Timo Ross war mit diesem Beitrag im A&D-Kompendium 2019/2020 als einer von 100 Machern der Automation vertreten.
Die Industrie 4.0 ist keine Zukunftsvision: Längst werden Materialbedarf, erwartete Maschinenausfälle oder auch Über- und Unterkapazitäten nicht mehr manuell festgestellt, sondern automatisch gemeldet.
In der smarten Produktion steckt aber viel mehr Potenzial. mdex bricht durch den Einsatz von Big Data-Technologien isolierte Datensilos auf, um den Datenpool insgesamt auszuwerten. Dadurch erkennen Unternehmen erst Synergien: Kundenwünsche und Nutzerverhalten können direkt in die Fertigung und Entwicklung einfließen. So wird Big Data zum Zündsatz für ganz neue Produktideen.
Noch spannender sind die ersten disruptiven Geschäftsmodelle mit Big Data. Warum Kompressoren verkaufen, wenn man beim Kunden die tatsächlich verbrauchte Druckluft abrechnen kann? Warum soll eine Fluggesellschaft in Triebwerke investieren, wenn stattdessen Schubstunden erworben werden können?
Vom Produktvertrieb zum Service-Dienstleister
Die Herausforderung vieler „klassischer“ Anlagenhersteller ist der Wandel vom Produktvertrieb zum Service-Dienstleister. Statt Maschinen mit Serviceangebot zu verkaufen, wird das Ergebnis, das die Anlage liefert, zur Dienstleistung. Damit ändern sich auch die Rollen: Der Kunde kauft das Ergebnis, der Anbieter sorgt für den Betrieb und die Wartung der Maschinen.
Dazu muss man aber alle verfügbaren Daten miteinander in Beziehung setzen können. Tatsächlich kann die richtige Nutzung der gewonnenen Informationen über die Wettbewerbsfähigkeit entscheiden. Selbst jahrelange Markterfahrung ist keine Sicherheit mehr, wenn plötzlich ein Startup als Wettbewerber auftritt, das mit diesen Technologien bereits groß geworden ist.
Risiko Hackerangriff
Der vernetzten Produktion drohen aber auch ganz neue Risiken, denn zentrale Datenpools geraten ins Visier von Cyberkriminellen, die mit gezielter Datenverschlüsselung regelmäßig Industrieunternehmen angreifen. Allein die Macher der Schadsoftware Ryuk sollen Lösegelder in Höhe von 4 Millionen US-Dollar erpresst haben.
Das ist nicht unrealistisch angesichts des drohenden Schadens. Die jüngsten Cyberangriffe auf Maersk oder Norsk Hydro kosteten die Firmen nach eigenen Angaben Hunderte Millionen Euro.
Das Problem der IT-Sicherheit: In der Produktion gilt die minimale Ausfallrate mit dem Credo „never touch a running system“, was sich konträr zur IT-Sicherheit mit regelmäßigen Änderungen durch Updates verhält. Das macht Produktionsanlagen anfällig für Angriffe über sonst längst geschlossene Sicherheitslücken.
Brandmelder trotz Brandschutztür
Lösungsansatz ist die möglichst lückenlose Abschottung der Produktion zum Internet mit Firewalls, geschlossenen Benutzergruppen und Verschlüsselung. Doch jede Firewall hat Schwachstellen und jede Verschlüsselung wird irgendwann zu schwach für die pure Rechenleistung der Angreifer. Am Ende gibt es noch den Faktor Mensch, der das beste Sicherheitskonzept ungewollt unterwandern kann.
Hier gilt es, auch hinter der Brandschutztür (Firewall), trotzdem einen Brandmelder zu installieren: Mit Technologien wie der Deep Packet Inspection lässt sich die Kommunikation von Produktionsanlagen passiv überwachen. Da sich Maschinen in der Produktion vorhersehbar verhalten, können hier auffällige Aktivitäten schnell erkannt werden. Angreifer und infizierte Systeme können so schnell isoliert und der Schaden minimiert werden.
Nur die sichere Vernetzung garantiert, dass die Zukunft der Industrie 4.0 nicht zur Zitterpartie wird.