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Round Table CrossBoard diskutiert Zukunftsperspektiven Was trägt Strom- und Energiemanagement zur Nachhaltigkeit bei?

Im Round Table ging es um Neuerungen in der Branche und um die Weiterentwicklung des Energieverteilungssystems CrossBoard.

Bild: Wöhner
02.11.2021

Das Berliner E-Werk war Schauplatz einer interessanten Runde von vier Unternehmen, die sich regelmäßig treffen. In diesem Round Table ging es um wichtige Neuerungen in der Branche und um die Weiterentwicklung des CrossBoard, dem innovativen „Out-of-the-Box“-Energieverteilungssystem von Wöhner. Das als Quasi-Industriestandard ausgelegte Basissystem CrossBoard ist ein ab Werk fertig konfektioniertes Produkt für werkzeuglose Montage mit umfänglichem Berührungsschutz. Es ist als modulare Energieverteilungsplattform mit offener Schnittstelle konzipiert, auf der Partner eigene Produkte entwickeln können. Durch die Digitalisierung und den Fokus auf Nachhaltigkeit müssen auch für das CrossBoard neue Wege gegangen werden, über die sich die Teilnehmer des Round Tables intensiv austauschten.

Die Digitalisierung fordert die gesamte Industrie – wie reagieren die einzelnen Firmen? Welche Konzepte existieren für die digitale Transformation?

Jörg Kreiling, Rittal:

Im Energie-Bereich ist trotz wachsender Komplexität Tempo bei der digitalen Transformation gefragt. Das ist gerade für mittelständische Unternehmen mit kleineren Ressourcen eine Herausforderung. Der Schlüssel liegt in der Standardisierung von Systemkomponenten und Wertschöpfungsprozessen. Mit durchgängigen digitalen Prozessen und lückenlosen Daten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg entstehen schnell die benötigten Lösungen mit klar definierter Sicherheit. Hinzu kommt für uns, die eigene digitalisierte Fertigung im Sinne des Industrie 4.0-Konzepts voranzubringen und damit noch effizienter und flexibler zu agieren.

Dr. Andreas Schreiber, Phoenix Contact:

Für den Schaltschrankbau ist die Digitalisierung entlang der gesamten Prozesskette von hoher Bedeutung für Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Eine wichtige Voraussetzung sind vollständige und hochwertige Produktdaten, die erzeugt und bereitgestellt werden müssen. Und zwar genau dort, wo Schaltschrankbauer sie erwarten, also in den entsprechenden CAE-Systemen und zugehörigen Datenportalen. Das Ziel ist, durch Übernahme und Nutzung dieser Daten einen echten Mehrwert zu erzeugen; die Digitalisierung ist kein Selbstzweck, es geht um mehr Effizienz im Engineering und in der Produktion. Der Klassifikationsstandard ECLASS spielt hier eine wichtige Rolle und muss mit allen Beteiligten stetig weiterentwickelt werden, um die Anforderungen der Engineering- und Produktionsprozesse optimal erfüllen zu können.

Thema Datenaufbereitung und Computer-basierte Planung als Basis für künftige Projektierungen: Wie gehen Sie mit den Projektierungs- und Prozessdaten um?

Jörg Kreiling, Rittal:

Was hier zählt, ist die Qualität der Daten ab Start und im gesamten Prozess. Damit am Ende Qualitätsprodukte mit digitalem Zwilling für den Betrieb entstehen, braucht es durchgängige Daten schon in der Planung unserer Kunden, lückenlose Übergänge an digitale Tools zum Einspielen in die Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette und intelligente Systemprodukte. Wir arbeiten mit eigenen Konfiguratoren, die Kunden können ihre Produkte anpassen und per Webshop mit Budgetangeboten versehen. Dabei braucht es einen hohen Automations-Grad, um insgesamt schneller agieren zu können und den digitalen Zwilling durch den ganzen Prozess laufen zu lassen.

Frank Wolle, Eaton:

Heute muss man mehr bieten als erweiterte Auswahl-Tools. Es geht darum, ein „System im Baukasten“ zu realisieren – auch mit dem CrossBoard von Wöhner. Die Daten müssen so aufbereitet an den Kunden übermittelt werden, dass dieser die nächsten Schritte gehen kann. Dank der entsprechenden „Symbiose“ mit Phoenix Contact und Rittal kann sich der Kunde im Schaltschrank ein System „vom Start weg“ gezielt aufbauen.

„Vom Start weg“ bedeutet, dass alles mit dem Schaltschrank beginnt, also der Konfigurierung eines solchen Schranks. Was bietet Wöhner hier?

