Trends in der Lohnfertigung „Weg von der einfachen Dienstleistung“

Im P&A-Interview: Axel Ebbecke, Vorstand bei Ebbecke Verfahrenstechnik.

09.03.2017

Welchen Einfluss Industrie 4.0, Kostendruck und veränderte Kundenbedürfnisse auf die Lohnfertigung haben, erklärt Axel Ebbecke, Vorstand bei Ebbecke Verfahrenstechnik.

P&A: Herr Ebbecke, wie beurteilen Sie das Thema Industrie 4.0?

Axel Ebbecke: Industrie 4.0 ist überall ein Thema und bedingt eine höhere Vernetzung und Automatisierung, die dazu führen wird, dass Aufträge bei uns direkt in die Maschinen eingespeist werden. Auch in der Chemie ist das Thema von großer Bedeutung und erlaubt es, vollauto­matisch laufende Chemieanlagen steuern zu können. Allerdings ist die Vernetzung in dieser Branche nichts Neues und schon länger präsent.

Gibt es dennoch Dinge, auf welche die Branche sich erst einstellen muss?

Ja, auf die Verkettung zwischen den Kunden­anforderungen bei den Bestellungen bis hin zur Verarbeitung. Man kann das mit den Zulieferern in der Automobilindustrie vergleichen. Allerdings bewirkt ein höherer Automatisierungsgrad eine Reduzierung der Flexibilität.

Was bedeutet das?

Früher war es üblich, Chemieanlagen auf große Mengen auszulegen. Heute gibt es diese großen Produkte nur noch im Commodity-Bereich, der aber stark nach Asien abgewandert ist. Der Hintergrund von Industrie 4.0 ist es, eine höhere Differenzierung im Produktportfolio zu erreichen, sodass man auch bei Losgröße 1 wirtschaftlich produzieren kann. Aufgrund der chemischen Synthese lässt sich das im Chemiebereich allerdings nur bedingt umsetzen.

Wie kann Chemieunternehmen das künftig trotzdem gelingen?

Um Flexibilität zu erlangen, braucht man hier strategische Partner. Das ist ein Trend, den wir immer stärker beobachten. Mit Hilfe von Partnern können Chemieproduzenten eine Mindestmenge herstellen, die für eine wirtschaftliche Produktion nötig ist. Die Differenzierung der Kundenbedürfnisse, also technische und physikalische Parameter wie Kornspektren oder Feuchte ebenso wie Spezialgebinde oder Kombinationen mit anderen Produkten, ist nur durch eine Ergänzung mit strategischen Partnern oder eigenen Zentral­einrichtungen zu realisieren.

Sie sprachen von strategischen Partnerschaften. Wie genau kann eine solche Partnerschaft aussehen?

Entwicklungszyklen im Chemiebereich dauern fünf bis zehn Jahre. Eine Planungsperspektive von mindestens fünf Jahren ist aber bei der hohen Dynamik im Markt schwer einzuschätzen. Deshalb braucht man Lösungen, die eine höhere Schnelligkeit gewährleisten.

Wie funktioniert das genau?

Indem Unternehmen Teilbereiche oder Produkte auslagern und diese einem technischen Dienstleister überlassen, der ihnen die Entwicklung individuell abnimmt, der also eine Anlage modular im kleinen Maßstab und in einem Zeithorizont von einem halben bis maximal einem Jahr baut. Auf diese Weise lässt sich nicht nur ein Kosten- sondern auch ein Flexibilitäts- und Marktoptimum erreichen. Bei Chemiekunden werden chemische Entwicklungen durch Vorversuche im kleinen Maßstab durchgeführt. Wir sprechen dann über Scale- up-Verfahren.

Welche Rolle spielen denn Sensoren und automatisierte Bestellvorgänge heute schon in Ihrem Bereich?

Das ist sicher ein Thema für große Chemie­anbieter, die direkt beliefern und die über entsprechende Füllstandsmesser verfügen, die direkt mit eigenen Bedarfsmeldungen verbunden sind. Dann ist es möglich, innerhalb eines Rahmenvertrags eine
Bestellung automatisiert auszulösen. Bei uns kommt das noch selten vor, weil wir einen bestimmten Schritt nur nach Kundenwunsch ausführen und nicht automatisiert nach der Verarbeitungsmenge in der
Anlage. Häufige Produktwechsel verhindern eine wirtschaftlich sinnvolle Automatisierung. Bei langfristigen Rahmenverträgen mit gleicher Produktlinie kann dies jedoch auch über eine Automatisierung erfolgen.

Mit welchen Projekten beschäftigen Sie sich derzeit konkret?

Wir haben gerade das Outsourcing eines kompletten Werks übernommen, das nach China gehen sollte. Da es sich aber um einen sensiblen Bereich handelt, haben die Kunden entschieden, dass dieses Werk in Europa bleiben soll. Wir haben den Zuschlag bekommen und übernehmen nun die Produktion. Einen Teil der installierten Anlagen haben wir in eine neue, modular aufgebaute Anlage integriert, ergänzt durch neue, eigens entwickelte 
Komponenten.

Was hat der Kunde davon?

Mit diesem Konzept gewährleisten wir dem Kunden eine Kapazitätserhöhung von 50 Prozent. Wir übernehmen außerdem die komplette Logistik und bauen dazu ein neues Logistikzentrum mit 3.600 m2. Wir nehmen auch die Metall-Container zurück, die zu Endkunden weltweit geliefert wurden, reinigen sie und befüllen sie anschließend wieder. Bei diesem Gesamtkonzept sprechen wir von einem kom­plexen Outsourcing, bei dem wir den Kunden ein Höchstmaß an Flexibilität und Service bieten.

Worauf konzentriert sich Ihr Unternehmen in den nächsten Monaten noch?

Vor allem auf gemeinsame Entwicklungspartnerschaften. Wir versuchen verstärkt, technisches Know-how bei uns zu konzentrieren. Wir werden immer stärker zum Entwicklungspartner, nicht nur reiner Lohnverarbeiter von Einzelkampagnen sondern strategischer Partner, zu dem eine ‚Technikumsentwicklung‘ dazugehört. Der Weg geht für uns weg von der einfachen Dienstleistung und hin zu einer kom­plexen, technischen Dienstleistung. Das wird zunehmen, da große Unternehmen aus Kostengründen ihre Entwicklungs- und anwendungstechnischen Kapazitäten einsparen. Durch die Nutzung dieser Technika von verschiedenen Kunden können hier hohe Einsparungen realisiert werden. Um hierbei eine hohe technische Beratungskompetenz vorzuhalten, verfügen wir über ein Expertenteam von älteren, erfahrenen Ingenieuren, die alle ein Spezialgebiet abdecken und langjährig bei unseren Kunden in der Anwendungstechnik waren.

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