Kohlendioxid zurück zu Kerosin, Benzin und Diesel umwandeln und somit den CO2-Kreislauf schließen: Das ist die Idee von Synhelion. Das ETH-Spin-off nutzt die Wärme der Sonne, um aus CO2 und Wasser synthetische Treibstoffe („Synfuels“) herzustellen. In der deutschen Stadt Jülich hat Synhelion im Juni 2024 „DAWN“ eröffnet: die weltweit erste industrielle Anlage zur Produktion von Solartreibstoffen. Dank einer Zusammenarbeit mit dem Empa-Labor für Hochleistungskeramik kann „DAWN“ rund um die Uhr erneuerbare Treibstoffe produzieren – auch nachts.
Um aus CO2 und Wasser wieder Treibstoffe zu machen, braucht „DAWN“ vor allem eins: Energie. Ein großes Spiegelfeld fokussiert das Sonnenlicht auf einen einzigen Punkt am Solarstrahlungsempfänger. Darin befindet sich Wasserdampf, der durch die geballte Energie der Sonne eine Temperatur von bis zu 1.200 °C erreicht. Mit dieser Hochtemperatur-Prozesswärme wird der Reaktor betrieben. Überschüssige Wärme wird gespeichert in einer mehrere Kubikmeter großen Kammer, gefüllt mit Spezialziegeln. Diese Ziegel – eine gemeinsame Entwicklung von Empa und Synhelion – dienen als Zwischenspeicher für die enorme Hitze. Über Nacht ist es dieser „Wärmevorrat“, der den Reaktor am Laufen hält.
Gesucht: Der „Super-Ziegel“
Bei 1.200 °C ist indes Ziegel nicht gleich Ziegel. Bei direktem Kontakt mit dem ultrahocherhitzten Wasserdampf korrodiert sogar Keramik. Keine der auf dem Markt erhältlichen Hochtemperaturziegel waren für diese Bedingungen gedacht. Also kam Synhelion auf die Empa zu. „Die Forschungsgruppe um Empa-Forscher Gurdial Blugan ist eine der wenigen, die sich mit dem Korrosionsverhalten von Keramik bei derart hohen Temperaturen befasst“, sagt Lukas Geissbühler, Head Thermal Systems bei Synhelion.
In einem zweijährigen Projekt, das durch die Innosuisse gefördert wurde, machten sich Blugan und Empa-Wissenschaftlerin Sena Yüzbasi zusammen mit Synhelion auf die Suche nach der perfekten Keramik. Die Korrosionsbeständigkeit war dabei jedoch nur ein Aspekt. Das Material sollte auch eine hohe Wärmekapazität haben, mechanisch robust sein und Temperaturschocks aushalten, die beim Herunterfahren der Anlage entstehen können. Außerdem musste es günstig zu produzieren sein – denn die Anlage in Jülich ist für Synhelion nur der Anfang.
Also entwarfen die Forschenden gemeinsam mit der Werkstatt der Empa und Synhelion einen eigenen Hochtemperatur-Rohrofen. Darin setzten sie unterschiedliche Keramikproben der korrodierenden Wasserdampfatmosphäre aus – bis zu 500 Stunden lang. „Während dieser Experimente wurde es schon ziemlich heiß in unserem Labor“, schmunzelt Blugan. Doch das Schwitzen hat sich gelohnt: Die Forschenden fanden ein Material, das den extremen Bedingungen trotzte.
Gemeinsam mit ihren Projektpartnern verfeinerten sie die Zusammensetzung des Materials und optimierten den Herstellungsprozess, um die Eigenschaften noch weiter zu verbessern und die Kosten zu senken. Die Ziegel wurden daraufhin von einem Partnerunternehmen in Deutschland hergestellt und in „DAWN“ verbaut. „Als Forscherin erlebt man nicht oft, dass die eigene Forschung auf so einer Skala angewandt wird – das ist eine einzigartige Erfahrung“, sagt Yüzbasi. Besonders freut die Wissenschaftlerin, die mittlerweile selbst im Energiesektor tätig ist, dass ihre Arbeit im Bereich der erneuerbaren Energien zum Schutz des Klimas Anwendung findet.
Zweite Anlage in Planung
„Die Empa hat einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung unseres thermischen Speichers geleistet und konnte durch ihre Flexibilität perfekt auf die spezifischen Anforderungen von Synhelion eingehen“, sagt Lukas Geissbühler. Während „DAWN“ ihren Betrieb aufnimmt, planen Synhelion und die Empa bereits das nächste gemeinsame Projekt. Für die weiteren Anlagen wollen sie das Material weiterentwickeln und noch beständiger machen.
Die zweite Synhelion-Anlage zur Produktion von Solartreibstoff soll ab 2025 in Spanien entstehen. Das Ziel: noch größere Speicher, noch höhere Temperaturen. Denn je höher die Temperatur, desto effizienter wird die Treibstoffherstellung.