Ein Fließband befördert Bipolarplatten ins Sichtfeld eines Roboters. Seine Bildverarbeitungssoftware erkennt das Bauteil, das in Brennstoffzellen verbaut wird. Mit seinem Sauggreifer nimmt der Roboter die Bipolarplatte auf und hält sie kurz in eine weitere Kamera. Diese scannt die Bipolarplatte von unten ab, erfasst die genauen Abmessungen und erkennt die Beschaffenheit der feinen Strukturen auf der Unterseite – ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Dann legt der Roboter die Bipolarplatte auf einem Stapel ab. Zwei Sekunden dauert der gesamte Arbeitsablauf.
Um eine Sekunde zeitversetzt erkennt, greift und legt ein zweiter Roboter Membran-Elektrodeneinheiten ab. Bipolarplatte und Membran-Elektrodeneinheiten – aus diesen beiden Schichten besteht eine Brennstoffzelle. Über die Bipolarplatte werden Wasserstoff und Sauerstoff eingeleitet. Die beiden chemischen Elemente reagieren in der Membran-Elektrodeneinheit miteinander. Weil dabei nur eine Spannung von maximal einem Volt entsteht, müssen für einen Brennstoffzellenmotor, der beispielsweise einen Lastwagen antreiben soll, ungefähr 400 Brennstoffzellen zu einem sogenannten Brennstoffzellenstack gestapelt werden.
Roboter-Duo stapelt Brennstoffzellen in Sekundenschnelle
Bislang werden Brennstoffzellenstacks manufakturartig gefertigt, also mit viel Handarbeit und entsprechend zeitaufwendig. „Wenn Brennstoffzellen im Schwerlastverkehr den Verbrenner ablösen sollen, müssen sie in industrieller Massenproduktion, weitgehend automatisiert und entsprechend kostengünstig hergestellt werden“, sagt Erwin Groß von der Abteilung Unternehmensstrategie und -entwicklung am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA.
Genau das ist einem Forschungsteam vom Fraunhofer IPA und vom Centrum für Digitalisierung, Führung und Nachhaltigkeit Schwarzwald (Campus Schwarzwald) nun im Projekt „H2FastCell“ gelungen. Pro Sekunde legt das Roboter-Duo eine Bipolarplatte oder Membran-Elektrodeneinheit auf dem Brennstoffzellenstack ab. Ein Stack, der aus 400 einzelnen Brennstoffzellen zusammengesetzt ist, ist also schon nach etwa 13 Minuten fertig. Die manuelle Produktion würde dafür ein Vielfaches der Zeit benötigen.
Ein weiteres Kriterium für die industrielle Massenproduktion von Brennstoffzellenstacks ist Präzision. Denn jede Abweichung – und sei es im Mikrometerbereich – kann die Leistung des Brennstoffzellensystems mindern. Deshalb schichten die beiden Roboter parallel zwei Brennstoffzellenstacks auf. Registrieren ihre Kameras bei der Qualitätskontrolle winzige Abweichungen bei Form und Größe, ordnen sie die Bipolarplatte oder Membran- Elektrodeneinheit dem jeweils passenden Stack zu. „Mit diesem Best-Fit-Ansatz reduzieren wir den Ausschuss, den Hersteller bisher beklagen“, sagt Friedrich-Wilhelm Speckmann vom Zentrum für Digitalisierte Batteriezellenproduktion am Fraunhofer IPA. Er hat das Forschungsprojekt H2FastCell zusammen mit Erwin Groß geleitet.
Digitaler Zwilling dokumentiert Hochgeschwindigkeitsmontage in Echtzeit
Geschwindigkeit und Präzision stellen besondere Anforderungen an die Hardware der beiden Roboter und den Aufbau der gesamten Zelle. So bestehen die eigens für das Forschungsprojekt entwickelten Sauggreifer aus carbonfaserverstärktem Kunststoff, damit die Masse, die beschleunigt und abgebremst werden muss, möglichst gering ist. Um zu verhindern, dass die Roboter oder die Einhausung durch die schnellen Bewegungen in Schwingungen versetzt werden, stabilisiert eine schwere Bodenplatte die Roboterzelle. Denn jede Schwingung beeinträchtigt die Bildgebung und erschwert das präzise Greifen und Ablegen. Aus diesem Grund sind die Kameras separat befestigt und nicht mit der Einhausung verbunden.
Ein Digitaler Zwilling, also ein virtuelles Abbild der Produktion, dokumentiert die Hochgeschwindigkeitsmontage der Brennstoffzellenstacks in Echtzeit. Mit diesen Daten lässt sich einerseits simulieren, wie sich die fertigen Stacks später verhalten. Anderseits kann mit den Daten eine Simulation durchgeführt werden, die bei der Qualitätskontrolle der Bipolarplatten und Membran-Elektrodeneinheiten zum Einsatz kommt.
Roboterzelle soll Unternehmen als Prüfstand dienen
Die fertige Roboterzelle befindet sich auf einem Versuchsfeld des Campus Schwarzwald in Freudenstadt und soll künftig vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen als Prüfstand dienen, um ihre Produkte zu testen. „Damit haben wir den Grundstein für unser zukünftiges Forschungszentrum für biointelligente Wasserstoff-Kreislaufwirtschaft im Schwarzwald gelegt“, sagt Stefan Bogenrieder, Geschäftsführer des Campus Schwarzwald. „Wir wollen so die Wasserstofftechnologie gemeinsam mit Unternehmen in Baden-Württemberg für die mobile und stationäre Nutzung als Energieträger nutzbar machen.“
Am Forschungsprojekt H2FastCell, das nun zu Ende gegangen ist, waren neben dem Fraunhofer IPA und dem Campus Schwarzwald fünf Unternehmen aus Baden-Württemberg beteiligt: der Softwareentwickler ISG Industrielle Steuerungstechnik aus Stuttgart, der Vakuumtechnikhersteller J. Schmalz aus Glatten im Nordschwarzwald, der Sensorproduzent i-mation aus Rottweil, der Maschinen- und Anlagenbauer Teamtechnik Maschinen und Anlagen aus Freiberg am Neckar und der Automatisierungstechniker Weiss aus Buchen im Odenwald. Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg hat H2FastCell mit rund 2,3 Millionen Euro gefördert.