Das IoT hat in den letzten Jahren in zahlreichen Branchen für Innovation und Fortschritt gesorgt. Auch im Bereich der Umwelttechnik kommt dem Konzept eine wesentliche Bedeutung zu. Es gibt immer mehr Anwendungen, die sich als entscheidend für eine nachhaltigere Zukunft erweisen. Sie werden unter dem Namen Smart Environmental IoT zusammengefasst. Eine zentrale Funktion dieses Ansatzes liegt in der Verwendung von Sensoren, um Daten zu Umweltbedingungen zu sammeln und zu kontrollieren. Diese Daten lassen sich dann zur Identifikation von Umweltproblemen, Ergreifung geeigneter Maßnahmen und Optimierung des Istzustands nutzen.
Den Auswirkungen von erhöhtem Algenwachstum begegnen
Die Johannisbachtalsperre in Bielefeld – besser bekannt unter dem Namen Obersee – stellt ein gutes und aktuelles Beispiel für Smart Environmental IoT dar. Bei der Talsperre handelt es sich um einen künstlich angelegten Stausee mit einer Größe von rund 14,5 Hektar. Trotz seiner Größe misst das Gewässer an seiner tiefsten Stelle nicht mehr als 2,50 Meter. Vor allem in heißen Perioden des Jahres resultiert daraus ein erhöhtes Risiko für Algenwachstum und eine Sauerstoffzehrung mit massiven Algenblüten bis zur Gefahr des Umkippens des Sees, was insbesondere die Fischbestände gefährdet.
Zur Sicherstellung der notwendigen Lebensbedingungen installierte das Bielefelder Umweltamt bereits in der Vergangenheit eine künstliche Belüftung. Die Prüfung der Wasserqualität ist mit einem entsprechenden Aufwand verbunden, weil dazu eine Seebefahrung mit einem Boot erforderlich ist. Damit die Umweltbedingungen an der Talsperre in Zukunft besser überwacht werden können, hat das Umweltamt ein Smart-Environmental-IoT-System implementiert. Dabei geht es um eine Smart City Box von Phoenix Contact. An das System können Sensoren mit unterschiedlichen Schnittstellen angekoppelt werden. Für die Messung der Wasserqualität kommt zum Beispiel Sensorik zum Einsatz, um die Trübung und den Sauerstoffgehalte des Wassers zu messen. Darüber hinaus sollen weitere Umweltdaten wie Lufttemperatur, Luftdruck und CO2-Gehalt erfasst werden. Mit diesen Werten können Umweltbehörden und Stadtplaner den Zustand des Sees kontrollieren sowie Probleme wie Algenblüten, Sauerstoffmangel oder andere negative Umwelteinflüsse rechtzeitig identifizieren.
LoRaWAN zur Erfassung der Sensordaten
Zur Umsetzung der Monitoring-Lösung mit der Smart City Box wird die Funktechnologie LoRaWAN verwendet. Dabei handelt es sich um eine drahtlose Netzwerktechnologie, die speziell für das IoT und das Aufnehmen von dezentralen Sensoren entwickelt worden ist. Im Gegensatz zu weiteren funkbasierten Systemen zeichnet sich LoRaWAN durch eine sehr große Reichweite bei geringer Stromaufnahme aus. Das ermöglicht die drahtlose Weiterleitung von Sensordaten über zwei km im Stadtgebiet bis zu 40 km in ländlichen Umgebungen – und das bei einer langen Lebensdauer der Batterie. Diese Eigenschaften zeigen sich als besonders wichtig, da sich eine Vielzahl von Geräten im und um den Obersee verbauen lässt, ohne das spezifische Infrastruktur notwendig ist. Diese Endgeräte – auch Nodes genannt – übermitteln dann die Sensordaten.
LoRaWAN ermöglicht die Übertragung von Signalen über weite Distanzen und durch Hindernisse, weshalb sich der Einsatz der Technologie für Anwendungen zur Überwachung der Umwelt anbietet. Die Infrastruktur besteht grundsätzlich aus LoRaWAN-Gateways, welche die Kommunikation zwischen dem Node und dem weiteren Netzwerk ermöglichen. In den Geräten werden die Funktelegramme in TCP/IP-basierte Pakete umgewandelt. Ferner ist ein LoRaWAN-Server erforderlich, der die Datenpakete entgegennimmt, entschlüsselt und die Nutzdaten respektive Messwerte an andere Systeme weitergibt.
