Über das letzte Jahrzehnt sind Thin Clients immer bekannter in der Prozessautomation und bei industriellen Anwendungen geworden. Insbesondere durch den Trend zur Virtualisierung repräsentieren Thin Clients eine starke und kosteneffiziente Technologie. Diese erlaubt Nutzern, auf Anwendung und Informationen zuzugreifen, welche auf zentralisierten Systemen, wie beispielsweise Servern, laufen. Im Vergleich zu konventionellen, dezentralisierten Automatisierungssystemen (auf welchen normalerweise alle Daten und Anwendungen laufen) sind die Daten und Anwendungen von zentralisierten Automatisierungssystemen normalerweise auf Servern gelagert. Ein Thin Client gibt hierbei die Nutzeroberfläche wieder, um Applikationen auf dem Host zugänglich zu machen.
Um dies zu erreichen, hat ein Thin Client ein minimalistisches, normalerweise eingebettetes Betriebssystem (OS) und bietet Treiber für Input- und Output-Geräte, welche mit dem Thin Client verbunden sind. Zusätzlich erlauben installierte Remote-Protokolle den Austausch der System-Inputs und Outputs zwischen dem Thin Client und dem Server.
Wie funktionieren Remote-Protokolle?
Der Server generiert eine Benutzeroberfläche (graphical-user-interface oder kurz GUI), welche dann komprimiert und über das Ethernet als Remote-Protokoll zum Thin Client gesendet wird. Anschließend erhält der Thin Client die komprimierten Daten, beispielsweise in Form von GUI-Bildern, extrahiert diese und stellt sie auf dem Bildschirm des Nutzers dar.
Eingaben des Nutzers (beispielsweise über die Tastatur, Maus, Touchscreen etc.) werden in entgegengesetzter Richtung gesendet. Der Thin Client fängt die physikalischen Eingaben des Nutzers auf und leitet diese über das Remote-Protokoll an den Server. Der Server entschlüsselt die Eingaben des Nutzers und schickt diese an das laufende (darunterliegende) Betriebssystem und seine Anwendungen.
Für die Anwendungen, welche auf dem Server laufen, ist dies transparent. Dies bedeutet, dass es für die Anwendungen aussieht, als ob der Nutzer diese Befehle lokal auf dem Betriebssystem eingibt. Aufgrund des heutigen leistungsfähigen Ethernet erlebt der Nutzer die Interaktionen durch den Thin Client mit dem Server, als würde er direkt mit dem Betriebssystem arbeiten.
Seitdem der Thin Client über das Ethernet arbeitet, gehört er zu den beliebtesten Technologien für virtualisierte Automatisierungssysteme. Konventionelle Technologien wie Tastatur/Video/Maus-Verlängerungen (KVM) sind mit virtualisierten Systemen nicht kompatibel. Dies liegt daran, dass normalerweise eine oder mehrere virtuelle Maschinen (VMS) auf den Servern laufen und somit die physischen Schnittstellen nicht ausreichen, um sich mit KVMs zu vernetzen. VMs können nur über das Netzwerk mit Remote-Protokollen aufgerufen werden.
Remoteprotokolle und deren Unterschiede
Heutzutage existieren viele Kommunikationsprotokolle, wobei nur ein sehr kleiner Teil der Protokolle für die Erfassung des Großteils von Virtualisierungen relevant ist. Dies gilt selbst für konventionelle, nicht virtualisierte Anwendungen:
Microsoft Remote Desktop Protokoll (RDP): RDP ist das bekannteste Remote-Protokoll für arbeitsplatzbasierte und virtualisierte Automatisierungssysteme. Während das aktuelle Betriebssystem von Microsoft über eine integrierte RDP–Nutzeroberfläche aufgerufen werden kann, benötigen professionelle Aufbauten einen Windows OS Server. Mit der Strategie von Microsoft, Infrastrukturen zu virtualisieren und seit der Markteinführung des Windows Server 2008 R2, haben sich die „Terminal Services“ erweitert und wurden in Remote Desktop Services (RDS) umbenannt.
Virtual Network Computing (VNC): VNC ist eines der ältesten Remote-Protokolle, welches auch heutzutage noch Bekanntheit genießt. Vor allem in kleineren, nicht virtualisierten Automatisierungssystemen werden diese Protokolle weiterhin genutzt, seitdem mehrere „Open Source“-Umsetzungen existieren. Diese erlauben das Erstellen von kostengünstigen Lösungen.
Citrix Independent Computing Architecture (ICA): ICA ist ein Citrix geschütztes, plattformunabhängiges Fernbedienungs-Protokoll, welches in großen, professionellen und virtualisierten Infrastrukturen mit Citrix XenApp und XenDesktop verwendet wird.
VMware PC-over-IP (PCoIP): Ursprünglich von Terradici eingeführt, hat VMware dieses Protokoll in ihre virtualisierte Serverstruktur integriert. Neben PCoIP unterstützt VMware die Zugänge zu den gehosteten VMs über RDP.
