1 Bewertungen

Stimmungsbarometer Was bedeutet der European Green Deal für die Prozessindustrie?

Der European Green Deal sieht vor, bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr auszustoßen. Viele Prozessunternehmen wissen aber nicht, was genau das für sie bedeutet.

Bild: iStock, SimonSkafar
06.08.2021

Der europäische Green Deal kann als Gamechanger für die Prozessindustrie angesehen werden. Tatsächlich wissen aber die wenigsten Unternehmen über seine Inhalte und Auswirkungen Bescheid. Das zeigt eine Befragung unter Experten der Chemie-, Pharma-, Öl- und Gasbranche.

Die Management- und Technologieberatung BearingPoint hat eine Umfrage unter Unternehmen der Prozessindustrie durchgeführt. Eine zentrale Erkenntnis: Die Mehrheit der Befragten sieht im Green Deal der Europäischen Union Chancen für die eigene Wettbewerbsfähigkeit.

Allerdings kennt nur ein Drittel überhaupt die Ziele des Green Deal. Dem Großteil sind Inhalte und Auswirkungen nur teilweise oder sogar gar nicht bekannt. So gaben 48 Prozent der Teilnehmer eine teilweise Kenntnis über die Inhalte an, ganze 20 Prozent tappen aber vollständig im Dunkeln.

Chancen und Risiken durch Green Deal

Von den befragten Unternehmen, die die Inhalte des Green Deal kennen, beurteilen 40 Prozent die Umsetzung seiner Ziele als Chance für ihre zukünftige Wettbewerbsfähigkeit, beispielsweise durch die Definition neuer oder angepasster Geschäftsmodelle. Gleichzeitig sehen 35 Prozent sowohl eine Chance als auch ein Risiko in der Umsetzung der Vorgaben. 22 Prozent sehen ausschließlich ein Risiko.

Jens Raschke, globaler Leiter Chemicals, Life Sciences & Resources bei BearingPoint, sagt: „Die Unternehmen sind mit Blick auf den Green Deal der EU gut beraten, jetzt die Chancen für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit zu identifizieren, geeignete Maßnahmen zu definieren und zu realisieren sowie Risiken zu minimieren. Eine umfangreiche Beurteilung des Green Deal inklusive Szenarioanalyse liefert hierbei einen wichtigen Grundstein.“

Gerade hinsichtlich CO2-Neutralität oder -Reduzierung empfehle es sich, diese Aspekte möglichst frühzeitig mit in die eigene Unternehmensstrategie aufzunehmen. So lassen sich laut Raschke „nachhaltig die Ziele zur CO2-Neutralität und die damit verbundene zukünftige Wettbewerbsfähigkeit stärken.“

CO2-Neutralität bislang selten Teil der Unternehmensstrategie

Für 80 Prozent der befragten Firmen ist die CO2-Neutralität ein wesentlicher Aspekt, der in der eigenen Unternehmensstrategie berücksichtigt werden sollte. Im Durchschnitt haben aber nur 38 Prozent diese bereits in ihrer Strategie verankert.

Die restlichen 42 Prozent planen, dies zukünftig zu tun, jedoch in unterschiedlicher Ausprägung: entweder mit Fokus auf CO2-Neutralität oder CO2-Reduzierung. Trotz der bisher relativ geringen Verankerung der CO2-Neutralität geben 60 Prozent der Teilnehmer an, dass das Thema sie zumindest in ihren strategischen und operativen Entscheidungsprozessen beeinflusst.

36 Prozent hingegen haben sich (noch) gar nicht mit dem Thema CO2-Neutralität auseinandergesetzt oder sehen keinen relevanten Handlungsbedarf. In 28 Prozent der Unternehmen, insbesondere in den Branchen Chemie und Pharma, wird das Thema bereits angegangen. Sechs Prozent finden, der zu hohe Aufwand in der Umsetzung der CO2-Neutralität rechtfertige den bisher zu erwartenden Ertrag nicht.

Bereiche mit dem größten CO2-Einsparpotenzial

Die Befragten bewerten die Produktion mit 54 Prozent als einen der vielversprechendsten Bereiche, um die größten Effekte in Sachen CO2-Neutralität zu erzielen. Als zweitstärkster Bereich wird die Logistik mit 25 Prozent genannt. Aber auch bei Einkauf und Beschaffung, Forschung und Entwicklung sowie der Unternehmensinfrastruktur werden Effekte erwartet.

Aktives Managen über CO2-Zertifikate sehen dabei nur 22 Prozent der befragten Unternehmen als geeignete Maßnahme an. Knapp die Hälfte setzt aktuell CO2-Zertifikate zur Kompensierung ihres jetzigen CO2-Haushalts ein, und über ein Drittel hat bisher keine CO2-Zertifikate gekauft (oder geschenkt bekommen). Laut Umfrage sieht die große Mehrheit der befragten Unternehmen (75 Prozent) in CO2-Zertifikaten auch nur eine kurzfristige Lösung auf dem Weg zur eigenen Klimaneutralität.

Großer Investitionsbedarf in den nächsten Jahren

75 Prozent der Befragten sehen zur Erreichung von CO2-Neutralität einen erhöhten Investitionsbedarf in den kommenden Jahren. Von diesen drei Vierteln werden wiederum überwiegend (49 Prozent) Investitionsbedarfe zwischen sechs und neun Prozent des eigenen Unternehmensumsatzes angegeben.

Grundsätzlich sehen größere und mittlere Unternehmen eine höhere Notwendigkeit, in CO2-Neutralität zu investieren, als kleinere Unternehmen. Eine Mehrheit von 69 Prozent hält eine teilweise Weitergabe der Investitionskosten zur Erreichung der CO2-Neutralität an die Kunden für möglich.

Raschke: „Ein Viertel aller von uns befragten Unternehmen schätzen ihre eigene Relevanz innerhalb des CO2-Ökosystems aktuell als gering ein. Für die langfristige Sicherung der eigenen zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit sollte diese Einschätzung aber aus unserer Sicht dringend geprüft werden. Denn gerade von der Chemie-, Pharma-, Öl- und Gasindustrie erwarten Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zur Umsetzung der CO2-Neutralität tiefgreifende Veränderungen bestehender Prozesse und Geschäftsmodelle.“

Über die Umfrage

Für sein Stimmungsbarometer hat BearingPoint im Juni 2021 eine Online-Befragung unter 152 Experten aus der deutschen Chemie-, Pharma-, Öl- und Gasindustrie durchgeführt. Das vollständige Barometer steht hier zum Download bereit.

Bildergalerie

  • Infografik zum Stimmungsbarometer in der Prozessindustrie

    Infografik zum Stimmungsbarometer in der Prozessindustrie

    Bild: BearingPoint

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel