Gegenwärtige Lithium-Ionen-Batterien (LIB) basieren auf flüssigen Elektrolyten und werden aktuell in vielen mobilen und stationären Anwendungen eingesetzt. Ihr Optimierungspotenzial wird mit zunehmender technologischer Weiterentwicklung aber immer geringer – es wird erwartet, dass diese Technologie im kommenden Jahrzehnt langsam an ihre Grenzen stößt.
Feststoffbatterien mit Festelektrolyten, die sich aktuell in der Entwicklung befinden und in den kommenden Jahren auf den Markt kommen könnten, versprechen Verbesserungen bei mehreren wichtigen Leistungsparametern. Hiervon sowie von der parallelen Weiterentwicklung der LIB-Technologie, die für die nächsten Jahre dominant bleibt, könnte der gesamte Batteriesektor langfristig profitieren.
Auf Basis einer umfassenden Literaturrecherche, Experten-Befragungen sowie einem Experten-Workshop, haben Batterieexperten des Fraunhofer ISI eine Roadmap entwickelt, in der die drei aktuell vielversprechendsten Festelektrolyt-Varianten – Oxid-Elektrolyte, Sulfid-Elektrolyte und Polymer-Elektrolyte – genauer betrachtet und mit den zu erwartenden Entwicklungen bei Lithium-Ionen-Batterien verglichen werden.
Feststoffbatterien haben großes Potenzial
Die Ergebnisse zeigen, dass Feststoffbatterien (SSB) im Vergleich zu hochmodernen Flüssigelektrolyt-LIB deutliche Leistungsverbesserungen mitbringen müssen, um relevante Marktanteile zu erreichen. Wichtige Leistungsparameter sind dabei Energiedichte, Sicherheit, Lebensdauer, Kosten und Schnellladefähigkeit.
Feststoffbatterien haben das Potenzial, klassische LIB in Punkto Energiedichte zu übertreffen, insbesondere da sie einen Einsatz von Li-Metall-Anoden ermöglichen. Zudem gilt ihre Sicherheit selbst auf der Zellebene als hoch, weil sie keine brennbaren Flüssigkeiten enthalten. Ihre Lebensdauer könnte die von Flüssigelektrolyt-LIB sogar übersteigen, allerdings müssen dazu noch technische Herausforderungen, wie zum Beispiel Volumenänderungen während des Auf- oder Entladens, bewältigt werden. Die Kosten der Feststoffbatterien dürften zu Beginn ihrer Markteinführung, unter anderem auf Grund geringerer Produktionsvolumina, deutlich höher ausfallen als bei aktuellen LIB.
Die Schnelladefähigkeit von Feststoffbatterien ist aktuell durch die meist geringe ionische Leitfähigkeit der Festelektrolyte begrenzt, ihr Design könnte aber speziell dafür angepasst werden. Insgesamt ist zu beachten, dass die Verbesserung eines Leistungsparameters häufig zulasten eines anderen geht und die Batterien entsprechend auf bestimmte Anforderungen und Anwendungen maßgeschneidert werden könnten.
Der Automobilmarkt birgt das insgesamt größte Potenzial für Feststoffbatterien und dürfte mittel- bis langfristig deren Hauptanwendungsbereich werden. Feststoffbatterien auf Basis von Sulfid-Elektrolyten könnten zunächst im Consumer-Bereich und dort in Laptops, Smartphones oder Elektrowerkzeugen eingesetzt werden, da die Anforderungen und Prüfverfahren hier weniger streng sind. Für oxidische Feststoffbatterien dürfte der Automobilmarkt der erste Einsatzbereich sein – etwa ab 2028.
Angesichts höherer Anfangskosten ist es denkbar, dass Feststoffbatterien zunächst in oberen Marktsegmenten genutzt werden. Kostenreduzierungen durch Skalierungseffekte könnten der Technologie langfristig helfen, weitere Anwendungsbereiche wie zum Beispiel in LKWs und stationären Speichern oder nach 2035 auch in der Passagierluftfahrt zu erschließen.
Künftige Marktanteile bleiben zunächst überschaubar
In Hinblick auf künftige Marktentwicklungen dürfte die Feststoffbatterie-Produktion, die global derzeit unter 2 GWh bleibt und auf Polymer-SSB basiert, zwischen 2025 und 2030 stark zulegen – wenn Feststoffbatterien auf Oxid- und Sulfid-Elektrolyt-Basis auf den Markt kommen. Die Produktionskapazität wird im Jahr 2030 auf 15 bis 55 GWh und für 2035 auf 40 bis 120 GWh geschätzt, was in etwa einem bis zwei Prozent des dann entstandenen LIB-Markts entspricht. Flüssigelektrolyt-LIB dominieren damit auf absehbare Zeit den Markt.
Neben Einschätzungen zu Anwendungsbereichen und Marktentwicklungen macht die Roadmap zudem Aussagen darüber, welche Hürden Feststoffbatterien in Zukunft für eine Marktdurchdringung noch bewältigen müssen. Dr. Thomas Schmaltz, der die Forschungsarbeiten zur Roadmap am Fraunhofer ISI koordiniert hat, benennt drei zentrale Herausforderungen:
„Erstens ist derzeit noch nicht absehbar, welches Festkörper-Batteriekonzept am Ende die größte Leistungsfähigkeit besitzen wird, was eine parallele Entwicklung verschiedener Ansätze und damit höhere Investitionen erfordert. Zweitens werden Feststoffbatterien in einem ständigen Wettbewerb mit Flüssigelektrolyt-Lithium-Ionen-Batterien stehen und wegen ihrer anfangs höheren Kosten deutliche Leistungsverbesserungen mitbringen müssen, was erste Anwendungen eher im Premiumbereich vermuten lässt. Drittens ist eine starke private und öffentliche Förderung jenseits der reinen Forschungsförderung nötig, um den Rückstand europäischer Akteure gegenüber asiatischen und US-amerikanischen Playern bei Patentierung, Produktentwicklung, Produktionstechnologien, Pilotproduktion sowie bei Start-up- und Industrieaktivitäten aufzuholen – gelingt dies, kann Europa zukünftig eine führende Rolle bei der Entwicklung von Feststoffbatterie-Technologien spielen.“
Die Forschungsarbeiten zur Roadmap entstanden im Rahmen der BMBF-geförderten Begleitmaßnahme BEMA II zur Förderinitiative Batterie 2020 und unterstützen auch die unter dem Dachkonzept Forschungsfabrik Batteriezelle geförderten Kompetenzcluster wie zum Beispiel für Feststoffbatterien „FestBatt“.