A&D:
Haben Sie Sorge, der Sensor bleibt in der Diskussion von Industrie 4.0 außen vor?
Jörg Nagel:
Keinesfalls, denn Sensoren liefern die Daten, auf dem die smarte Fabrik basiert. So sehen wir uns an einer entscheidenden Stelle. Wir sind sehr aktiv in der Richtung, welche Werte in welcher Form aufbereitet und dargestellt werden müssen, damit IT-Systeme in höheren Business-Layern wie ERP-Systeme sie direkt verarbeiten können.
Ist das der Grund, warum Sie sich für OPC UA engagieren?
Ja, wir steuern unser Know-how aus der Sensorwelt für die Definition eines universellen Kommunikationsprotokolls bei, um möglichst viele Zusatzinformationen generieren zu können. Wenn der Sensor schon vorprozessierte Informationen liefern kann, dann vereinfacht es die darüber liegenden Prozesse.
Wo liegt eigentlich der grundsätzliche Vorteil von OPC UA?
Ein Alleinstellungsmerkmal von OPC UA ist die einfache und direkte Kommunikation zwischen der Feldebene und der IT. Es gibt keine Inkompatibilitäten mehr, keine Notwendigkeit von Protokollumsetzern, es wird durchgehend in Datenstrukturen gedacht, welche in der IT-Welt längst Standard sind.
Es gibt aber auch Kritik wegen fehlender Echtzeitfähigkeit?
Das ist noch ein Problem, weil bei TCP/IP keine deterministische Propagationszeit durch das Netzwerk gesichert ist. Allerdings gibt es derzeit Bestrebungen der Automatisierungsbranche, OPC UA über Time Sensitive Networking echtzeitfähig zu machen. Durch die Protokollerweiterung TSN können klassische Feldbusse künftig überflüssig werden. Das erfordert allerdings eine Unterstützung aller Netzwerkkomponenten, so wird es noch eine Weile dauern, bis OPC UA mit TSN-Erweiterung in den Produktionsanlagen Einzug findet.
OPC-UA-fähige Geräte benötigen Rechenleistung: für welche Aufgaben?
Schon durch die ganze Netzwerkkommunikation braucht es leistungsfähige Prozessoren. Und denken Sie in Richtung der zusätzlichen Sicherheitsfunktionen, die über OPC UA möglich sind. Betrachten Sie beispielsweise die SSL-Verschlüsselungsschicht, hier erfordert die Verschlüsselung und Entschlüsselung der Pakete Ressourcen, ebenso die Authentifizierung. Die Verarbeitung der Datenmodelle ist ebenfalls Ressourcenintensiver als bei einfacheren Protokollen.
Treibt das nicht die Kosten hoch?
Ja durchaus, und viele schreckt das im ersten Moment ab. Doch wenn man alle Vorteile wie die einfache Kommunikation sowie die zusätzliche Sicherheit in den OPC-UA-fähigen Feldgeräten sieht, durch die eine vollvernetzte Fabrik mit allen Vorteilen erst ermöglicht wird, dann amortisieren sich die Mehrkosten schnell. Eine Investition in OPC UA ist auch ein gutes Investment in die Zukunft, denn Daten werden immer wichtiger.
Wie verknüpft man die Sensor-Welt mit dem OPC-UA-Netzwerk?
Wir gehen gerade den Weg, unsere IO-Link-fähigen Sensoren transparent über ein Gateway in OPC UA überzuführen. Man braucht dann nicht in jedem einzelnen Sensor eine Netzwerkschnittstelle, sondern schließt eine Vielzahl von Sensoren am Gateway an, das als OPC UA Server fungiert. Alle IO-Link-Geräte werden beim Anschluss sofort transparent in die OPC-UA-Welt gehoben, ohne dass man irgendwas konfigurieren oder parametrieren muss. Die OPC Foundation und das IO-Link Konsortium arbeiten derzeit gemeinsam an einem standardisierten Datenmodell, das Werte aus der IO-Link-Ebene transparent in OPC UA abbildet.
Wann sehen wir denn Resultate in Form realer Produkte?
Erste Funktionsmuster werden wir wohl noch Ende des Jahres sehen, wo dann IO-Link in OPC UA dargestellt wird. Der Schritt in ein tatsächliches Produkt ist dann natürlich noch komplexer, weil zuvor alle Funktionalitäten von IO-Link vollständig abgebildet sein müssen.
Durch OPC UA lässt sich auf Protokollumsetzer verzichten. Wo liegt eigentlich das Problem mit den Umsetzern?
Jede Umsetzer-Ebene muss für sich konfiguriert werden. In einer großen Produktionsanlage ist das ein immenser Aufwand. Oder was machen Sie, wenn Sie in der IT-Ebene Sensoren auslesen wollen? Derzeit kommt man meist nicht an die Daten, weil die vom Anlagenbauer programmierte SPS dazwischen sitzt. Ein Anlagenbetreiber müsste beim Anlagenbauer beantragen, das SPS-Programm so zu ändern, dass die Sensorinformationen durch die SPS nach außen gegeben werden. Wäre alles mit OPC UA realisiert, fallen diese Hürden weg.
Und wenn ich jetzt schon unkompliziert an Sensor-Daten will?
Genau hier kommt unsere Technologie Smart Bridge ins Spiel, damit lässt sich die SPS umgehen. Man greift mit Smart Bridge einfach im IO-Link zwischen dem Sensor und der SPS die Sensordaten ab und stellt sie der IT-Welt zur Verfügung. Die SPS merkt davon überhaupt nichts und bekommt unverändert und in Echtzeit die Signale des Sensors.
Sagen Sie aber auch, wer Sensoren mit IO-Link einsetzt, ist gut für eine künftige OPC-UA-Integration aufgestellt?
Genau, IO-Link-Devices liegen zwar von den Kosten her über konventioneller Sensorik, die Funktionalität für den Schritt in eine voll vernetzte Anlage mit OPC UA bringen sie aber heute schon mit. Und bei IO-Link-Sensoren lassen sich mit unserer Smart-Bridge-Technologie auch jetzt schon Daten auf Smartphones, in die Cloud oder beliebige vernetzte IT-Systeme unkompliziert transportieren.
Wird denn künftig wirklich alles durchgehend mit OPC UA kommunizieren?
Das ist die große Vision. Alle Komponenten kommunizieren dynamisch miteinander, kennen ihre Funktionalität, stellen diese bereit und koordinieren sich mit anderen Komponenten, so das Prozesse automatisiert optimiert werden. Neben OPC UA wird es allerdings weiterhin Protokolle und Schnittstellen wie beispielsweise IO-Link geben, vorzugsweise mit einheitlich modellierten Daten für die direkte Kommunikation.