„Wir stellen an 365 Tagen im Jahr Flaschen und Konservengläser her“, sagt Diplom-Ingenieurin Frauke Wimmer-Mätzkow, die im Werk von Verallia arbeitet. Grund für den ununterbrochenen Betrieb sei vor allem, dass die drei großen Schmelzwannen, die das Unternehmen für Weiß-, Braun- und Grünglas betreibe, nicht abgeschaltet werden dürfen. „In den Wannen werden im Wesentlichen Recyclingglas, Sand, Kalk und Dolomit aufgeschmolzen. Wenn das Material dort erstarrt, kann es nicht wieder aufgeschmolzen werden; umfangreiche Reparaturen wären die Folge“, erklärt sie.
Um die Wannen am Leben zu erhalten, gebe es zwar ein Notstromaggregat. Ohne Druckluft könne allerdings die Produktion nicht weiterlaufen. „Wir produzieren ununterbrochen, um den Bedarf unserer Kunden an Verpackungen für Lebensmittel zu decken“, sagt Wimmer-Mätzkow. Selbst bei Revisionen muss die Druckluftversorgung sichergestellt sein.
Vom Tropfen zur Fertigform
Zwei Netze sind am Essener Standort installiert: ein Hochdrucknetz mit 6 bar Betriebsüberdruck für die Steuerungsluft sowie ein Niederdrucknetz mit 3,5 bar, das nun modernisiert wurde. Die Luft, die die Kompressoren in das 3,5-bar-Netz einspeisen, benötigt Verallia vor allem für Formungsprozesse, zum Entladen der Lkw und um die Gemengeanlage zu schalten, in der die für die Glasproduktion notwendigen Materialien (Gemenge) aus den verschiedenen Silos nach Rezepturen gemischt werden. In den Schmelzwannen wird Druckluft für Schaltvorgänge sowie als Kühlluft für die Brenner genutzt.
Um die Glasprodukte mit Druckluft in Form zu bringen, läuft die heiße Glasmasse zunächst über sogenannte Feeder Richtung Produktion. Der dabei entstehende Glasstrang wird in portionierte Tropfen geschnitten, die in einer Form aufgefangen werden. Mittels Druckluft wird das Material an die Innenwand der Vor- und dann der Fertigform gepresst, um so zu einem Glasbehälter oder einer Flasche zu werden.
Turbotechnik am effizientesten
Bei der Entscheidung für die Modernisierung des Niederdrucknetzes spielte neben dem Faktor Zuverlässigkeit die Wirtschaftlichkeit eine große Rolle. Nach Analyse von Kosten und Nutzen legte sich das Planungsteam auf die Turbotechnologie für die neuen Kompressoren fest.
„Wir brauchen im Niederdrucknetz regelmäßig circa 22.000 Kubikmeter Druckluft pro Stunde“, sagt Michael Fesseler, Engineering-Manager Buildings & Utilities aus dem Technischen Zentrum Verallias. „Die Turbos sind für unsere Anforderungen am effizientesten.“ Ganz konkret fiel die Wahl auf vier Turbokompressoren des Typs ZH 500+ von Atlas Copco. Die Maschinen verdichten absolut ölfrei und liefern hochreine Luft nach ISO 8573-1:2010, Klasse 0, wofür sie auch zertifiziert sind. „Das ist für unsere Kunden wichtig, da in unsere Glaserzeugnisse Lebensmittel abgefüllt werden“, betont Projektleiter Fesseler.
Drei der Kompressoren versorgen das 3,5-bar-Netz rund um die Uhr; sie sind damit zu 75 Prozent ausgelastet. Ein vierter Kompressor steht als Backup in der Station. Eine übergeordnete Steuerung, das Energiesparsystem ES16 von Atlas Copco, regelt die Auslastung der drei Kompressoren, die gerade in Betrieb sind. Der Druckluftbedarf ist nahezu konstant; nur bei Produktwechseln gibt es kurzfristig sichtbare Ausschläge nach unten. Damit alle vier Kompressoren gleichmäßig in Gebrauch sind, wird regelmäßig durchgewechselt.
Investition kann vom BAFA gefördert werden
Weitere Kriterien, die für die Turbos von Atlas Copco sprachen, seien die dank Schalldämmhaube und Ansauggeräuschdämpfer geringere Lärmemission der Kompressoren gewesen, sagt Wimmer-Mätzkow. „Durch die neuen Kompressoren ist außerdem unser Energiebedarf um über 25 Prozent gesunken.“ Verallia konnte die Investition aufgrund der höheren Effizienz der neuen Kompressoren zudem vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) als Maßnahme zur Energieeinsparung fördern lassen.
Für die Projektverantwortlichen war es aber auch aus anderen Gründen wichtig, den höheren Wirkungsgrad und Nutzen der neuen Anlage nachzuweisen: „In unserem Werk ist die Sanierung der Druckluftversorgung ein großes Projekt, das Pilotcharakter für unsere weiteren Werke in Deutschland haben kann“, sagt die Ingenieurin. Verallia hat insgesamt sieben Werke, davon vier in Deutschland, zwei in Russland und eines in der Ukraine, um bei der Lieferung der Glasprodukte möglichst kurze Wege zu den Kunden zu nutzen.
Die Turbokompressoren sollen ebenfalls dabei unterstützen, die Umweltziele des Unternehmens zu erreichen. „Wir haben über mehrere Jahre den Verbrauch gemessen“, blickt Fesseler zurück, „und bei der Planung der neuen Station haben wir noch etwas Kapazität eingerechnet, um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein.“
Bauliche Veränderungen waren nötig
Die Unterbringung der neuen Maschinen war eine bauliche Herausforderung. Das Glaswerk in Essen wurde 1923 als Teil einer Zeche gegründet. Energie lieferte die Kokerei, Sand war in der Nähe verfügbar. Die Kompressorenstation war von Beginn an in einer Halle untergebracht, die sich innerhalb eines alten Gebäudes befindet. Durch den extrem engen Rangierbereich war die Halle in dem alten Gebäude für die großen Turbokompressoren schwer zugänglich.
Verallia musste eine Wand öffnen und anschließend wieder verschließen, um die ZHs in der Halle unterzubringen. In dieser ist nun noch Platz für zwei bis drei weitere Kompressoren; drei Kältetrockner bereiten die Druckluft auf und speisen sie direkt in eine Sammelleitung.
„Neben harten Kriterien wie den Investitions- und Betriebskosten spielten bei der Kompressorenauswahl auch weiche Faktoren eine Rolle“, sagen die Projektverantwortlichen. „Unsere Erfahrungen mit Atlas Copco von anderen Standorten waren durchweg positiv.“ Der Kompressorenhersteller habe neben seinem Sitz in Essen ein gutes Servicenetz. „Wir brauchten jemanden, der uns berät, das Projekt begleitet und schlüsselfertig liefern kann.“
Für die Anlage hat Verallia mit Atlas Copco einen Fünf-Jahres-Servicevertrag abgeschlossen. Die ZHs sollen jedoch insgesamt nicht sehr wartungsintensiv sein, da durch die ölfreie Turbotechnologie keine Filter- oder Ölwechsel notwendig sind.