Photokatalysatoren Abwasser vollständig mit Sonnenlicht reinigen

Heterogene Katalysatoren werden oft in Pulvern eingesetzt, da dieses nach der Reaktion zu Boden sinkt und die Abtrennung des Katalysators stark vereinfacht.

Bild: Thomas Häntzschel, Nordlicht; Likat
09.11.2020

Rückstände von Medikamenten, Antibiotika oder Verhütungsmitteln im Abwasser sind ein Problem für Aufbereitungssysteme. Eine Lösung wären photokatalytische Mechanismen, die mit Sonnenlicht arbeiten – doch das Wissen um diese Prozesse ist lückenhaft. Nun haben Chemiker aber die Wirkungsweise eines solchen Katalysators entschlüsseln können.

Am Leibniz-Institut für Katalyse (Likat) haben Forschende den molekularen Mechanismus eines Photokatalysators aufgedeckt, der mithilfe von Sonnenlicht organische Verunreinigungen im Abwasser vollständig abbaut. Sie haben Photokatalysatoren hierzu gewissermaßen live bei der Arbeit zugeschaut und Grundlagen ihrer Funktionsweise aufgeklärt.

Ihre Entdeckung könnte der Entwicklung von Photokatalysatoren für die Abwasserbehandlung nun neue Wege eröffnen, wie Prof. Dr. Angelika Brückner, Bereichsleiterin am Likat, sagt.

Hilfe für Kollegen aus China

Kollegen aus China waren an Brückner und ihr Team mit der Bitte um Kooperation herangetreten. In bevölkerungsreichen Regionen Asiens sind organische Verunreinigungen, etwa durch stabile Abbauprodukte von Medikamenten, ein dringliches Problem.

Die chinesischen Kollegen hatten neue Katalysatoren entwickelt, brauchten aber Hilfe dabei, ihre Katalysatoren optimal zu präparieren. Brückner und ihr Team kennen sich auf dem Gebiet der sogenannten In-situ-Spektroskopie aus: Das heißt, sie können die Funktion eines Katalysators während der chemischen Reaktion (in situ) verfolgen und seine molekulare Wirkweise dokumentieren.

Schwankende Ergebnisse bei der Katalyse

Gängige Photokatalysatoren wie Titandioxid, mit dem zum Beispiel selbstreinigende Fensterscheiben beschichtet werden, arbeiten am effektivsten mit energiereicher UV-Strahlung. Allerdings beträgt der UV-Anteil im Sonnenlicht nur fünf bis acht Prozent.

Die chinesischen Chemiker nutzten deshalb eine neue Generation von Photokatalysatoren: Carbonitrid, das im sichtbaren Licht aktiviert wird. Es entsteht durch thermische Behandlung von Melamin, das auch als Ausgangsstoff für farbiges Geschirr aus Duroplast dient.

Die Forscher testeten ihren Katalysator mit verschiedenen Substanzen, die beim Abbau von Medikamenten entstehen und ins Abwasser gelangen. Der pulverförmige Photokatalysator wird dabei im Wasser verrührt und verrichtet als Schwebeteilchen seine Arbeit. Als Oxidationsmittel testeten die Kollegen Sauerstoff und Ozon.

„Ozon erwies sich als außergewöhnlich effektiv“, berichtet Brückner. „Doch seine Aktivität schwankte, und das schien abhängig von den Präparationsbedingungen des Katalysators zu sein.“

Warum das so ist und was die optimalen Bedingungen für das Präparieren des Katalysators sind, sollte Jiadong Xiao, ein junger Chemiker von der Universität Peking, am Likat in seiner Dissertation erkunden. Diese Forschungen liefen unter der Ägide von Dr. Jabor Rabeah, Themenleiter am Likat und Betreuer des Doktoranden.

Einfangen kurzlebiger Radikale

Die Messungen ergaben, dass für die eigentliche Abbaureaktion eine Spezies von Radikalen verantwortlich ist. „Das sind äußerst reaktionsfreudige Moleküle, die die Schadstoffe im Wasser sofort angreifen und abbauen“, erklärt Brückner. „Und das Zusammenspiel von Sonnenlicht, Photokatalysator und Ozon befördert diese Bildung von Radikalen.“

Tatsächlich waren die Radikale so kurzlebig, dass die Forscher sie mit ihrer Analysetechnik zunächst nicht identifizieren konnten. Für solche Fälle nutzen die Chemiker einen Trick, den sie Spin-Trap nennen: Die Radikale werden mit einem neutralen Molekül eingefangen, das dadurch selbst zum Radikal wird, allerdings zu einem, dass kaum reaktiv ist und deshalb lange genug „lebt“, um analysiert zu werden.

Auf diese Weise war es möglich, die hocheffektiven Teilchen als Hydroxyl-Radikale zu identifizieren – Moleküle, die aus einem Wasserstoff- und einem Sauerstoffatom bestehen. Die hohe Wirksamkeit der Kombination Photokatalysator – Sonnenlicht – Ozon bei der Abwasserreinigung ließ sich durch die extrem rasche Bildung enorm vieler reaktionsfreudiger Radikale erklären.

Ergebnis der Forschungsarbeiten ist „ein neues mechanistisches Konzept“ für diese Art von Reaktionen, wie Brückner es nennt. Die Forscher gehen davon aus, dass die Methode mit diesem Hintergrundwissen bald ihren Weg in die Praxis findet.

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