Autoverkehr 2025 Unfallrisiko wird durch Datenrisiko ausgetauscht

Mobilität der Zukunft: Die Vernetzung von Fahrzeugen, Infrastrukturen und Daten-Clouds soll Sicherheit, Nachhaltigkeit und Komfort im Verkehr deutlich verbessern.

Bild: BMWi/IKT für Elektromobilität II
03.02.2016

Die Revolution im Autoverkehr wird von der Informations- und Kommunikationstechnologie vorangetrieben. Zukunftsszenarien von IKT und Mobilität wurden in einer Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums analysiert.

Der Autoverkehr wird in den nächsten zehn Jahren eine Revolution erleben: Die heutige Mobilität, die sich seit den fünfziger Jahren kaum verändert hat, wird bis 2025 durch die Aufhebung der Grenzen zwischen Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur auf eine völlig neue Ebene gehoben. Unfälle werden der Vergangenheit angehören, Staus werden die Ausnahme sein. „Vernetzte automatisierte Fahrzeuge werden ihre Fahrmanöver koordinieren und den Verkehrsfluss optimieren“, sagte Andreas Festag von der Technischen Universität Dresden bei der Vorstellung der Studie Mobilität 2025: Koexistenz oder Konvergenz von IKT für Automotive. Sie wurde im Auftrag des Technologieprogramms IKT für Elektromobilität II des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) durchgeführt. Durch die Vernetzung wird die zunehmende Elektrifizierung der Antriebsstränge nicht mehr aufzuhalten sein, sagen die Experten. Einziges Risiko bleiben die Daten: „Das Unfallrisiko wird durch das Datenrisiko ausgetauscht“, so Festag. Statt Safety (Verkehrssicherheit) stehe künftig Security (Datensicherheit) im Vordergrund.

Die Revolution im Autoverkehr wird von der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) vorangetrieben. Die neue Kommunikationsinfrastruktur wird die traditionelle Verkehrsinfrastruktur umkrempeln und zum Teil sogar überflüssig machen. Wichtigster Punkt: Die Fahrzeuge der Zukunft verfügen über eine präzise Ortung und hochgenaue digitale Karten mit dynamischen Umfeldinformationen. Gleichzeitig wird die Vernetzung von Fahrzeugen, Infrastrukturen und Daten-Clouds Sicherheit, Nachhaltigkeit und Komfort im Verkehr deutlich verbessern. „Die Innovationskraft der IKT wird die Automobilhersteller mit der Kommunikationsindustrie zusammenführen, wenn nicht sogar verschmelzen lassen“, sagte Patrick Ester, Projektleiter Elektromobilität beim Technologieverband VDE.

Die Studie untersucht zwei Szenarien der künftigen Entwicklung: Koexistenz oder Konvergenz von IKT für Automotive. „Lange Zeit haben die großen Autohersteller die rasanten Fortschritte im IKT-Bereich vom scheinbar sicheren Sitz ihrer proprietären Systeme verfolgt“, sagte Festag. Doch seit kurzem scheinen sich die großen Hersteller aus der Auto- und der Internet-/IT-Welt zu verbünden, um gemeinsam die unvermeidliche Umwälzung voranzutreiben. „Informations- und Kommunikationstechnologien werden die Leistungsfähigkeit und die Effizienz der Verkehrssysteme nachhaltig verbessern“, schreiben die Autoren der Studie. Die hochgradige Vernetzung in intelligenten Verkehrssystemen (IVS) sei die Basis für eine Vielzahl von Anwendungen im Bereich Sicherheit, Nachhaltigkeit und Komfort. Dabei werden IKT selbst zum Innovationstreiber in IVS: Sie unterstützen die Automatisierung des Verkehrs und erlauben neuartige datengetriebene Dienste und Geschäftsmodelle.