Peter Spiel, Wöhner:

Bei der Digitalisierung ist die genaue Kenntnis der Applikation, der Anwendung und auch der Wertschöpfung entscheidend. Welche Daten brauchen wir? Wenn zum Beispiel der Phasenwinkel entscheidend für eine bevorstehende Wartung ist, dann werden Wöhner-Produkte digitalisiert, um Strom und Spannung zu messen. Es stellt sich aber die Frage: Schicken wir Strom in Echtzeit auf das Bus-System an die SPS und generieren damit große Datenmengen? Oder implementieren wir eine „dezentrale Intelligenz“ und messen Strom und Spannung, berechnen den Phasenwinkel und triggern nur noch auf den Schwellenwert? Das wäre eine Digitalisierung, die einerseits die Prozesse optimiert, andererseits im Rahmen von Big Data auch die Datenqualität optimiert und nutzlose Informationen aussortiert. Nicht zuletzt im Rahmen des Round Table können wir ein Verständnis der Anwendungsbereiche aufbauen – vom Schaltschrank über den Motor- bis hin zum Maschinenbau.

Wie lässt sich ein Portfolio in dieser Hinsicht marktgerecht abstimmen?

Frank Wolle, Eaton:

Es stellt sich die Frage: Auf welchem Level bewegen wir uns? Haben wir im Gerät eine Intelligenz, die bereits die ersten Analyseschritte von sich aus unternimmt? Oder gehen die Daten an eine übergeordnete Steuerungsstelle? Es braucht individuelle Lösungen unter Berücksichtigung des Kunden-Mehrwerts. Das geht am besten, wenn man den Ansatz des IoT wirklich versteht. Dann kann man auch erkennen, wo der Schuh beim Kunden besonders drückt. Die generelle Herausforderung ist nicht das Bereitstellen von Daten, sondern das Wissen, was genau diesen Mehrwert bringt. Dazu leistet der Round Table einen wertvollen Beitrag.

Dr. Andreas Schreiber, Phoenix Contact:

Wichtig ist: Die Produkte müssen kommunikativ sein. Der Kunde braucht die Daten in seinen Systemen, auf seinen Cloud-Plattformen. Es geht also darum, entsprechende Schnittstellen einzurichten. Diese Schnittstellen sind Aufgabe der Komponentenhersteller, wobei die Integration selbst auch einen interessanten Mehrwert für Systemintegratoren bietet.

Das Thema Nachhaltigkeit – hier im Hinblick auf Anlagen und Produkte – treibt uns alle um. Wie steht es damit?

Peter Spiel, Wöhner:

Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind unter bestimmten Bedingungen direkt miteinander verbunden. Erst durch gezielte Digitalisierung ist Nachhaltigkeit möglich. Die Prozesse müssen dazu nur entsprechend ausgerichtet sein. Wir leisten unseren Beitrag, indem wir das CrossBoard mit seinen Funktionalitäten digitalisieren sowie Ströme, Spannungen und Temperaturen messen – also die Parameter erfassen, die gebraucht werden. Eine richtig gemachte Digitalisierung kann viele Möglichkeiten in puncto Nachhaltigkeit erschließen. Unsere Ziele sind klar: Noch vor unserem hundertjährigen Firmenbestehen 2029 wollen wir klimapositiv sein, jegliche Ressourcenverschwendung vermeiden und zum Beispiel Biokunststoffe verwenden. Wir nutzen nur noch Ökostrom und wollen bei den Produkten künftig rund zehn Prozent Energie einsparen. Das alles sind unsere selbstgesteckten Ziele, wir handeln hier ausschließlich aus eigenem Antrieb.

Dr. Andreas Schreiber, Phoenix Contact:

Ein wesentliches Ziel von uns ist es, Wegbereiter für das Zukunftsbild der „All Electric Society“ zu sein: Eine Welt, in der regenerativ erzeugte elektrische Energie kostengünstig und nahezu unbegrenzt als Hauptenergieform verfügbar ist. Die All Electric Society hat das Potenzial, Klimaschutz und globalen Wohlstand miteinander zu vereinbaren, und wird durch Elektrifizierung, Vernetzung und Automatisierung ermöglicht. Ein Befähiger der All Electric Society ist die so genannte Sektorenkopplung: Das heißt, die Energie dahin zu bringen, wo sie gerade benötigt wird und dazu die verschiedensten Sektoren des Alltags miteinander zu verbinden – von Privathaushalten über Mobilität und Infrastruktur bis zur Industrie. Hierfür ist die Digitalisierung unverzichtbare Basis.

Wenn wir uns in drei bis fünf Jahren wiedertreffen – wie wird die Lage dann sein?

