Rohrleitungssysteme sind ein entscheidender Faktor für die gesamte H2-Wertschöpfungskette. Insbesondere während der Produktionsphase, in der Medien wie Reinstwasser, Gas-Wassergemische und chemische Substanzen transportiert werden, beeinflussen die eingesetzten Rohrleitungssysteme die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Produktion maßgeblich. Dabei spielt die richtige Materialauswahl eine zentrale Rolle. Während in vielen Bereichen traditionell Metallrohre verwendet werden, bieten Kunststoffrohre erhebliche Vorteile, vor allem bei der Nutzung von Reinstwasser.
Reinstwasser als Kernstück der H2-Produktion
Die Herstellung von Wasserstoff in Elektrolyseuren erfordert Reinstwasser, das in Form von Zusatzwasser kontinuierlich zugeführt wird. Die Anforderungen an dieses Wasser sind streng und werden von der Norm ISO 22734 für industrielle Elektrolyseure definiert. Nachdem die Wasseraufbereitung die erforderliche Reinheit gewährleistet hat, darf das Wasser auf dem Weg zur Elektrolysezelle nicht erneut verunreinigt werden. Gelöste Metallionen oder organische Verunreinigungen, wie sie in metallischen Rohrleitungssystemen auftreten können, beeinträchtigen die Effizienz der Elektrolyse und führen zu erhöhtem Energieverbrauch, kürzeren Wartungszyklen und kostspieligen Ausfallzeiten.
Kunststoffrohrsysteme können dieses Problem effektiv lösen, da sie eine besonders geringe Abgabe von Metallionen oder organischen Substanzen aufweisen. Darüber hinaus tragen sie zu einer signifikanten Verlängerung der Lebensdauer der Anlagen bei, da sie korrosionsbeständiger sind als Metallrohre.
Die Herausforderungen der Elektrolyseprozesse
Elektrolyseure nutzen unterschiedliche Verfahren zur Wasserstoffproduktion, die spezifische Anforderungen an die verwendeten Werkstoffe stellen. In der alkalischen Elektrolyse (AEL) wird stark konzentrierte Kalilauge als Elektrolyt verwendet. Diese erfordert Materialien mit einer hohen chemischen Beständigkeit, wie es thermoplastische Fluorkunststoffe bieten. In der Polymerelektrolytmembran-Elektrolyse (PEM) wird hingegen Reinstwasser zur Spaltung von Wasserstoff und Sauerstoff genutzt. Auch hier zeigen Kunststoffe aufgrund ihres geringen Leach-Outs eine hervorragende Eignung. Bei der anionenleitenden Membran-Elektrolyse (AEM) kommt eine leichte Kalilauge zum Einsatz, die ebenfalls problemlos von Kunststoffen gehandhabt werden kann.
Allerdings stoßen Kunststoffe in der Festoxid-Elektrolyse (SOEC), die bei sehr hohen Drücken und Temperaturen arbeitet, an ihre Grenzen. Hier sind weiterhin Metallrohre erforderlich, da die Belastungen die Anwendungsgrenzen von Kunststoffen überschreiten.
Die Vorteile von Kunststoffen: Chemische Beständigkeit und Flexibilität
Kunststoffrohrleitungssysteme bieten in der Wasserstoffproduktion mehrere entscheidende Vorteile. Neben ihrer chemischen Beständigkeit und Korrosionsfestigkeit ermöglichen sie auch eine flexible Installation. Dank moderner Schweißverfahren wie dem Infrarotschweißen, das besonders kleine Schweißnähte ermöglicht, sind Kunststoffrohre einfacher zu handhaben und zu installieren als ihre metallischen Pendants. Dies führt nicht nur zu einer schnelleren Installation, sondern auch zu einer erheblichen Kosteneinsparung.
