Weltweit arbeiten Forscherinnen und Forscher an innovativen Lösungen, um alternative Rohstoffquellen zu erschließen sowie klimaschonende Herstellungsprozesse und Produkte zu entwickeln. Aktuelle Forschungsprojekte und Beispiele für die verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette hat heute Dr. Melanie Maas-Brunner, Mitglied des Vorstands und Chief Technology Officer der BASF, zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf der Forschungspressekonferenz des Unternehmens vorgestellt.
Im Mittelpunkt standen dabei Technologien, bei denen Mikroorganismen für mehr Nachhaltigkeit sorgen. Die Grundlage für die Entwicklung nachhaltiger chemischer Lösungen ist die einzigartige Forschungs- und Entwicklungsplattform der BASF. „Diese haben wir in den vergangenen Jahren konsequent auf die Bedürfnisse unserer Kunden ausgerichtet“, sagt Maas-Brunner. Weltweit beschäftigt BASF rund 10.000 Mitarbeitende in Forschung und Entwicklung und investierte 2021 rund 2,2 Milliarden Euro, um nachhaltige Produkte zu entwickeln, aber auch neue Technologiefelder zu erschließen. „Für uns ist es eine Daueraufgabe, unsere Kompetenzen weiter auszubauen“, so Maas-Brunner.
Forschung und Entwicklung voranbringen
Dazu zähle beispielsweise, CO2-freien Wasserstoff zu generieren, die Elektrifizierung der Produktionsprozesse und die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben, neue Rohstoffquellen zu erschließen oder digitale Werkzeuge noch effizienter zu nutzen. Dass sich Investitionen in Forschung und Entwicklung auszahlen, zeigt der Umsatz mit Produkten, die BASF in den vergangenen fünf Jahren auf den Markt gebracht hat. Dieser lag bei über 11 Milliarden Euro. Bei Anzahl und Qualität ihrer Patente nimmt BASF innerhalb der chemischen Industrie eine führende Position ein. „Besonders freut mich, dass 2021 bereits 45 Prozent unserer Patentanmeldungen auf Innovationen mit einem besonderen Fokus auf Nachhaltigkeit entfielen – und die Tendenz ist steigend“, sagt Maas-Brunner.
Auch langfristig wolle das Unternehmen den Umsatz und das Ergebnis besonders mit denjenigen Produkten steigern, die einen wesentlichen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. „Viele der Technologien, die zukünftig eine klimaneutrale Gesellschaft ermöglichen werden, sind heute noch nicht erfunden“, sagt Maas-Brunner. Wichtig sei es daher, die Herausforderungen der Zukunft technologieoffen zu meistern und alternative Technologiekonzepte einzubeziehen.
„Dafür brauchen wir Allianzen mit allen Akteuren in der Industrie, der Wissenschaft, in Politik und Gesellschaft. Der Schulterschluss zwischen Unternehmen und Gesetzgeber ist dabei besonders wichtig, denn wir brauchen gute Rahmenbedingungen für unser Handeln“, so Maas-Brunner.
Weiße Biotechnologie gewinnt an Bedeutung
BASF ist mit ihrer breiten Technologiekompetenz gut aufgestellt, um innovative Lösungen für eine klimaneutrale Chemie zu entwickeln. Immer wichtiger im BASF-Werkzeugkasten wird die weiße Biotechnologie. „Das sind Werkzeuge aus der Natur, Menschen nutzen diese schon seit langer Zeit und entwickeln sie kontinuierlich weiter“, sagt Dr. Doreen Schachtschabel, Vice President White Biotechnology Research bei BASF. Beteiligt sind an diesen Bioverfahren – auch Fermentation oder Biokatalyse genannt – Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilze. Diese nutzen verschiedene organische Materialien, um sie in ganz unterschiedliche Endprodukte umzuwandeln. Dies können etwa Wein, Brot oder Käse sein, aber auch Substanzen für die chemische Industrie.
„Für uns ist die weiße Biotechnologie mittlerweile eine unserer Schlüsseltechnologien, mit der wir auf Basis unterschiedlichster Rohstoffe effizient, ressourcenschonend und vor allem auch flexibel produzieren können“, erklärt Schachtschabel. Die Liste der Chemikalien und Produkte, die BASF mit Methoden der weißen Biotechnologie herstellt, ist lang: Biopolymere, essenzielle Inhaltsstoffe für die Ernährung von Menschen und Tieren wie Vitamine und Enzyme, Pflanzenschutzmittel, Aroma- und Duftstoffe oder auch Enzyme für Waschmittel und Inhaltsstoffe für Kosmetika.
