei unseren Kunden sind derzeit noch sehr viele Fachkräfte aus dieser Generation in den Wartungs-, Service-, Mess- und Regeltechnikabteilungen beschäftigt. Folglich wird es hier in Zukunft Personalengpässe geben und die Notwendigkeit nach Dienstleistungsangeboten steigen. Wir sind aber bereit, genau das aufzufangen, und wachsen organisch mit den Bedürfnissen des Marktes.

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