In die Zukunft schauen die Unternehmen der Prozessautomatisierung schon recht lange. Sowohl 2006 als auch 2009 wurden vielbeachtete Roadmaps zum Thema Prozesssensoren präsentiert. Diese thematisieren etwa die nicht invasive Sensorik, wie sie in der Warenlogistik zum Einsatz kommt, den Trend zu Bioprozessen und den wachsenden Bedarf an Einwegsensoren, die nicht nachjustiert werden können.
Anlässlich der Namur-Hauptsitzung im November erschien nun die grundlegend aktualisierte und überarbeitete Technologie-Roadmap „Prozess-Sensoren 4.0“, initiiert von Namur und VDI/GMA, entstanden unter Mitwirkung der Unternehmen ABB, BASF, BTS, Bilfinger Maintenance, Endress+Hauser, Evonik, Festo, Krohne, Lanxess, Siemens, des Fraunhofer ICT, der HS Reutlingen und der BAM. Dr. Michael Maiwald, Bereichsleiter der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, machte deutlich, dass die neuen Thesen als Ergänzung zur bisherigen Roadmap 2015+ verstanden werden müssen und dass diese weiterhin Gültigkeit haben.
Wichtige smarte Eigenschaften sind demnach Konnektivität und Kommunikationsfähigkeit auf der Basis eines einheitlichen Protokolls, Instandhaltungs- und Betriebsfunktionen, wie sie etwa die Predictive-Maintenance-Methoden vorsehen, Traceability und Compliance sowie eine virtuelle Beschreibung zur Unterstützung eines durchgängigen Engineering und die Interaktionsfähigkeit der Sensoren. Vieles von dem ist bereits in Modellen wie dem Dima-Konzept und der dezentralen Automation verankert und über vieles davon wurde auch im Rahmen der aktuellen Namur-Hauptsitzung diskutiert, etwa im Zusammenhang mit smarter Sensorik, die der diesjährige Hauptsponsor Krohne präsentierte.
Das „4.0“ erinnert nicht von ungefähr an das Schlagwort der Industrie 4.0. Es geht in den Thesen tatsächlich vor allem um die Veränderungen im Umfeld der ITK-Technik und deren Auswirkungen auf Prozessführung und Wertschöpfung der „alten“ Industrien. Dabei soll es in Zukunft nicht mehr nur um die Erfassung von physikalischen und chemischen Messwerten und um die Prozesse an sich gehen, sondern auch um deren Verarbeitung und Auswertung. Sensoren werden dabei sehr umfassend verstanden und reichen vom einfachen Temperatursensor bis hin zu Messsystemen, die heute noch Zukunftsmusik sind
Industrie 4.0 als überlagerndes Konzept
Die Roadmap dient nach den Worten von Dr. Michael Maiwald, der anlässlich der diesjährigen Namur-Hauptsitzung ein Panel zum Thema moderierte, unter anderem dazu, Entwicklungsziele für neue Sensoren zu erarbeiten, wie sie in einer miteinander kommunizierenden Industriewelt vorkommen. Industrie 4.0 solle die Nutzung komplexer Sensorik in ähnlicher Weise vereinfachen, wie dies bereits im Privatbereich funktioniert, quasi nach dem Plug-&-Play-Prinzip, machte Maiwald deutlich. Dort seien cyber-physische Systeme bereits Realität und so werde es über kurz oder lang auch in der Industrie kommen, selbst wenn sich dort viele Entwicklungen aufgrund der langen Nutzungszyklen langsamer durchsetzen.
Cloud-Dienste könnten hierfür ein sinnvoller Ansatz sein, um die entsprechende Technik jederzeit verfügbar zu machen. Gerade das, was unter dem Schlagwort Big Data gehandelt werde, sei ein gute Möglichkeit zur Effizienzsteigerung, etwa wenn es darum gehe, aufgrund von regelbasierten Ansätzen für Nachschub oder Ersatz bei Bauteilen zu sorgen. Neben der Zuverlässigkeit der technischen Anlagen könnten mithilfe der datengetriebenen Analysen die Prozesse geplant und optimiert werden. Mehrere der Referenten sprachen sich dabei für ein Open-Source-Betreibssystem für Feldgeräte aus, das Synergien für die Anwender schaffen könnte, weil es herstellerunabhängig und beliebig erweiterbar wäre. Auch die bereits in der Vergangenheit skizzierte Idee eines App-Stores für die Steuerung von Industrieanlagen wurde bei dieser Gelegenheit wieder aufgegriffen.
Heiß diskutiert wurde im Verlauf des Workshops, welche Rolle die IT als Meta-Branche für die übrigen Industriesektoren spielen wird. Sicher ist, dass es kaum noch Projekte im Bereich Industrieanlagen gibt, die ohne das Know-how aus dem IT-Umfeld auskommen und dass die altbekannte Automatisierungspyramide an einigen Stellen einem Umbruch unterworfen ist. Wandeln dürften sich somit auch die Workflows und Geschäftsmodelle der Gerätehersteller, Anlagenanwender und Dienstleister.
Die Technologie-Roadmap „Prozesssensoren 4.0“ steht unter http://tinyurl.com/p428828 zum Download im PDF-Format zur Verfügung.