In fünf der sechs BASF-Segmente – Chemicals, Materials, Industrial Solutions, Nutrition & Care sowie Agricultural Solutions – stellt das Unternehmen bereits über 3.000 Produkte her, die zur Biotechnologie zählen oder biologisch abbaubar sind. Mehr als 3,5 Milliarden Euro haben diese 2021 zum Umsatz beigesteuert, mit steigender Tendenz. Um neue Verfahren und Produkte zu entwickeln, arbeiten die Forscherinnen und Forscher der BASF mit zahlreichen externen akademischen und industriellen Partnern zusammen.
Grundlage der Forschung: Digitalisierung
Die technologischen Grundlagen und das Vorgehen sind trotz der unterschiedlichen Eigenschaften der Moleküle dabei meist sehr ähnlich. Zuerst wird ein geeigneter Mikroorganismus identifiziert, der sich vermehren lässt. Im nächsten Schritt werden – falls erforderlich – das Genom und damit der Stoffwechsel so verändert, dass das Bakterium oder der Pilz entweder mehr von einer bestimmten Substanz oder auch ein völlig neues Molekül mit neuen Eigenschaften produziert. Danach beginnt der eigentliche Bioprozess, bei dem der Mikroorganismus das Zielmolekül unter optimalen Bedingungen in den gewünschten Mengen herstellt. Als Nährstoffe und Bausteine können einerseits nachwachsende Rohstoffe wie Zucker, aber auch Abfallströme, recycelte Produkte und chemisch synthetisierte Moleküle eingesetzt werden. Essenziell für die Entwicklung neuer Verfahren und Produkte ist die Digitalisierung. Dabei gehe es nicht nur darum, effizienter und effektiver zu arbeiten.
„Ohne die Digitalisierung, im Speziellen die Bioinformatik, wären wir gar nicht in der Lage, das zu tun, was wir heute tun“, betont Schachtschabel. Dass sich klassische Chemie und Biotechnologie optimal ergänzen können, zeigt die Entwicklung des Insektizids Inscalis. Dieses wird im ersten Schritt fermentativ hergestellt. Das Zwischenprodukt wird dann im weiteren Herstellungsprozess durch klassische Chemie zum fertigen Pflanzenschutzmittel umgewandelt. „Wir bringen hier das Beste aus beiden Welten zusammen: Der hybride Prozess ermöglicht uns, ein hochwirksames und nachhaltiges Produkt durch Fermentation, kombiniert mit selektiver chemischer Synthese, kosteneffizient herzustellen“, so Schachtschabel. BASF setzt auch in Zukunft auf eine flexible und breite Rohstoff- und Technologiebasis. „Wir haben erkannt, dass die Biotechnologie, das Ingenieurwesen und die klassische Chemie, wenn sie optimal zusammenspielen, sehr effiziente, aber auch ökonomisch und ökologisch nachhaltige Prozesse ermöglichen und in Zukunft BASF helfen werden, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen“, sagt Schachtschabel.
Gasförmiger Kohlenstoff als alternative Rohstoffquelle
Neben der klassischen Fermentation, die meist auf nachwachsenden Rohstoffen basiert, arbeiten BASF und das US-Unternehmen Lanzatech gemeinsam an speziellen Verfahren, bei denen Bakterien gasförmige Kohlenstoffquellen wie Kohlenmonoxid und Kohlendioxid als Rohmaterial nutzen. Der Kohlenstoff kann dabei von Abgasen aus Stahlwerken, Raffinerien und chemischen Anlagen stammen, aber auch aus Haushaltsabfall, der in Gas umgewandelt wird. „Wir möchten das Potenzial der Gasfermentation erschließen, um Chemikalien für die chemischen Wertschöpfungsketten herzustellen“, erklärt Prof. Michael Helmut Kopf, Director Alternative Fermentation Platforms bei BASF. Es gibt bereits Produktionsanlagen von Lanzatech in China, die mit dieser Technologie Ethanol herstellen. Eine weitere Anlage wird in Kürze in Belgien in Betrieb gehen. Die beiden Unternehmen möchten nun mittels gas-fermentativer Verfahren höhere Alkohole und weitere Zwischenprodukte herstellen.
„Unsere Bakterien sind speziell designt, so dass sie kohlenstoffhaltige Abgase in eine Vielzahl gewünschter Zwischenprodukte umwandeln können“, erläutert Dr. Sean Simpson, Gründer und Chief Scientific Officer von Lanzatech. BASF wiederum bringt in das Entwicklungsprojekt ihre Expertise in der Chemie- und Verfahrenstechnik sowie der Prozessintensivierung ein und entwickelt den Aufarbeitungsprozess, bei dem die Produkte aus der Fermentationsbrühe abgetrennt und gereinigt werden und in die Wertschöpfungsketten eingefügt werden. Es gebe weltweit mehr als genug alternative Kohlenstoffquellen, die für die Gasfermentation genutzt werden können.