Zudem bieten Kunststoffe in vielen Industrien, wie der Halbleiterfertigung, bereits seit Jahrzehnten bewährte Lösungen für den Transport von hochreinen Medien. Ihre chemische Beständigkeit und die Fähigkeit, Verunreinigungen zu minimieren, machen sie auch in der Wasserstoffproduktion unverzichtbar.
Geringer Leach-Out für maximale Effizienz
Ein wesentliches Argument für den Einsatz von Kunststoffrohrsystemen in der Wasserstoffproduktion ist ihr äußerst geringer Leach-Out. Der Leach-Out beschreibt die Menge an Stoffen, die vom Rohrmaterial ins transportierte Medium abgegeben wird. Insbesondere bei Reinstwasseranwendungen sind Kunststoffe wie PP-H (Polypropylen homopolymer) Edelstahl deutlich überlegen, da sie eine viel geringere Menge an Metallionen und organischen Stoffen abgeben.
Diese niedrigen Leach-Out-Werte tragen dazu bei, die Effizienz der Elektrolyseprozesse zu maximieren, da die Anlagen länger ohne Wartung betrieben werden können und gleichzeitig weniger Energie benötigt wird, um die gleiche Menge Wasserstoff zu produzieren. Studien zeigen, dass selbst kleinste Mengen an Metallionen, die durch Korrosion in das Reinstwasser gelangen, erhebliche Leistungseinbußen verursachen können (Becker et al., 2023).
Beispiel: Einsatz von Kunststoffen in Kondensatleitungen
Ein praktisches Beispiel für die Überlegenheit von Kunststoffrohren sind Kondensatleitungen, die in Elektrolyseuren häufig aus Edelstahl bestehen und durch den hohen Sauerstoffgehalt des Wassers stark korrosionsgefährdet sind. Durch den Einsatz von Kunststoffrohren kann das Problem der Korrosion weitgehend vermieden werden. Dies führt zu längeren Wartungsintervallen und einer höheren Standzeit der Anlagen, da sich weniger Korrosionsprodukte im System ablagern.
Optimierung durch fortschrittliches Engineering
Die Auslegung von Rohrleitungssystemen in der Wasserstoffproduktion erfordert eine präzise Planung, da Kunststoffe andere mechanische Eigenschaften als Metall aufweisen. Temperatur- und Druckschwankungen wirken sich auf Kunststoffrohre anders aus als auf Metallrohre. Daher ist es wichtig, bereits in der Planungsphase die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Elektrolyseverfahrens zu berücksichtigen.
Durch den Einsatz von modernen CAD-Tools können Rohrleitungssysteme vorgefertigt und passgenau auf die jeweilige Anwendung abgestimmt werden. Besonders bei größeren Produktionsanlagen ist die Vorfertigung von Baugruppen ein wichtiger Faktor für eine effiziente Installation. Vor Ort müssen die einzelnen Komponenten dann nur noch mechanisch miteinander verbunden werden, was die Installationszeit erheblich verkürzt.
Fazit: Kunststoffe als Schlüssel für eine nachhaltige Wasserstoffproduktion
Die Vorteile von Kunststoffrohrleitungssystemen in der Wasserstoffproduktion sind vielfältig: Sie minimieren das Risiko von Verunreinigungen, verlängern die Lebensdauer der Anlagen und erhöhen die Wirtschaftlichkeit. Durch ihre chemische Beständigkeit und den geringen Leach-Out sind sie insbesondere in Reinstwasseranwendungen herkömmlichen Metallrohren deutlich überlegen. Angesichts der steigenden Anforderungen an die Produktion von grünem Wasserstoff wird die kontinuierliche Forschung und Weiterentwicklung von Kunststoffwerkstoffen entscheidend sein, um das volle Potenzial dieser Technologie auszuschöpfen. Kooperationen mit Forschungsinstituten und der Einsatz moderner Planungstools werden ebenfalls eine Schlüsselrolle spielen, um die Skalierung der Wasserstoffproduktion zu ermöglichen und gleichzeitig die Effizienz der Anlagen zu maximieren.