Kompostwender sind für schnelle industrielle Verrottungsprozesse unabdingbar. Sie bergen allerdings Risiken für das Bedienpersonal: Mit langsamen Fahrgeschwindigkeiten von 50 bis 300 m/h, hohen Umgebungstemperaturen, freigesetzten Gasen und der auftretenden Geruchsbelastung beim Wendevorgang sind die Fahrer äußerst unangenehmen Bedingungen ausgesetzt.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts arbeiten Wissenschaftler des Instituts für Technische Logistik und des Instituts für Geodäsie der TU Graz deshalb an einem selbstfahrenden Kompostwender, der den Wendeprozess zukünftig ohne Personal und außerdem umweltfreundlich erledigen soll. Die neue Maschine wird mit einem elektrischen Antriebskonzept betrieben, das in Vorlaufforschungsprojekten bereits erfolgreich getestet wurde.
Navigation per Satellit
Die erste Innovation liegt im Navigationsmodul, wie Projekt-Gesamtkoordinator Manfred Wieser vom Institut für Geodäsie erklärt: „Auf den Kompostplätzen wird der Kompost für gewöhnlich in 2 m hohen trapezförmigen Zeilen aufgeschichtet, die in mehreren Reihen angeordnet sind. Damit die 4 m breite und 2,5 m lange Maschine diese Zeilen gezielt ansteuern und den Kompost richtig wenden kann, ist eine präzise Positionsbestimmung notwendig.“
Das Projektteam realisierte dafür ein Navigationssystem, das den Standort des Kompostwenders in Echtzeit zentimetergenau erfasst. Die hochgenaue Positionsbestimmung erfolgt mithilfe globaler Satellitennavigationssysteme (GNSS) wie GPS und dem europäischen System Galileo.
Um die Robustheit zu erhöhen und Ausfälle des Satellitensignals überbrücken zu können, nutzen die Forscher zusätzlich Beschleunigungs- und Drehratensensoren, Stereokameradaten, Sensoren an den Kettenantriebsrädern und ein hochgenaues 3D-Modell der Kompostieranlage. Zwei GNSS-Antennen sowie bildgebende Sensoren an der Maschine selbst sorgen für die eindeutige Bestimmung der Bewegungsrichtung.
Große Nachfrage nach autonomem Kompostieren
Um die Funktionssicherheit zu gewährleisten und Entwicklungszeit zu sparen, testet das Team vom Institut für Technische Logistik den Kompostwender aktuell nicht aufwendig am Kompostplatz, sondern in einer virtuellen Umgebung. Simuliert werden beispielsweise das Verhalten der Fahrwerkskette auf dem oft und schnell wechselnden Untergrund am Kompostplatz sowie der Einfluss der verschiedenen Kompost-Reifegrade auf die Wendewalze. Die Ergebnisse sollen dann in die finale Entwicklung der Steuerungssensorik und der Regelstruktur einfließen.
„Die dynamische Beschreibung autonom fahrender Kettenfahrzeuge in virtuellen Modellen war bislang bei Weitem nicht so etabliert wie jene von selbstfahrenden Pkws. Hier leisten wir mit unserer Forschung Pionierarbeit“, sagt Christian Landschützer vom Institut für Technische Logistik. Der Logistikexperte unterstreicht dabei auch die gesellschaftliche Bedeutung des Forschungsprojekts: „In Österreich produzieren wir jährlich über eine Million Tonnen Biomüll, der in über 400 Kompostieranlagen verarbeitet wird. Außerdem spielt die Kompostierung eine große Rolle in jenen Ländern, die einen Engpass bei fruchtbarer Erde haben.“
Das Interesse und die Nachfrage nach einem autonomen Kompostwender sind nach Angaben der TU Graz groß, die Forschenden sollen bereits mit mehreren Unternehmen in Kontakt stehen. Das steirische Unternehmen Pusch & Schinnerl ist Projektpartner und plant die industrielle Umsetzung. Wieser und Landschützer hoffen, dass die Neuentwicklung schon Ende des Jahres abgeschlossen ist und 2021 ein Prototyp zur Serienreife gebracht werden kann.