„Dafür brauchen wir aber ein Umdenken, um Projekte mit branchenübergreifendem Charakter zu ermöglichen und die Chemieindustrie beispielsweise mit Stahlwerken oder den Abfallverwertern zusammenzuschließen“, betont Simpson. Denn je mehr alternative Rohstoffquellen dieser Art zur Verfügung stehen, desto weniger neue fossile Rohstoffe werden benötigt werden, um Chemikalien zu produzieren. „Technologien zur Gasifizierung von Reststoffen, Gasfermentation – zusammen mit nachhaltigem Wasserstoff und erneuerbaren Energien zur Produktsynthese – sowie effiziente Reinigungsverfahren der so hergestellten Produkte können in Zukunft einen wichtigen Beitrag leisten, um die Nachhaltigkeit unserer Wertschöpfungsketten zu verbessern“, fasst Kopf die Potenziale der Technologie zusammen.
Bioabbaubarkeit bis ins Detail verstehen
Bakterien und Pilze spielen bei BASF nicht nur bei der Herstellung nachhaltiger Produkte eine wichtige Rolle. „Für uns bedeutet Nachhaltigkeit auch genau zu wissen, wie und warum Mikroorganismen in der Umwelt unsere Produkte nach deren Verwendung abbauen“, sagt Prof. Andreas Künkel, Vice President Research Biopolymers bei BASF. Bioabbaubarkeit bedeutet, dass Mikroorganismen komplexe organische Verbindungen zu Energie, Wasser, Kohlendioxid und Biomasse verstoffwechseln. Um diese Methode der Natur zu nutzen und vollständig biologisch abbaubare Produkte zu entwickeln, ist nicht nur ein fundamentales Verständnis der Chemie, sondern auch der biologischen Prozesse notwendig.
Daher hat BASF in den vergangenen zehn Jahren ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten beim Thema Bioabbaubarkeit deutlich ausgebaut. „Dieses unglaublich komplexe Thema kann man nur als interdisziplinäres Team zusammen meistern“, betont Künkel. Wichtig seien neben internen auch externe Kooperationen mit Kunden sowie Universitäten und Forschungsinstituten, mit denen BASF umfangreiche Untersuchungen im Labor und im Freiland durchgeführt hat. „Wir schauen uns bis ins Detail an, wie wir Materialien designen sollten, damit sich unsere Produkte im Boden und in technischen Systemen wie Kompost- und Kläranlagen abbauen“, erklärt Künkel.
Theorie in der Umsetzung
Ein Beispiel dafür ist die ecovio-Mulchfolie. Diese ist zertifiziert biologisch abbaubar im Boden und hilft dem Landwirt, höhere Erträge zu erzielen. Nach der Ernte kann die Folie einfach untergepflügt werden, und sie wird im Boden von den Mikroorganismen abgebaut. Die Forscherinnen und Forscher der BASF haben zusammen mit Wissenschaftlern der ETH Zürich genau untersucht, wie und warum sich die Folie im Boden abbaut – sowohl im Labor als auch im Freiland. Dafür wurden neue Analysemethoden entwickelt, mit denen nachgewiesen werden konnte, dass der Kohlenstoff aus der Folie biologisch in Kohlendioxid und Biomasse umgewandelt wird.
Ein weiteres wichtiges Anwendungsfeld für biologisch abbaubare Materialien sind Inhaltsstoffe von Waschmitteln, Geschirrspülmitteln und Kosmetika, die am Ende des Lebenszyklus in die Kläranlage gelangen. Auch hier ist es entscheidend, genau zu verstehen, wie die Struktur des Materials die Bioabbaubarkeit beeinflusst. Um den Ausbau des Portfolios mit neuen, zertifiziert biologisch abbaubaren Produkten voranzutreiben, sind digitale Werkzeuge ein essenzieller Bestandteil der Forschungsarbeiten. So kann BASF mit ihrer umfangreichen Sammlung an Daten zur Bioabbaubarkeit Computermodelle entwickeln, die schon in einem frühen Stadium der Produktentwicklung die Eigenschaften und das Abbauverhalten von Molekülen und Materialien vorhersagen können und deren Struktur entsprechend anpassen.
„BASF ist Pionier und führend bei der digitalen Modellierung des prädiktiven biologischen Abbaus“, betont Künkel. Dies helfe dabei, zusammen mit Kunden maßgeschneiderte biologisch abbaubare Produkte für die jeweilige Anwendung zu entwickeln.