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Christian Wolf von Turck im Interview „Wir generieren und analysieren Daten“

Turck – Hans Turck GmbH & Co. KG

„Sie brauchen kein Big Data im ERP-System oder der Cloud! Was Sie benötigen, ist Smart Data. Genau das werden wir liefern“, sagt Christian Wolf, Geschäftsführer von Turck.

Bild: Turck
02.10.2017

Turck wandelt sich vom Sensorhersteller zum Lösungsanbieter für Industrie 4.0. Warum hier Dezentralität und IP67 entscheidende Rollen spielen und welche Schlüsseltechnologien der Erfolgsgarant in einer Smart Factory sind, erläutert Christian Wolf, Geschäftsführer von Turck, im Gespräch mit A&D.

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A&D:

Turck sehen viele noch als Sensorhersteller, obwohl Sie ein kompletter Automatisierungspartner sind. Wie spiegelt sich das im Umsatz wieder?

Wolf:

Zwar macht das Sensorgeschäft mit 60 Prozent noch den Hauptanteil am Gesamtumsatz aus, die Lösungsprodukte sind aber unsere wirklichen Wachstumstreiber. Selbstverständlich investieren wir unverändert stark in die Sensorik, die bleibt auch im Lösungsgeschäft ein absolut wichtiger Eckpfeiler. Überproportional stecken wir aber unsere Kraft in die Transformation hin zum kompletten Automatisierungspartner. In einigen Ländern ist das Lösungsgeschäft auch schon größer als der Sensorumsatz.

Sie setzen schon lange konsequent auf Dezentralität und IP67. Beides sind Eckpfeiler einer modernen Smart Factory. Zufall, oder langfristige Strategie?

Da wir mit Maschinensensorik angefangen haben, sind wir schon immer per se IP67. Einfache Installation im Feld und Robustheit liegen uns in den Genen. Dann haben wir gesehen, dass es zunehmend einen Trend zu Dezentralität und Kompaktheit der Maschinen gibt. Hier waren die USA stets der Treiber für IP67 und Strategiegeber für uns. Dort will man schon lange Plug&Play, keine komplizierte und fehleranfällige Schaltschrankverdrahtung. In den USA ist unsere Strategie der Dezentralität und IP67 schon seit vielen Jahren voll aufgegangen, es wurde dann unsere globale Strategie. Die Smart Factory und Industrie 4.0 mit modularen Anlagenkonzepten, wo Dezentralität und IP67 ebenfalls essentiell sind, spielen uns jetzt natürlich voll in die Hände.

Würden Sie sagen, die Zeit des zentralen Schaltschranks ist vorbei?

Die Zeit vom Schaltschrank ist begrenzt. Ich glaube absolut daran, dass der Schaltschrank zunehmend entlastet wird. Die Packungsdichte aller Geräte wird kleiner, Intelligenz wandert ins Feld. Wir verkaufen ja keine Philosophie, sondern harte Fakten. Am Ende will der Kunde von uns eine wirtschaftliche Berechnung haben, was für die Intelligenz vor Ort und was für den Schaltschrank spricht. Wir zeigen ihm ganz klar die Ersparnisse und die Vorteile in der Usability.

Wenden sich Maschinenbauer und Anlagenbetreiber zunehmend von IP20 ab?

Ja! Denn was große Steuerungen im Schaltschrank leisten, schaffen heute oft auch unsere IP67-Steuerungen im Blockmodul, die TBEN-L-PLC-Module. Wenn es natürlich um Hochgeschwindigkeitsautomatisierung geht, fährt man weiter gut mit einer PC-basierten leistungsstarken Steuerungstechnik. Aber ganz viele Maschinen brauchen diese Geschwindigkeit nicht. Und unsere robusten TBEN-Module vereinen sowohl Feldbus- als auch Steuerungsfunktionalitäten in einem Produkt und unterstützen Profinet, Ethernet/IP und Modbus TCP. Diese Flexibilität ist gerade für internationale Maschinenbauer ein echtes Argument. Und wir werden die Multiprotokollfähigkeit weiter ausbauen.

Sie erwähnten Ihre dezentralen IP67-­Steuerungen. Primär setzen Sie hier auf Codesys, haben aber auch Linux im Angebot. Wechseln Sie langsam die Plattform?

