Projekt „FlexAqua“ Wie Kläranlagen zur Energieflexibilität beitragen können

Kläranlagen im Fokus der Energiewende

Bild: iStock, abadonian
02.08.2024

Forschende der Bergischen Universität Wuppertal wollen mit dem neu gestarteten Projekt „FlexAqua“ das bisher ungenutzte Potenzial der Abwasserwirtschaft für ein nachhaltiges und flexibles Energiesystem erschließen. Dafür setzen sie auf KI.

Städtische Abwasserbetriebe benötigen zur Aufbereitung von Schmutzwasser viel Energie – häufig gehören die Kläranlagen zu den größten kommunalen Einzelverbrauchern. Sie sind aber ebenso Orte der nachhaltigen Strom- und Wärmeerzeugung: Das in den sogenannten Faulbehältern der Anlage entstehende Klärgas beispielsweise gilt als äußerst ergiebiger und erneuerbarer Energieträger mit großem Potenzial, entscheidend zur Energiewende beizutragen. Zudem lässt sich durch innovative Betriebsweisen der Energiebezug zeitlich verschieben und immer häufiger gehen Betreibende dazu über, Kläranlagen als Standorte für Windkraft- und Photovoltaikanlagen zu nutzen. All diese Potenziale machen es möglich, die Kläranlage energieflexibel als Dienstleistung für das Energiesystem zu betreiben.

Heißt: Die Anlage würde damit zum Herzstück des im Zuge der Energiewende angestrebten Auf- und Ausbaus eines flexiblen städtischen Energieversorgungssystems. Durch eine gezielte zeitliche Verschiebung von Energiebezug und -verbrauch kann beispielsweise Strom vermehrt bezogen werden, wenn viel Energie aus Wind und Sonne zur Verfügung steht. In Zeiten mit wenig Wind und Sonne kann weniger Energie bezogen werden oder gar überschüssige Energie ins System eingespeist werden.

Zu hoher Aufwand

Allerdings: „Um diese Potenziale auch nutzen zu können, müssen die Betreibenden der Anlage in der Lage sein, Verbrauch und Erzeugung besser einschätzen zu können, um sie auf die prognostizierte Situation des Energiesystems und des Stromnetzes abstimmen zu können. Aktuell sind solche Flexibilitäten nur unter erheblichem Zeit- und Ingenieursaufwand prognostizierbar“, erklärt Prof. Markus Zdrallek, Leiter des Lehrstuhls für Elektrische Energieversorgungstechnik der Bergischen Universität und Projektkoordinator. Gemeinsam mit den Stadtentwässerungsbetrieben Köln AöR, dem IT-Dienstleister EnFlex.IT und der Universität Duisburg-Essen untersucht das Team um den Wissenschaftler daher nun Lösungsansätze, mit denen sich die Energieeinsatzplanung in den Betrieben optimieren lässt.

Dabei setzen die Beteiligten auf die Unterstützung von KI: Unter Anwendung von Methoden des Machine Learnings ist es das Ziel, Prognosen für relevante Einflussgrößen zu generieren, mit denen sich die Flexibilitätspotenziale von Abwasseranlagen erkennen, analysieren und bestmöglich ausnutzen lassen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Prognosen, zu welchen Zeitpunkten welche Mengen an zu klärendem Wasser am Klärwerk eintreffen, die abhängig sind von Regenmengen, Verbrauchsverhalten der Haushalte und Verhalten der Industrie.

Praxistests und Prüfung der Übertragbarkeit

Durch einen optimierten Betrieb erhielten die Abwasserbetriebe also nicht nur die Möglichkeit, CO2-Emissionen und die eigenen Energiekosten zu senken, sondern selbst zusätzliche Einnahmen aus der Vermarktung der Energieflexibilität zu erzielen. „In FlexAqua werden wir mit unseren Partnern zunächst verschiedene Lösungsansätze simulieren und testen. In einem späteren Schritt gehen wir in die Praxis, um die gefundenen Lösungen auch unter realen Bedingungen anzuwenden“, erklärt Zdrallek das Vorgehen. Das Projekt ist darauf ausgerichtet, prototypische Lösungsansätze zu entwickeln, die für einen produktiven Einsatz im Regelbetrieb weiterentwickelt werden können. Die Erkenntnisse aus dem Praxistest sollen insbesondere hinsichtlich der Übertragbarkeit auf weitere Wasserwirtschafts- und auch Industriebetriebe analysiert werden.

Gefördert wird das Vorhaben „FlexAqua“ in den kommenden drei Jahren vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) mit insgesamt rund 1,1 Millionen Euro. Der Anteil der Bergischen Universität beträgt rund 270.000 Euro.

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