Reduzierte Gesamtbetriebskosten
Seitdem Anwendungen auf dem Host-System laufen, haben Thin Clients geringere Hardware-Ansprüche im Vergleich zu normalen Arbeitsplatzrechnern. Energiesparende Prozessoren reichen hierbei vollkommen aus, um die verschiedenen Remote-Protokolle auszuführen und die komprimierten Daten zu ver-/entschlüsseln, welche zwischen dem Thin Client und dem Host versendet werden.
Dies hat direkten Einfluss auf die gesamten Hardwarekosten, nachdem die Komponenten von Thin Clients deutlich günstiger sind als Hochleistungskomponenten von Arbeitsplatzrechnern. Um dieselbe Leistung in der Infrastruktur von Thin Clients jedoch zu erreichen, benötigt man einen leistungsstarken Host-Server. Seitdem zentralisierte Infrastrukturen eine effizientere Nutzung von Hardwarekomponenten erlauben, sinken die Gesamthardwarekosten, besonders bei mittelgroßen bis großen Anwendungen.
Hardware- & Software-Langlebigkeit
Ein anderer Vorteil von industriellen Thin Clients liegt in ihrer potentiell längeren Lebensdauer im Vergleich zu Computern. Hierfür gibt es zwei Gründe: Erstens haben Updates von Anwendungssoftware keinen Einfluss auf die Thin Clients, da sie nur über das Remote-Protokoll des Hosts kommunizieren. Dadurch können Thin Clients auch während der Aktualisierung des Betriebssystems oder Anwendungen benutzt werden. Zweitens werden die eingebetteten Betriebssysteme auf industriellen Thin Clients länger unterstützt als bei Desktopbetriebssystemen (wie Windows XP Professional oder Windows 7 Professional).
Geringerer Einstellungsaufwand
Thin Clients sind sehr einfach einzurichten. Anstatt Anwendungen auf mehreren Arbeitsplatzrechnern zu installieren, werden Thin Clients in wenigen Schritten konfiguriert. Dies ist meistens auf zwei Arbeitsschritte begrenzt: Dem Thin Client muss eine IP-Adresse gegeben und der Host-Server beziehungsweise die VM festgelegt werden, mit dem sich der Thin Client verbinden soll. Bei großen Installationen, bei denen mehrere Thin Clients eingerichtet werden müssen, helfen Werkzeuge für zentralisierte Einrichtungen und Management, durch welche eine ganze Gruppe an Thin Clients mit einem Mausklick gewartet werden kann. Aufgrund der limitierten Menge an Einstellungen kann dies auch von einer einzigen Person mit geringen IT-Kenntnissen durchgeführt werden.
Größere Systemverfügbarkeit
Besonders in Industrieumgebungen müssen Systeme zuverlässig laufen, nicht nur unter dem Aspekt der Kosten, sondern auch, um Prozessausrüstung und Personal zu schützen. Mit Thin Clients kann die Prozesszuverlässigkeit aufgrund mehrerer Faktoren erhöht werden: Wie bereits erwähnt, besitzen Thin Clients keine lokal gespeicherten Daten oder Anwendungen und können, bei einem Hardware-Defekt, in wenigen Minuten ausgetauscht werden. Dies beeinflusst wiederum die Anwendungen nicht, da sie auf dem Host ausgeführt werden. Da aktuelle Thin Clients wenig Rechenleistung benötigen, können industrietaugliche Komponenten inzwischen kostengünstig verbaut werden. Dadurch können Sie auch in harten Industrieumgebungen, in welchen Hitze, Stöße, Vibrationen, Staub, Reinigungen und explosive Atmosphären herrschen, eingesetzt werden.
Im Falle eines Host-Fehlers können Backup-Hosts verwendet werden. Moderne Thin Clients wie die Remote-Monitore von Pepperl+Fuchs erlauben außerdem vorkonfigurierte Verbindungen zu Backup-Hosts, mit welchen sich der Thin Client automatisch nach Erkennung des Host-Fehlers verbinden kann. Mit dieser Funktion können höchst zuverlässige Prozessautomationssysteme aufgesetzt werden.
Erhöhte Flexibilität
Thin Clients nutzen Ethernet-Technologie, um sich mit jedem Host-System zu verbinden, das über LAN, WAN oder sogar das Internet gefunden werden kann. Dies erlaubt die Implementierung von anspruchsvollen Anwendungsszenarien, wie das Verbinden mit Backup-Hosts bei Fehlern, das Verbinden und Überwachen von verschiedenen Maschinen in Industrieanlagen oder den Zugang zu Daten von unterschiedlichen Systemen wie ein dezentralisiertes Kontrollsystem (DCS) oder ein herstellendes Ausführungssystem (MES), welche möglicherweise auf zwei verschiedenen Hosts und Netzwerken laufen.
Höhere Sicherheit
Zentralisierte IT-Infrastrukturen bieten eine höhere Sicherheit, nachdem Daten und Applikationen auf dem Host im Datenzentrum mit zentralisierten Backups, redundanten Servern etc. liegen.
Thin Clients sind außerdem gegen Manipulationen geschützt. So kann beispielsweise mit Werkzeugen, wie verbesserten Schriftfiltern und USB Lockdowns, verhindert werden, Software lokal zu installieren. Dies reduziert in erheblichen Maßen die Gefahr, Viren zu installieren.