Schmelzkleber gehört zu den Lieblingsprodukten von Ulrich Nanz. Es gibt ihn in Pastillenform. Die wichtigsten Rohstoffe, Harz und Wachs, hat der Klebstoff-Hersteller entweder selbst produziert oder zugekauft – und zwar in der Regel ebenfalls als Pastillen. Und nicht selten war bei der Harz-, Wachs- und Schmelzkleber-Produktion eines der Rotoform-Systeme von Sandvik Process Systems im Einsatz. Am Ende waren drei der bis zu 40 Meter langen Anlagen des Anlagenbauers im Einsatz: für eine Pastille, die in den Handel geht. Da kann man es Vertriebsleiter Nanz nicht verdenken, dass er leise in sich hineingrinst und sich die Hände reibt.
Schmelzkleber ist ein gutes Beispiel für eine Art von Verkaufsförderung, wie man sie sich nur wünschen kann. Der Marktführer bietet ihn in Pastillen an, schafft damit Bedarf beim Endkunden – und den Marktbegleitern bleibt nicht viel anderes übrig, als ihren Klebstoff schließlich ebenfalls zu pastillieren, wenn er auf einem ähnlichen Preisniveau verkauft werden soll. Das von Sandvik vor über 30 Jahren patentierte Rotoform-Verfahren ist in solchen Fällen nicht immer sofort gesetzt. Für bestimmte Qualitäten und hohe Ansprüche kommen viele Anwender auf der Suche nach dem geeigneten Prozess aber dann doch nach Fellbach nahe Stuttgart, wo die Tochter des schwedischen Stahlkonzerns ihren Hauptsitz und das weltweit bedeutendste Produktionszentrum hat. Dort werden die zentralen Teile für den Rotoform hergestellt: im Wesentlichen eine ausgefeilte Kombination aus Düsenleiste und einem perforierten Rohr, durch welches das aufgeschmolzene Produkt tropfen kann. Zur Pastillieranlage vervollständigt mit Pumpe, Stahlbandkühler, Sensoren, Steuerung etc. werden die Rotoformsysteme nicht nur in Fellbach, sondern auch in regionalen Niederlassungen in Nordamerika und Asien. Ein weiteres Schlüsselelement ist das Stahlband; es kommt grundsätzlich vom schwedischen Mutterkonzern.
Erste Wahl ist das Verfahren, wenn eine sehr enge Korngrößenverteilung gefragt ist. Das Aufgabeteil des Systems, der eigentliche Rotoform, rotiert mit genau der Umfangsgeschwindigkeit, mit der sich das Stahlband unter ihm bewegt. Aus Sicht der tropfenden Schmelze ergibt das eine Relativgeschwindigkeit gleich null, also ein stehendes Blech. Auf dem bilden sich so höchst gleichmäßige Tropfen in relativ geringem Abstand. Im Raffineriebereich, wo Sandvik-Anlagen bereits Jahrzehnte zur Verfestigung des anfallenden Reststoffs Schwefel im Einsatz sind, kann das Verfahren damit locker überperformen. 95 Prozent der Pastillen – statt der für Premiumprodukte geforderten 75 Prozent – entstehen mit einem Durchmesser zwischen 2,4 und 4,4 mm. Ein weiterer Systemvorteil besteht in der indirekten Kühlung. Die Pastillen kommen nicht mit Wasser in Berührung, für viele Granulat-Hersteller ein entscheidendes Kriterien bei der Verfahrenswahl.
Pastillieren kann man mit den Sandvik-Anlagen alles, was in geschmolzener Form eine Viskosität zwischen Wasser und Honig hat. Neben Schwefel, Harz und Wachs gehört auch Schokolade dazu. Chocolate-Chips für den Cookie-Bäcker, Zäpfchen-Masse in Pharmaqualität, Additive für Autoreifen, Bitumen – drei Jahrzehnte Erfahrung für unterschiedlichste Produkte hat das Unternehmen gesammelt. Und im Fellbacher Productivity Center lernt es stetig dazu. Vor allem für den Marktsektor Düngemittel muss die richtige Rotoform-Ausführung für zahlreiche denkbare Dünger-Kombinationen noch gefunden werden. Ein deutlich wachsendes Marktsegment, das sich der Vertrieb unter Leitung von Nanz in den nächsten Jahren erarbeiten möchte.