Frank Wolle, Eaton:

Unsere Schwerpunkte sind Energy Transition beziehungsweise Digitalisierung im Sinne dezentral erzeugten Stroms. Auch werden wir uns bis dahin stärker mit dem Thema DC-Schalten auseinandersetzen. Es geht darum, den Strom wirklich so verteilen zu können, wie wir das wollen. In fünf Jahren wird die Produktion komplett digitalisiert sein und wir wissen in diesem Kontext genau, was wir tun sollen, müssen und können – vor allem beim präzisen Verständnis des Kundennutzens. Ich hoffe, dass in fünf Jahren alles in diesem Zusammenhang Wünschenswerte eingetreten ist und Wirtschaftlichkeit mit Nachhaltigkeit einhergeht. Schön wäre, wenn wir es schaffen würden, ein Stückweit dieser Nachhaltigkeit in die Welt zu tragen.

Dr. Andreas Schreiber, Phoenix Contact:

In drei bis fünf Jahren werden Digital Twins selbstverständlich sein und von Kunden erwartet werden – einschließlich aller Tools für den optimierten Einsatz in Engineering und Fertigung. Das wird dann kein optionales Add-on mehr darstellen, sondern der Standard sein. Zudem werden wir die weitere Elektrifizierung der Welt ein großes Stück vorangebracht haben. Gerade den Schaltschrankbauern kommt da eine erhebliche Bedeutung zu, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der beschriebenen Sektorenkopplung. Kurz gesagt: Wir müssen den Schaltschrankbauern das Leben so leicht wie möglich machen.

Jörg Kreiling, Rittal:

In einigen Jahren wird der Gleichstrom aus unserer Perspektive gerade wegen der fehlenden Wandlungsverluste eine deutlich größere Rolle spielen. Stichworte sind hier Gleichstromspeicher, Hochlade-Systeme und einiges mehr. Entscheidend sind eine dann noch höhere Standardisierung und Verfügbarkeit für alle betroffenen Disziplinen und Branchen. Eine durchgängige und konsistente Standardisierung der Systemkomponenten und Daten wird entscheidend dabei helfen, die vielen Probleme in den Griff zu bekommen.

Peter Spiel, Wöhner:

Wenn wir uns in dieser Zeitspanne wiedertreffen, wird sich das CrossBoard weltweit durchgesetzt haben, vor allem auch in den USA, wo Trends zum Downsizing diese Entwicklung befeuern. Vielleicht wird es dann schon zwei Round Tables geben – den zweiten für das Thema DC. Wir sind insgesamt schon weit gekommen mit unserem Ansatz, im Rahmen des Round Tables einen Industriestandard zu schaffen. Wöhner wird seine nachhaltigen Ziele auch weiterhin konsequent umsetzen und die Entwicklung intelligenter Sammelschienensysteme vorantreiben. Eines ist gewiss: Innovation ist in unseren Genen – und wird es umso mehr auch morgen sein.

Hier finden Sie den Roundtable Crossboard als Video in voller Länge.

Bildergalerie

  • Das moderne Stromverteilungssystem CrossBoard von Wöhner im Kontrast zum alten E-Werk.

    Das moderne Stromverteilungssystem CrossBoard von Wöhner im Kontrast zum alten E-Werk.

    Bild: Wöhner

  • Peter Spiel, Leiter Produktmanagement bei Wöhner: „Trends zum Downsizing befeuern die Entwicklung unseres CrossBoards zum weltweiten Standard.“

    Peter Spiel, Leiter Produktmanagement bei Wöhner: „Trends zum Downsizing befeuern die Entwicklung unseres CrossBoards zum weltweiten Standard.“

    Bild: Wöhner

  • Dr. Andreas Schreiber, Vice President Industrial Cabinet Solutions bei Phoenix Contact: „Wir müssen den Schaltschrankbauern das Leben so leicht wie möglich machen.“

    Dr. Andreas Schreiber, Vice President Industrial Cabinet Solutions bei Phoenix Contact: „Wir müssen den Schaltschrankbauern das Leben so leicht wie möglich machen.“

    Bild: Wöhner

  • Jörg Kreiling, Director of Product Management Energy & Power bei der Rittal: „Gleichstrom wird wegen der fehlenden Wandlungsverluste in einigen Jahren eine deutlich größere Rolle spielen.“

    Jörg Kreiling, Director of Product Management Energy & Power bei der Rittal: „Gleichstrom wird wegen der fehlenden Wandlungsverluste in einigen Jahren eine deutlich größere Rolle spielen.“

    Bild: Wöhner

  • Frank Wolle, Head of Product Management bei Eaton Industries: „Die generelle Herausforderung ist nicht das Bereitstellen von Daten, sondern das Wissen, was genau diesen Mehrwert bringt.“

    Frank Wolle, Head of Product Management bei Eaton Industries: „Die generelle Herausforderung ist nicht das Bereitstellen von Daten, sondern das Wissen, was genau diesen Mehrwert bringt.“

    Bild: Wöhner

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