Herr Bungenstock, in China entwickelt sich die Elektromobilität ziemlich schnell. Was machen die Chinesen anders?
Ralf Bungenstock:Der chinesische Markt hat eine ganz eigene Dynamik. Wer heute in Shanghai oder Beijing eine Straße überquert, kann sich nicht mehr auf sein Gehör verlassen, weil der Anteil von elektrischen Fahrzeugen bei den Zweirädern sicherlich über 50 % liegt.
Sind das Neuentwicklungen?
An die meisten Fahrzeuge wurde schlicht und einfach ein Elektroantrieb rangebastelt. Das geht dort einfacher als bei uns.
Beim Aufladen kann man sich so chaotische Verhältnisse aber vermutlich nicht erlauben.
Vor etwa zwei Jahren bat uns Nari (Nanjing Automation Research Institute), eine Tochter des großen Energieanbieters China State Grid, um Unterstützung bei der Entwicklung eines Standards für chinesische Ladestecker. Unsere Tochtergesellschaft in China hat dafür zunächst die Rahmenbedingungen analysiert und sich dann an den Ladestecker-Normen der IEC 62196 orientiert. Auf diese Weise ist ein System für Wechselstrom entstanden, das rein optisch dem europäischen ähnlich ist. Technisch sind der europäische und der chinesische AC-Stecker leider nicht kompatibel.
Ist die Standardisierung schon abgeschlossen?
Ja, dieser Standard heißt GB-Standard und soll sowohl auf Wechselstromseite (AC) als auch auf Gleichstrom-Seite (DC) Anfang 2012 verabschiedet werden. Im Rahmen dieser Standardisierungsarbeiten haben wir vor eineinhalb Jahren bereits 6000 AC-Ladesäulen in China mit unseren Ladebuchsen und -sockets ausgestattet. Dieses Jahr sollen weitere 6000 dazu kommen. Im DC-Bereich ist es ähnlich.
Wie sieht es aktuell in Deutschland aus?
Die meisten Elektrofahrzeuge, die künfig auf den Markt kommen, haben die Möglichkeit mit AC und DC zu laden. So kann man sein Auto mit AC über Nacht acht Stunden in der eigenen Garage laden und unterwegs wesentlich schneller mit DC.
Welche Ladestecker sind dafür nötig?
Der Typ-1-Ladestecker dominiert momentan. Dennoch hat sich in Deutschland der Typ-2-Ladestecker nach IEC 62196 etabliert und ich denke, dass sich der durchsetzen wird.
Und beim Schnellladen?
Auf der DC-Seite hat man den japanischen Chademo-Konnektor. Aber wir gehen davon aus, dass sich in Europa das Combo-2-System durchsetzen wird, das inzwischen als Combined Charging System bezeichnet wird und das wir gemeinsam mit den OEMs in Deutschland entwickelt haben. VW war beteiligt, Audi, Porsche, Daimler und BMW.
Was sind die Vorteile des Combo-2-Steckers?
Mit ihm kann man AC und DC laden. Das heißt, mit einem einzigen Inlet hat man die Möglichkeit, beides anzubieten. Der Endverbraucher hat somit nur noch einen Punkt, an dem er aber beide Ladestecker anschließen kann.
Gibt es denn schon Ladestationen mit Combo-Stecker?
Nein, derzeit noch nicht. Noch sind alles Prototypen.
Wie kommt die Standardisierungsarbeit voran?
Wir stehen kurz davor, diesen Standard in den Committee Draft zu überführen. Das ist ein Normierungsstatus, bei dem die Informationen in den beteiligten Ländern publiziert werden und diese dann Kommentare abgeben. Irgendwann wird er in den FDIS-Status (Final Draft International Standard) überführt und verabschiedet. Ich gehe davon aus, dass das für den Combo-2-Stecker noch 2012 geschehen wird.