Während Rotoform zur Pastillierung von Schwefel und anderen Chemikalien fast einen Gattungsbegriff darstellt, muss es sich im Segment Dünger erst noch durchsetzen. Nanz weiß: „Ein moderner Einkauf hat immer zwei Alternativen. Es freut uns, dass wir internationale und auch immerhin einen verbliebenen deutschen Wettbewerber haben.“ Nichts Besseres als einen schwachen Wettbewerber gebe es, meint der Vertriebsleiter und führt als Beweis 50 Pastillatoren an, die Kunden beim deutschen Wettbewerber orderten. Und die inzwischen durch Sandvik-Anlagen ersetzt wurden, weil sie entweder gar nicht oder mit ungenügender Leistung arbeiteten. Er erläutert, wie die höhere Effizienz bei den Rotoform-Anlagen entsteht: „Wir legen die Pastillen viel enger aufs Band. Das muss man aber können – liegen sie zu eng, laufen sie zusammen.“
Für schüsselnde und unterkühlende Produkte in die Trickkiste gegriffen
Etliche Tricks haben die Konstrukteure drauf. Das „Schüsseln“ von Produkten wird durch ein Temperaturprofil und durch Beheizung der Trommel im Aufgabebereich verhindert. Unterkühlenden Schmelzen, beispielsweise bestimmten Reifenadditiven, gibt man vor der Aufgabe auf den Rotoform Kristallisationskeime zu. Wer diese Vorphase nicht beherrscht, muss beim Versuch, Pastillen zu erzeugen, scheitern.
Den meisten Kunden sind die anlagentechnischen Details im Grunde egal. Sie kaufen keine Maschine, sondern eine Funktion: x Tonnen von Produkt y in einige Millimeter große Pastillen formen und weiterfördern, in ein Silo, einen Lkw oder Zug. Für die Funktionsgarantie und ein Service-Rundumpaket zahlen sie letztlich. Nanz weiß: „Wir sind die teuersten. Aber wenn mir einer sagt: Ich habe ein Angebot für die Hälfte, dann sage ich: Dann kauf dort.“ Bei ihm klingt das selbstbewusst, aber nicht überheblich. Den weltweiten Service, den Sandvik dem kleinen Familienbetrieb ebenso garantiert, wie global aktiven Öl-Konzernen, können die oft chinesischen Mitbewerber selten leisten. Und mit der Maschinen-Performance halten die wenigsten Konkurrenzprodukte mit. Im 72-stündigen Probelauf müssen Leistung, Qualität, Energie- und Wasserverbrauch stimmen – erst dann sieht Sandvik den Auftrag als erfüllt an.
So werden viele Kunden zu Wiederholungstätern. Allerdings oft erst, wenn sie expandieren und weitere Anlagen brauchen. Denn Rotoform-Anlagen leben lang. Die ersten laufen seit 1984 und sehen nur alle zehn Jahre einmal ein neues Stahlband. Der Rotoform der ersten Generation arbeitet immer noch. Inzwischen gibt es bereits den Rotoform 4G, die vierte Generation also, auch wenn Nanz einschränkt: „Eigentlich sind es immer nur evolutionäre Verbesserungen. Das Verfahren bleibt ja grundsätzlich gleich.“
Evolutionäre Entwicklung zugunsten der Verfügbarkeit
Das Augenmerk bei der Weiterentwicklung zum 4G-Modell lag auf der Erleichterung der Instandhaltung und Verbesserung der Zuverlässigkeit und damit der Verfügbarkeit. Ein wichtiges, für viele Anwender sogar das wichtigste Kriterium. Verlässlichkeit ist bei der Verfestigung des Flüssigschwefels in der Raffinerie gefragt, denn Flüssiglagerung ist dort nicht vorgesehen. Sandvik garantiert dort einen Onstream-Faktor von 96 Prozent. Die Qualität des Produkts, das dort eher Abfall ist, interessiert nur, weil zu viel Staub die Explosionsgefahr erhöht. Anders liegen die Prioritäten in der Chemie oder Düngemittelindustrie. Dort verdient man sein Geld mit dem pastillierten Produkt. Entsprechend hoch sind die Qualitätsanforderungen.
