Die momentane Situation setzt Eigentümer und Betreiber von Raffinerien, Chemiewerken und Produktionsanlagen unter Druck, die Art, wie ihre Angestellten arbeiten, zu verändern und anzupassen. Denn es liegt auf der Hand, dass sich das traditionelle Betriebsmodell, bei dem jeder vor Ort seine Arbeit verrichtet, weiterentwickelt hat, nicht nur aufgrund der aktuellen Umstände, sondern auch, weil das Ausscheiden erfahrener Anlagenarbeiter einen Mangel an Schlüsselqualifikationen verursacht.
In der Theorie ist klar, dass eine Lösung für diese Herausforderungen die Remote-Technologien sind. Denn sie können dabei helfen, Fachwissen aus der ganzen Welt sicher und flexibel aus der Ferne zu nutzen. So kann der Betrieb aufrechterhalten, die Produktivität und die Cybersicherheit erhöht und zum Schutz der Arbeitnehmer beizutragen werden.
Aber welche Auswirkungen hat die digitale Transformation und wie wirkt sie sich als Treiber bei der Einführung von Fernlösungen im gesamten Sektor aus?
Vorteile der aktuellsten Fernlösungen
Durch die Nutzung von Sensoren, Konnektivität, Datenerfassung, Visualisierung und hochentwickelten Analysen können Hersteller robuste Fernüberwachungs- und Betriebsfunktionen sowie zustandsbasierte und vorausschauende Wartungsfunktionen schaffen, um die Unternehmensleistung und -kontinuität zu steigern. So bringt die digitale Transformation langfristige Wettbewerbsvorteile, da sie ein hohes Maß an Effizienz, Produktivität und Sicherheit in den Anlagen ermöglicht.
Die Entwicklung der Branche in Richtung Remote-Betrieb und -Projektierung wird durch eine neue Generation von Software erleichtert, die sicher eingesetzt und verwendet werden kann. Denn die Anwendungen für den Remote-Betrieb gehen heutzutage über die reine Überwachung von Kontrollsystemen hinaus. Sie können auch genutzt werden, um virtuelle Videounterstützung von einem Experten vor Ort oder über virtuelle oder erweiterte Realität einzubringen.
Zudem können digitale Informationen zur Verbesserung eines Prozesses herangezogen werden. Beispielsweise führen heute Maschinenbauer Werksabnahmeprüfungen (Factory Acceptance Tests, FATs) von Anlagen über digitale Zwillinge und virtuelle Inbetriebnahme-Tools durch.
Digitale Zwillinge können auch dazu verwendet werden, alle physischen Anlagen zu replizieren und so Ingenieuren ermöglichen, aus der Ferne in einem Cloud-Rechenzentrum unter Verwendung einer Software-Darstellung der physischen Ausrüstung an Anlagenprojekten zu arbeiten.
Schließlich können Betreiber durch die Implementierung von Fernlösungen nicht nur Risiken, Zeit und Aufwand vor Ort minimieren, die jüngsten Remote-Lösungen erlauben einen deutlich verschlankten Migrationsprozess. Remote-Technologien können die Zykluszeit um bis zu 80 Prozent reduzieren, die Betriebskosten um bis zu 20 Prozent senken und die Produktivität durch eine vereinfachte Migration um mindestens 60 Prozent verbessern.
Hinzu kommt, dass die Systeme dadurch immer auf dem neuesten Stand im Hinblick auf Updates und Patches in den Bereichen Cybersicherheit und Prozesssteuerung gehalten werden können.
Remote-Support-Dienste auch als Service-Abonnement
Mithilfe von Daten, die aus Prozessen und Anlagen gesammelt werden, ermöglichen Remote-Lösungen dem Betriebspersonal, unabhängig davon, wo es sich weltweit befindet, die täglichen Produktions- und Wartungsfunktionen zu verwalten und die kontinuierliche Verbesserung an mehreren Standorten voranzutreiben.
Das Personal wird entlastet, während die Betreiber effizienter ihre Produktionsziele verfolgen, Anlagenprozesse steuern und den Zustand der Anlagen überwachen können. Diese Lösungen helfen sogar dabei, Szenarien zu erstellen, um die Auswirkungen von Betriebsänderungen noch vor der Implementierung zu bestimmen.
Automatisierungsanbieter wie Honeywell bieten Remote-Lösungen, die das Fachwissen und die technologischen Fähigkeiten der Belegschaft vermitteln und bei der Verwaltung installierter Automatisierungssysteme, Netzwerke und Geräte helfen sollen. Außerdem erleichtern sie die Entwicklung, den Einsatz und Tests, Schulungen und Technologiemigrationen.
Services wie das Enabled-Services-Angebot von Honeywell bieten einen abonnementbasierten Dienst für ICS-Benutzer, die sich mit der zunehmenden Systemkomplexität, einer alternden industriellen Belegschaft und den Einschränkungen des Anlagenbetriebs durch die aktuelle globale Herausforderung auseinandersetzen müssen.
Durch Enabled-Services-Support kann das Remote-Support-Team schnelle Analysen durchführen sowie schnelle Handlungsempfehlungen geben und muss nur bei Bedarf vor Ort sein. Zukunftsorientierte Remote-Services für die Industrie tragen nicht nur zur Verbesserung des Systemzustands und zur Einhaltung von regulatorischen Anforderungen bei, sondern ermöglichen es Betreibern, vorhandene hochqualifizierte Ressourcen besser zu planen. So hat das Fachpersonal mehr Zeit für höher priorisierte Arbeit und das eigentliche Kerngeschäft.
