Verführerisch glänzt der Lack im Sonnenlicht, lockt mit Versprechungen von ungestümen Autobahnfahrten und frischem Wind auf Landstraßen. Doch schon ein kleiner Fehler in der Lackoberfläche macht die Freiheitsträume zunichte – und damit auch den Autokauf. Denn neben der Qualität spielt auch die einwandfreie Optik einer Ware für den Käufer eine entscheidende Rolle.
Daher betreiben Fahrzeughersteller einen großen Aufwand für die Oberflächenüberprüfung. Spezielle Lichttunnel schaffen Belichtungsbedingungen, mit denen eine Defekterkennung bis in den Zehntelmillimeterbereich möglich wird. Trotz all der technischen Hilfsmittel sind visuelle Sichtkontrollen nie zuverlässig. Bekanntlich variiert die Erkennungsrate mit der Tageszeit und wird sehr stark von menschlichen Eigenschaften wie Ermüdung oder Konzentrationsschwankungen beeinflusst.
Micro-Epsilon löst dieses Problem mit dem Messsystem ReflectControl. Die manuelle Sichtkontrolle wird durch ein reproduzierbares, vollautomatisches System ersetzt, das ähnlich wie ein Lichttunnel arbeitet. Basierend auf der Deflektometrie wird die Oberfläche des Fahrzeuges als Spiegel verwendet; eine Lichtquelle erzeugt wechselnd helle und dunkle Streifen auf dem Fahrzeug. Lackdefekte verursachen Verzerrungen in den gespiegelten Bildern, die automatisch erfasst und klassifiziert werden.
Alternativ können die erkannten Defekte auch automatisch am Fahrzeug markiert werden, was die Nacharbeit deutlich erleichtert. Durch die zuverlässige Erkennung von Fehlern direkt nach der Lackierung reduziert ReflectControl die Anzahl der Defekte, die in die nachfolgenden Produktionsstufen übernommen werden.
Deflektometrie
Im Gegensatz zu herkömmlichen optischen Ansätzen, bei denen die Oberfläche von einer Punktlichtquelle beleuchtet und das diffus reflektierte Licht von einer Kamera aufgenommen wird, verwendet die Deflektometrie eine Fläche als Lichtquelle, deren Direktreflexion ausgewertet wird. Grundsätzlich erlaubt dieser Ansatz erst die Inspektion von Objekten mit hochglänzenden Oberflächen, wo alternative Ansätze mit der Auswertung von diffuser Reflexion versagen. Zudem reagiert das System extrem empfindlich auf Änderungen in der Oberflächenkrümmung, was die präzise Fehlererkennung im Bereich weniger Mikrometer erst ermöglicht.
Doch Deflektometrie ist nicht gleich Deflektometrie: Das Herzstück der zuverlässigen Fehlererkennung bildet die verwendete Multi-Image-Aufnahme. Dazu erzeugt ein Monitor ein sinusförmiges Streifenmuster, das in mehreren Phasenschritten verschoben wird, wobei die Kameras jeweils eine Aufnahme der Oberfläche machen. Anschließend wird das Muster um 90° gedreht und der Vorgang wiederholt. Dieser aufwendige Prozess der Datenaufnahme ermöglicht eine gleichmäßig hohe Auflösung über die gesamte Oberfläche. Dadurch wird jeder Fehler unabhängig von der Position auf der Oberfläche und seiner Ausrichtung sicher erkannt.
Darüber hinaus werden unvermeidbare statistische Fehlereinflüsse der Bilder nicht als Pseudo-Fehler eingestuft, da sich diese bei der Verrechnung der Bilder selbstständig aufheben. In Verbindung mit komplexen Bildverarbeitungsalgorithmen erkennt ReflectControl alle Defekte, die typischerweise auf der Fahrzeugkarosserie zu finden sind: Berührungen, Einschlüsse/Wölbungen, einlackierte Fussel/Haare, Kleberückstände, Sprenkelungen, Krater, Lackablösung, Lacktropfen, Läufer, Nadelstiche, Overspray, Pressfehler, Riefen, Rohbaufehler, Schieberabzeichnungen, Schleiffehler, Schweißperlen, Spucker, Stippen, Teil-/Magerlackierung, Verschmutzungen und Wassertropfen.
Karossenprüfung
Die Inspektion der gesamten Karosserie auf Fehler im Lack bis herunter zu 0,3 mm und das bei einer typischen Produktionsgeschwindigkeit von 40 bis 60 Fahrzeugen je Stunde, gleicht einer Mammutaufgabe. Um dies bewältigen zu können, wird ReflectControl in der Fertigungslinie an bis zu vier parallel arbeitenden Robotern appliziert. Alle Systeme sind mit einem großen Monitor und vier Kameras ausgestattet. Jede Kamera nimmt acht Bilder pro Messposition auf, wobei jede Prüfung weniger als 1 s dauert. Bei üblichen Robotergeschwindigkeiten können somit rund 30 Positionen innerhalb von 60 Sekunden überprüft werden. Nutzt man Kameras mit 2 Mpx, entstehen insgesamt ungefähr sieben Milliarden Grauwerte, die für jedes Fahrzeug aufgezeichnet und zeitnah verarbeitet werden müssen. Dies kann nur durch angepasste Software in einem dezentralen System erledigt werden.