Das 4G-Modell verfügt über eine neue Materialpaarung für Lager und Gleitringdichtung, die den Rotoform besser abdichtet. Bei einem europäischen Harz-Hersteller haben sich damit die Standzeiten von zwei Wochen auf zwei Monate erhöht. Ebenfalls verbessert wurde der sogenannte Einweiser mit einer Dichtungslippe, die überschüssiges Produkt am Außenrohr wieder durch die Düsenlöcher nach innen drückt. Eine Feder presste sie an; über sie wurde der Einweiser bei fortschreitender Abnutzung nachgefahren. Die Sandvik-Konstrukteure wechselten nun auf zwei kleine Pneumatik-Zylinder. Die bessere Einstellmöglichkeit erhöht besonders bei den zwei Meter breiten Anlagen die Pastillenqualität.
Außerdem bedeutet 4G auch eine Erleichterung für das Wartungsteam. Denn das aktuelle Modell fährt auf Knopfdruck automatisch in die Service-Position. Früher musste das manuell gemacht werden. Einen positiven Effekt auf die Produktqualität hat die Option, anstelle einer Kette einen Zahnriemenantrieb zu nutzen. Diese ölfreie Variante wird besonders gerne für Pastillen genutzt, die im GMP-Umfeld verwendet werden sollen. Nanz erläutert: „Bei nahezu allen Optimierungen stand der Gedanke im Mittelpunkt: Nicht mehr Kilogramm in der Stunde, aber mehr Stunden pro Jahr.“ Anders lag der Fokus bei der Entwicklung des zweiten Modells Rotoform Highspeed, eine Ausführung für Produkte mit sehr kurzer Kühlzeit. Schwefel etwa benötigt nur acht Sekunden, um sich zu verfestigen. Die beim Massenprodukt grundsätzlich immer angestrebte Kapazitätserhöhung durch schnelleres Fahren der Anlage war aber nicht möglich. Fliehkräfte verspritzen es ab einer bestimmten Geschwindigkeit. Also arbeitet die Highspeed-Variante mit einem deutlich größeren Durchmesser. Und pastilliert Schwefel und ähnlich beschaffene Produkte mit der doppelten Geschwindigkeit.
Ob 4G-Grundmodell, Highspeed oder eine der vielen, inzwischen entwickelten Varianten aus der Rotoform-Familie für GMP-Anforderungen, abrasive Produkte oder für den Food-Sektor – Sandvik hat für nahezu alle Anwendungen, die ein rieselfähiges, frei fließendes und trockenes Granulat zum Ziel haben, eine Lösung. Selbst, wenn der Rotoform an seine Grenzen stößt. Anfang 2014 hat das Unternehmen einen kanadischen Anbieter von Trommelgranulationsanlagen übernommen. Nanz erläutert: „Kapazitäten bis zu 3.000 Tonnen pro Tag können wir mit mehreren, parallel fahrenden Rotoform-Anlagen abdecken. Für größere Leistungen bieten wir nun die Trommelgranulation an.“ Systeme für die Verpackung und Verladung ergänzen das Angebot, das dann zu einer Komplettanlage wird. Eine Firma, die die Garantie für die gesamte Kette vom Aufschmelzen über das Pastillieren bis zur Verladung übernimmt – da können nur wenige Wettbewerber mithalten.