Plattform zur Anzeige von Messwerten
Zur Erfassung der Wasserqualität werden Wassertrübung und -sauerstoffgehalt gemessen. Zu diesem Zweck kommen am Obersee spezielle Sensoren zum Einsatz, die den Messwert via 4…20-mA-Signal an eine zentrale speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) übertragen, die sich in der Smart City Box befindet. Die SPS, eine PLCnext Control AXC F 3152 aus dem offenen Ecosystem PLCnext Technology, kontrolliert die Sensorik und kann außerdem Messfehler detektieren. Neben den bereits aufgenommenen Messwerten sollten die Lufttemperatur sowie der Luftdruck und CO2-Gehalt ebenfalls erfasst werden. Dazu sind verschiedene LoRaWAN-kompatible Sensoren unterschiedlicher Hersteller rund um den Obersee installiert worden. Ein zentral in der Smart City Box montiertes Gateway sorgt für die Funkabdeckung an der Talsperre.
Sowohl die Messdaten der lokalen Sensorik ebenso wie der dezentralen LoRaWAN-Sensoren werden von einem Modem über das Mobilfunknetz an die IoT-Plattform grovez.io von Phoenix Contact übermittelt. Hierbei handelt es sich um eine webbasierte Applikation, in der sich die Messwerte anzeigen lassen. So erhalten die Benutzer einen aktuellen Einblick in den Gewässerzustand. Auch historische Daten und Trends, wie Schwankungen im Sauerstoffgehalt, können abgerufen werden.
Intelligente Steuerung zur optimalen Belüftung
Damit die Gebläse zukünftig lediglich bei einem akuten Sauerstoffmangel belüften, könnten die aus dem See und der Umgebung aufgenommenen Messwerte auch zur Steuerung der lokalen Belüftung verwendet werden. Detektiert das lokale Automatisierungssystem einen unvermittelt auftretenden Sauerstoffmangel im See, findet die Belüftung so lange statt, bis wieder ein normaler Zustand erreicht ist. Aufgrund dieser intelligenten Steuerung würde nicht nur die Talsperre optimal belüftet, sondern ebenfalls viel elektrische Energie eingespart.
Auch in diesem Fall übernimmt die Smart City Box von Phoenix Contact die Steuerung, die digitale und analoge Ausgänge zur freien Nutzung umfasst. Allerdings werden die Messwerte über das lokale Automatisierungssystem und die webbasierte IoT-Plattform grovez.io hinaus eingesetzt. Per Cloud-to-Cloud-Kopplung stehen die Daten zudem den Stadtwerken zur Verfügung, um sie allen Anwendern bereitzustellen. Die eigene Datenplattform der Stadtwerke Bielefeld ruft die Daten über eine gesicherte Verbindung via VPN (Virtual Private Network) vom zentralen MQTT-Broker ab.
Neue Möglichkeiten durch eine technologische Verknüpfung
Durch die Verwendung von LoRaWAN in Smart Environmental IOT-Systemen eröffnet sich Städten und Gemeinden eine Vielzahl von Vorteilen. Zum Beispiel lassen sich Kosten und Ressourcen einsparen, indem Umweltbedingungen in Echtzeit überwacht und sofort entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Zur Bestimmung der aktuellen Wasserqualität war das Umweltamt Bielefeld bisher darauf angewiesen, mehrfach aus einem Boot Proben aus dem See zu entnehmen. Durch die installierte Sensorik in Kombination mit der Smart City Box können diese Werte jetzt zu jeder Tages- und Nachtzeit aufgenommen und ausgewertet werden.
„Aufgrund der Erfassung der Messwerte erhoffen wir uns deutlich weniger Aufwände bei der Kontrolle des Obersees. Hinzu kommt, dass wir schneller auf Ereignisse reagieren können, da wir die Messwerte viel genauer sowie kontinuierlich aufnehmen und in der IoT-Plattform abrufen können“, erklärt Marco Butzkies, Mitarbeiter im Umweltamt der Stadt Bielefeld. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Verknüpfung von klassischer Automatisierung und Anwendungen im IoT-Bereich dem Umweltamt Bielefeld neue Möglichkeiten eröffnet, um die Umweltbedingungen zu verbessern und gleichzeitig Zeit und Kosten zu reduzieren.