In Indien haben über 500 Millionen Menschen keinen oder einen erschwerten Zugang zu Trinkwasser. Die Regierung möchte bis 2024 eine flächendeckende Wasserversorgung realisieren. Dazu wurden 100 Städte zu „Smart Cities“ ernannt, in denen Methoden für eine effektive Trinkwasserversorgung erprobt werden sollen. Mit mehr als einer Million Einwohnern hat sich Solapur zu einem pulsierenden Industriezentrum im westindischen Bundesstaat Maharashtra entwickelt. Prognosen gehen von einer Verdoppelung der Bevölkerung bis 2041 aus. Als eine der 100 Smart Cities Indiens hat Solapur die Chance, beispielhafte Lösungen zu realisieren und die Weichen für eine nachhaltige Stadtentwicklung zu stellen.
Ziel des Projekts war es, die Wasseraufbereitung des größten Wasserwerkes der Stadt digital zu überwachen. Diese Online-Überwachung des Trinkwassers ist für Solapur von großer Bedeutung, denn der Ujani Stausee, die wichtigste Wasserressource für die Stadt, liegt über 100 Kilometer entfernt. Die Wasserqualität wird stark durch Einleitungen aus Siedlungen unter- und oberhalb des Stausees beeinträchtigt.
Analyse mit smarter Technik
Die gesammelten Daten werden zur Identifizierung weiterer Maßnahmen zur Verbesserung der Trinkwasserversorgung genutzt. Die technische Realisierung des Projekts erfolgte durch die Jumo-Engineering-Abteilung in Fulda. Die Bauleitung vor Ort übernahm die indische Jumo-Tochtergesellschaft. Neben digitalen Jumo-Sensoren zur Trinkwasseranalyse kamen auch die neue Jumo-Cloud und das neue Jumo-Automatisierungssystem Jumo variTRON 300 zum Einsatz.
Gemessen werden wichtige Trinkwasserparameter wie Durchfluss, Leitfähigkeit, Säuregehalt und Trübung. Zum Einsatz kommen hier digitale Sensoren aus der Jumo-digiLine-Familie. Bei Jumo digiLine handelt es sich um ein busfähiges Anschlusssystem für digitale Sensoren, das den Aufbau intelligenter Sensornetzwerke ermöglicht. Alle wichtigen Messparameter der Flüssigkeitsanalyse können so mit nur einem System gemessen werden. Lediglich eine einzige digitale Signalleitung geht dann noch zu einer Auswerteeinheit oder Steuerung. Dies erlaubt eine effizientere und schnellere Verkabelung von Anlagen, in denen mehrere Parameter gleichzeitig an verschiedensten Stellen gemessen werden müssen.
Mit der zum System gehörenden DSM-Software (Digital Sensor Management) kann die notwendige Parametrierung und die Kalibrierung von pH- oder Redox-Sonden bequem im Labor mithilfe eines PCs oder Laptops, einem USB-Schnittstellenwandler und der Jumo digiLine Software durchgeführt werden. Kalibrierdaten und die Bewertung des Sensorzustandes sind direkt im Sensor gespeichert und ermöglichen eine lückenlose Dokumentation über den gesamten Lebenszyklus.
Daten im Blick
Zur Auswertung und Weiterverarbeitung der Daten kommt das Jumo variTRON 300 Automatisierungssystem zum Einsatz. Mit diesem System steht Anwendern eine smarte Lösung für einfache Automatisierungs-Applikationen zur Verfügung. Das Gerät basiert auf der Jumo JUPITER Plattform und nutzt zahlreiche Features dieses hochwertigen Embedded-Systems.
Basis des Jumo variTRON 300 ist eine leistungsstarke CPU mit einem 800 MHz Single-Core-Prozessor. Die Software ist auf einer Linux-Plattform modular aufgebaut und nutzt die CODESYS V3.5 Programmierumgebung SP16. Eine weitere Besonderheit ist ein kundenspezifischer Konfigurations- und Prozess-Dateneditor. Individuelle Applikationen können außerdem mit der modernen Programmierumgebung Node-RED erstellt werden.
Als Verbindungsmöglichkeiten verfügt die Zentraleinheit über 1 USB-Host, 2 Ethernet-Schnittstellen und 1 RS485-Anschluss. Über ein Funk-Gateway können bis zu 32 drahtlose Jumo Wtrans-Sensoren, beispielsweise zur Messung von Temperatur oder Druck, angeschlossen werden. Alle Daten werden in der Jumo-Cloud gesammelt und ausgewertet. Das Fraunhofer IGB nimmt vierteljährlich eine detaillierte Auswertung der Daten vor und erstellt entsprechende Handlungsempfehlungen.
IoT- und Cloud-Anbindung
Als IoT-Plattform zur Prozessvisualisierung, Datenerfassung, -auswertung sowie -archivierung ermöglicht die Jumo Cloud den weltweiten Zugriff auf Messdaten über die gängigen Webbrowser. Sie zeichnet sich durch hohe Sicherheit und wertvolle Visualisierungs-, Alarm- und Planungsfunktionen aus. Kunden können mit Hilfe der Jumo Cloud mehrere verteilte Anlagen, Prozesse oder Standorte in einem Dashboard überwachen und so die Prozesssicherheit erhöhen. Die Möglichkeiten der Jumo Cloud reichen von einfachen Alarmmeldungen über ein Condition-Monitoring bis hin zu kompletten Anlagensteuerungen.
Ein weiteres wichtiges Ziel des Projekts ist laut Matthias Kremer, Leiter Jumo-Branchenmanagement das so genannte „Capacity Building“: „Die reine Technik ist nur die eine Seite der Medaille. Wir schulen die Betreiber vor Ort so weit, dass sie die Wasserwerte selbst überwachen und die Messtechnik warten und bedienen können. Denn erst dann ist das Projekt wirklich nachhaltig“.
Matthias Kremer betont darüber hinaus den Modellcharakter des Projekts: „Das Komplettsystem, das wir hier entwickelt haben, kann auf weitere Städte und Regionen in Indien und prinzipiell weltweit übertragen werden. Darüber hinaus stellt es Jumo Technik und unsere Cloud als effiziente Systemlösung für die Wasserbranche perfekt dar.“
Die am Projekt beteiligten Partner haben sich im Rahmen des Indien-Netzwerkes des German Water Partnership e.V. (GMP) kennengelernt und schnell zusammengefunden. Im GWP e.V. sind rund 350 Fachfirmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus dem Wasser- und Abwasserfach zusammengeschlossen. Ziel ist die Lösung der weltweiten Wasser-/Abwasserprobleme mit deutscher/europäischer Fachexpertise.