Mehr Werkzeuge für unterschiedliche Anforderungen
Gegenwärtig reduzieren die Hersteller die Zahl der Beschäftigten in den Betrieben, um die Richtlinien bezüglich des Abstands einzuhalten und den Schutz der Belegschaft vor Ort zu gewährleisten. Gleichzeitig investieren sie in Sicherheitsausrüstung wie digitale Video- und Zugangskontrollsysteme, um jederzeit einen klaren Überblick darüber zu haben, wer vor Ort ist.
Die neuesten digitalen Workforce-Management-Lösungen nutzen Echtzeitdaten, um die Einhaltung von Vorschriften, die Produktivität und die Sicherheit von Mitarbeitern, Auftragnehmern und Besuchern zu verbessern. Diese Lösungen bieten Echtzeit-Überwachungsfunktionen und erlauben es sogar, im Notfall Maßnahmen einzuleiten. Diese Lösungen lassen sich in Zutrittskontroll- und Unternehmensressourcenplanungssysteme integrieren, um Workforce-Management-Aktivitäten zu verschlanken.
Anlagenbetreiber können jetzt kritische Prozesse, die auf physischen Anlagen ablaufen, über eine sichere Anwendung auf ihren mobilen Geräten einsehen; durch Remote-Technologien erhalten sie eine unternehmensweite Datentransparenz, die es deutlich vereinfacht, fundierte Entscheidungen zu treffen.
Und schließlich läuten die fortschrittliche Videokooperation sowie Fehlerbehebungs- und Wartungstools eine neue Ära des Remote-Service und -Supports ein. Diese Fähigkeiten können noch weiter verbessert werden, indem die Mitarbeiter vor Ort intelligente Wearables tragen, sodass das Fernwartungspersonal Probleme in Echtzeit lokalisieren und beheben oder Werksabnahmeprüfungen durchführen kann.
Unterdessen profitieren die Mitarbeiter vor Ort davon, jederzeit und überall Zugang zu Wissen und Erkenntnissen zu haben, die ihnen helfen, ihre Arbeit besser auszuführen und die Betriebsbereitschaft aufrechtzuerhalten.
Wenn sich die Betriebsteams an die neue Norm für die Arbeit an entfernten Standorten anpassen, können sie Augmented-Reality-Schulungen nutzen, um ihre Fähigkeiten zu stärken und schneller auf den neuesten Stand zu kommen.
Notwendigkeit befeuert digitale Anlagentechnologien
Noch nutzen viele Betreiber die Unternehmensdaten nur in begrenztem Umfang. Es ist noch immer die Norm, Erkenntnisse aus isolierten Software-Anwendungen zu ziehen, die in der Regel prozess- oder anlagenspezifisch sind, und daraufhin mithilfe von Analysen zu bestimmen, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten. Dies ist ein schwerfälliger Prozess, der keine ganzheitliche Sicht auf den Betrieb liefert.
Dabei sind die Remote-Lösungen schon seit einigen Jahren auf dem Markt. Dank des momentanen Bedarfs können sich die Lösungen nicht nur beweisen, immer mehr Anwenderbeispiele untermauern die Betriebsvorteile für Anlagenbetreiber und sind im Umkehrschluss durch ihre Erfahrungen maßgeblich auch an der Weiterentwicklung dieser Technologien beteiligt.
So hat Cairn Oil & Gas, Vedanta, das größte private Unternehmen für Öl- und Gasförderung und -produktion in Indien, in einem Pilotprojekt, bei dem Kontrollgänge automatisiert und Kontrollraum-Logbücher digitalisiert wurden, die Honeywell Forge-Software für Enterprise Performance Management eingeführt.
Ziel war es, die Entscheidungsfindung zu verbessern, die Produktivität zu steigern und die manuellen Dokumentationen auf Papier zu reduzieren. Zeitgleich sollten die Mitarbeiter von Cairn ihre Anlagen aus der Ferne bedienen können. Die Implementierung der Remote-Lösung zeigte, dass unter anderem die Übergaben zwischen den Schichten um 50 Prozent schneller erfolgte.
Honeywell Forge, auf einer Cloud-Plattform für die schnelle und einfache Konfiguration von Arbeitsabläufen und Systemwartung verfügbar, ermöglicht es Cairn nun, die Digitalisierung zu beschleunigen und die Produktion mit weniger Personal vor Ort aufrechtzuerhalten.
Fazit
Viele Anlagenbetreiber haben sich in den letzten Monaten die Frage stellen müssen, wie sie einen unterbrechungsfreien Anlagenbetrieb sicherstellen und gleichzeitig die Gefahren für die Beschäftigten so gering wie möglich halten. Nicht zuletzt angetrieben durch die momentane Lage und die anhaltende Pensionierung erfahrener Werksarbeiter machen sich industrielle Hersteller zunehmend die digitale Transformation in Form von Remote-Überwachung, -Betrieb, und -Supportfähigkeiten aus der Ferne zunutze.
Digitale industrielle Lösungen entwickelten sich vor einigen Jahren aktiv, als noch niemand damit gerechnet hat, wie sich unser (Arbeits-)Alltag verändern wird. Was sich aber branchenübergreifend festhalten lässt: Remote-Dienste und –Anwendungen sind nun hier, um zu bleiben. Telearbeit kann Unternehmen dabei helfen, effizienter zu operieren, die Kosten für die Wartung eines industriellen Steuerungssystems zu senken und schneller auf Störungen zu reagieren und deren Auftreten zu verhindern. Gerade bei kritischen Infrastrukturen oder für das weitere Fortbestehen ganzer Unternehmen könnten Fernbetriebs-Lösungen in Zukunft unausweichlich sein.