Codesys ist und bleibt die Backplane für unsere Steuerungen. Wenn wir aber von der Steuerungsebene in übergelagerte Systeme gehen, brauchen wir ein System wie Linux, weil es die notwendige Flexibilität bietet. Kunden wollen Ihre Leitebene nicht mit Daten aus der Maschinenwelt überlasten, sondern brauchen intelligent ausgewertete Daten über Anomalien. Linux ist für uns hier eine Schlüsseltechnologie, damit können wir unsere Steuerungen für die IT-Welt öffnen und smarte Daten liefern.

Eine Schlüsseltechnologie von Turck für Industrie 4.0 ist auch RFID. Bleibt das der Standard beim Steuern und Überwachen von Produktionsprozessen?

Die Wachstumspotenziale von RFID sind gigantisch. Wir haben oft gesagt, dass Industrie 4.0 ohne Identifikation nicht funktioniert. Man muss wissen, welches Teil wie kenntlich gemacht wird, um es zurückzuverfolgen. Wer vorausschauend warten will, muss das Gerät vorher identifiziert haben. Wir sehen keine neuere oder bessere Technologie als RFID.

Ähnlich wie bei RFID setzt Turck sehr stark auf IO-Link. Bauen Sie sich auch hier frühzeitig einen Technologie- und Know-how-Vorsprung auf?

IO-Link hat sich als Standard durchgesetzt. Wir haben IO-Link-Schnittstellen in allen unseren Geräten, es kommt kein neuer Sensor von Turck mehr ohne IO-Link auf den Markt. Wir sind auch eine der wenigen Firmen, die Master und Slave, sprich eine komplette Durchgängigkeit für IO-Link haben. Wir wollen kein Stückwerk, sondern immer Lösungen anbieten.

Helfen Sie Kunden wie Maschinenbauern auch dabei, die Daten der verbauten Sensoren intelligent zu verarbeiten?

Maschinenbauer wollen wissen, was verursacht die meiste Stillstandszeit und warum gehen Dinge schief. Hier bedarf es durch intelligente Software Anomaliehäufungen der Sensordaten in entsprechenden Handlungsempfehlungen wie präventive Wartung abzubilden. Wir investieren deshalb massiv in Software, in eigenes Know-how und in Partnerschaften, um unseren Kunden hier zunehmend Lösungen bieten zu können. Als Turck wollen wir genau das Komplettpaket schaffen, von der Datenaufnahme über die Datenverarbeitung bis hin zum Transport in übergelagerte Systeme und Data Analytics.

Geht die Unterstützung auch schon beim Engineering von Maschinen los?

Was die Integration von Sensorik, I/O-Systemen, Steuerungen und Kommunikation betrifft, helfen wir unseren Kunden natürlich schon beim Engineering. Gerade kleine und mittelständische Maschinenbauer haben oftmals Schwierigkeiten, Software-Fachkräfte für das Engineering zu bekommen. Wir wissen aber, wie man unsere Lösungen ideal einbettet und bieten dieses Know-how als Service an.

Sie präsentierten auf der HMI eine Cloud-Lösung mit Maschinenzugriff über das Web. War das nur ein Demonstrator oder ein künftiges Lösungsangebot?

Noch ist es ein Demonstrator, aber in einem Jahr schon eine Lösung. Wir sind jetzt schon in Diskussionen mit Kunden über zukünftige Maschinengenerationen, wo die Cloud-Einbindung ein Feature sein wird. Dabei setzen wir bei der Cloud-Konnektivität voll auf Offenheit. Wir könnten auch eine Turck-Cloud anbieten, aber ich halte es für völlig unrealistisch, dass ein Maschinenbauer, der Komponenten verschiedener Hersteller verbaut, unsere Cloud nimmt. Wir sehen uns zukünftig mehr als Datenlieferant. Als solcher müssen wir sichere, smarte Daten in alle möglichen übergelagerten Systeme bereitstellen. Das heißt, wir müssen komplett offen sein. Wir werden die Daten aber auch visualisieren und Kunden in Cloud-Lösungen seiner Wahl Dashboards bereitstellen. Das wollen wir zukünftig anbieten!

Und was unterscheidet Turck derzeit von anderen großen Komplettautomatisierern?

Die durchgängige, internationale IP67-Kompetenz bei dezentraler Intelligenz. Dafür sind wir der ideale Partner. Hier gibt es aus meiner Sicht kein vergleichbares Unternehmen.

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