Was rostet, kostet: Durch Korrosion verursachte Kosten belaufen sich weltweit auf schätzungsweise 2,7 Milliarden Euro jährlich. Zusätzlich entstehen schwerwiegende indirekte Kosten: Personenschäden, Schäden durch das Auslaufen umweltschädlicher Flüssigkeiten und Produktionsausfälle. Kompliziert ausgedrückt, ist Korrosion die von der Oberfläche ausgehende nachteilige und qualitätsmindernde Veränderung eines Werkstoffs, die oftmals durch einen unbeabsichtigten meist elektrochemischen Angriff hervorgerufen wird. Antikorrosionsbeschichtungen helfen, solche Schäden zu vermeiden.
Hierfür werden etwa Lacke, Email, Gummi- oder metallische Deckschichten auf den Werkstoff aufgebracht, um den Kontakt mit korrosionsverursachenden Einflüssen wie Wasser und Luft zu unterbinden. Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit Werkstoffe mit unedleren Materialien in Kontakt zu bringen, die bevorzugt korrodieren und so den Werkstoff schützen. Man kennt diese sogenannten Opferanoden zum Beispiel von vollverzinkten Autokarosserien. Doch herkömmliche Korrosionsschutzbeschichtungen enthalten oftmals gesundheitsschädliche Chemikalien. Dazu gehören krebserregende Chrom(VI)-Salze oder andere giftige Schwermetallverbindungen.
Selbstheilung der Haut als Vorbild für Antikorrosionsbeschichtung
Das Unternehmen Enviral will diese konventionellen Antikorrosionsbeschichtungen nun mit einer neuen, nachhaltigen und umweltfreundlichen Technologie ersetzen. Auf Basis von Forschungsarbeiten des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung treibt das Unternehmen die Entwicklung, Produktion und Vermarktung sogenannter Smart Pigments voran. Hinter dem Begriff verbergen sich Mikro- und Nanoadditive für hochwirksame und umweltfreundlichere Antikorrosionsbeschichtungen.
Vorbild für die Technologie ist der Selbstheilungsmechanismus der menschlichen Haut. So wurde ein Verfahren zur Funktionalisierung von Korrosionsschutzbeschichtungen entwickelt, das diese in die Lage versetzt, Beschädigungen selbstständig zu heilen. Dazu werden winzige Mikro- und Nanobehälter mit organischen Korrosionsschutzmitteln befüllt, mit einer Polyelektrolytschicht verkapselt und anschließend in eine Korrosionsschutzbeschichtung eingebettet.
Kommt es zu korrosionsauslösenden Beschädigungen der Schutzbeschichtung, etwa durch Kratzer oder Risse, werden an der Defektstelle aufgrund von pH-Wert-Änderungen durch die einsetzende Korrosion die eingebetteten Behälter geöffnet und das Korrosionsschutzmittel freigesetzt. Dadurch wird die verletzte Stelle sofort wieder geschützt und die Korrosionsreaktion im Ansatz unterbunden. Durch die anschließende Normalisierung des pH-Werts verschließt sich die Polyelektrolythülle um den Nanobehälter wieder und es kann kein weiteres Korrosionsschutzmittel austreten.
Lokal angepasste Freisetzung
Der entscheidende Vorteil derart funktionalisierter Schutzbeschichtungen ist ihre aktive Rückkopplung mit der Korrosionsreaktion: Das Rostschutzmittel wird nur an der Defektstelle und nur in der zur Korrosionsvermeidung erforderlichen Menge freigegeben. Somit werden eine länger anhaltende Wirkdauer sowie eine deutlich höhere Nachhaltigkeit der Beschichtungen erzielt. Ein weiterer Vorteil des Ansatzes ist dessen Vielseitigkeit. Sowohl die Größe der Mikro- und Nanobehälter, die Hülleneigenschaften als auch die Art der eingeschlossenen Substanzen und Freisetzungsmechanismen können an den jeweiligen Anwendungshintergrund angepasst werden.
Die Technologie wurde von Max-Planck-Innovation, der Technologietransfer-Organisation der Max-Planck-Gesellschaft, exklusiv an Enviral lizenziert. „Wir freuen uns, dass die Forschungen des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung nun von einem Branchenspezialisten und langjährigen Kooperationspartner in die praktische Anwendung überführt werden“, so Lars Cuypers, Senior Patent- und Lizenzmanager bei Max-Planck-Innovation.