Die Beziehung zwischen Automobilindustrie und IT-Branche sei nach wie vor ein Kooperationswettbewerb (Coopetition), so die Studie. In Kooperationen werden Produkte und Dienstleistungen aus der IT-Branche ins Fahrzeug integriert, um den Kundennutzen zu erhöhen, andererseits seien beide Branchen Konkurrenten um den Zugang zum Endkunden für Mehrwertdienste und die Bindung an das eigene Unternehmen. Deshalb entwickeln die meisten Automobilhersteller weiterhin proprietäre IT-Systeme für ihre Fahrzeuge, zu denen den großen IT-Unternehmen der Zugang verwehrt werde. Für Konnektivitäts- und automatisierte Fahrfunktionen dominieren dabei klassische produktbasierte Erlösmodelle. Die notwendige Hard- und Software wird als aufpreispflichtige Sonderausstattung verkauft. Dieser Kooperationswettwerb wird in den nächsten zehn Jahren durch echte Kooperationen mit einer umfassenden Öffnung gegenüber der andere Seite (Cooperation) ersetzt. Aus den Automobilherstellern werden dabei integrierte IT-/Auto-Technologiekonzerne, entweder durch den notwendigen Aufbau neuer eigener Kompetenzen oder durch branchenübergreifende Fusionen und Übernahmen (Consolidation), so das Konvergenz-Szenario der Studie.

Für Konnektivitäts- und automatisierte Fahrfunktionen werden sich neue dienstleistungsbasierte Erlösmodelle aus der IT- und Kommunikationswelt durchsetzen. Gegen Entgelt (Abo oder Nutzungsgebühr) kann der Fahrer Softwareupdates und neue Fahrzeugfunktionen freischalten. Die verschiedenen Verkehrsträger und –anbieter werden durch multi- und intermodale Plattformen verbunden. „Mobility as a Service“ wird zum Massenphänomen, auch außerhalb der großen urbanen Zentren. Der Fahrer der Zukunft wechselt seinen Verkehrsmodus in Relation zu Zeit und Kosten – zum Beispiel vom Fahrrad zur Bahn und dann zum Elektroauto.

Bei der Fahrzeugkommunikation steht der Informationsaustausch zwischen technischen Systemen untereinander (Internet der Dinge) im Vordergrund. Die Fahrzeuge kommunizieren mit Infrastrukturelementen wie Ampeln oder Verkehrserfassungssystemen, aber auch untereinander. „2025 wird fast jedes neu zugelassene Fahrzeug mit anderen Fahrzeugen und der Verkehrsinfrastruktur kommunizieren können“, so Festag. Damit würden auch vollumfänglich autonome fahrerlose Systeme im normalen Straßenverkehr in greifbare Nähe rücken. Um den Hemmschuh des Mischverkehrs aus Fahrzeugen mit sehr unterschiedlicher „Intelligenz“, das heißt sehr unterschiedlichen Graden an Vernetzung und Automatisierung, zu beseitigen, sei es sogar denkbar, dass Fahrzeugen ohne Fähigkeit zur Car-to-X (Car-to-Car und Car-to-Infrastructure) Kommunikation die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr künftig verwehrt würde.

WLAN, Mobilfunk und Digitalradio sind die wichtigsten Kommunikationstechnologien, die für eine breite Vernetzung der Fahrzeuge eingesetzt werden können, so die Studie. Im Koexistenz-Szenario existieren diese Technologien in parallelen Strukturen und spielen ihre anwendungsspezifischen Vorteile aus. Im Konvergenz-Szenario ermöglicht der Mobilfunk der nächsten, fünften Generation (5G), dass die Technologien zu hochgradig integrierten Netzen konvergieren. 5G Mobilfunknetze werden wesentlich leistungsfähiger in Latenz, Datenrate und Zuverlässigkeit sein und somit existierende Technologien substituieren.

Die Studie wurde von der Technischen Universität Dresden (Vodafone Stiftungslehrstuhl Mobile Nachrichtensysteme, Andreas Festag), dem IVM Institut für Vernetzte Mobilität (Marco Rehme) und dem IfAK Institut für Automation und Kommunikation Magdeburg bearbeitet. Die Studie wurde inhaltlich durch einen Beirat namhafter deutscher Industrieunternehmen (bestehend aus BMW, Continental, Deutsche Telekom, DLR, Innoman, Siemens, Toyota, VDE, Vodafone und Volkswagen) begleitet.

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