Start-ups für die Industrie Beschleuniger für die Digitalisierung

Start-ups bringen Zugang zu Zukunftstechnologien und sind so ein Treiber für die Digitalisierung auch etablierter Unternehmen.

Bild: iStock, Swillklitch
03.03.2020

Viele Mittelständler sehen, dass sie Unterstützung bei der Digitalisierung brauchen. Darum bieten viele Organisationen Hilfe an, aber es stehen auch kompetente Start-ups in den Startlöchern.

Die Digitalisierung ist ein Muss, aber alles andere als bequem. Oft tut sie sogar richtig weh und sie ist aufwändig. Eine Studie der KfW Bankengruppe belegt, dass nur ein knappes Drittel der KMUs 2015-2017 Digitalisierungsprojekte erfolgreich abgeschlossen hat, wobei nur zirka 20 Prozent der Unternehmen sich überhaupt eine Strategie erarbeiteten. Allerdings haben die Unternehmen 2017 eine Milliarde Euro mehr als im Vorjahr dafür ausgegeben.

Eine Umfrage der nationalen Förderinstitute BGK (Polen), Bpifrance (Frankreich), British Business Bank (UK), ICO (Spanien) und KfW bei 2500 kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Europa ergab: KMUs sind das Rückgrat der europäischen Volkswirtschaft, beschäftigen einen beträchtlichen Teil der Arbeitnehmer und erzielen robustes Umsatzwachstum.

Damit sie weiter ein wirtschaftlicher Motor in Europa bleiben, kommen sie an der Digitalisierung nicht vorbei. Mehr als die Hälfte der befragten KMUs sind überzeugt, dass die Einführung neuer Technologien zur Erhaltung ihrer künftigen Wettbewerbsfähigkeit unerlässlich ist. Für etwa 76 Prozent der KMU hat die Digitalisierung strategische Priorität.

Hohes Potenzial der Digitalisierung

Was Digitalisierung schaffen kann, zeigen Uber, das größte Taxiunternehmen ohne ein einziges eigenes Auto; Alibaba, der wertvollste Händler ohne Waren und Airbnb, der größte Anbieter von Übernachtungen ohne eigene Immobilien. Entsprechend müssen die KMUs Geschäftsprozesse anpassen und neue Dienste und Produkte entwickeln. Leider haben noch 23 Prozent der KMUs keine zentrale Digitalstrategie und riskieren damit, den Anschluss an die Marktentwicklung zu verpassen.

Ein Problem ist, dass die Digitale Transformation ein holpriger Prozess ist, der nicht im Alleingang funktioniert. Start-ups haben die Marktlücke erkannt und bieten viele gute Konzepte. Und die Unternehmen haben mittlerweile realisiert, dass die Kooperation mit Start-ups hier wesentliche Wettbewerbsvorteile bietet: Laut einer VDMA-Mitgliederumfrage haben bereits 55 Prozent der Unternehmen schon mit einem Start-up kooperiert. Bis 2022 möchten ganze 73 Prozent der Befragten dies tun.

Die Vorteile: Start-ups bringen Zugang zu Zukunftstechnologien und ermöglichen es Unternehmen, abseits ihres Kerngeschäfts neue Geschäftsmodelle zu realisieren. Um die Suche nach den passenden Start-ups zu erleichtern hat VDMA einen 'Navigator' entwickelt. In diesem Start-up-Radar, den VDMA Start-up-Machine und AtomLeap gemeinsam veröffentlicht haben, findet man zirka 3000 Start-ups.

Externe Beratung gefragt

Eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom unter 505 Unternehmen ab 20 Mitarbeitern ergab, dass 43 Prozent der Unternehmen bei der Digitalisierung externe Beratung in Anspruch nimmt. Leider zögern besonders kleinere Unternehmen oft externe Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen. Laut Bitkom geben 37 Prozent der Unternehmen an, dass sie Probleme haben, die Digitalisierung zu bewältigen (2018: 33 Prozent).

Die große Mehrheit der Start-ups bewertet die Zusammenarbeit positiv – aber jeder Vierte beklagt eine Arroganz der Etablierten. 79 Prozent der Start-ups kooperiert schon auf die eine oder andere Art mit Mittelständlern oder Konzernen. Und bei 17 Prozent sind Unternehmen finanziell an dem Start-up beteiligt. Laut Bitkom gibt aber auch mehr als jedes vierte deutsche Unternehmen ab 20 Mitarbeitern aktuell an, dass aufstrebende Start-ups seine Marktstellung gefährden.

Aber Start-ups sind nicht nur besonders innovationsstark, sie bringen auch frischen Wind in eingefahrene Strukturen und Prozesse und können entscheidenden Impulse bei der Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle setzen. KMUs tun sich oft schwer mit KI, Blockchain etc., das beherrschen aber die Start-ups, dafür fehlt ihnen häufig der Marktzugang. Von einer Zusammenarbeit würden somit beide Seiten profitieren.

Vorurteile abbauen

Überraschend sind die Gründe, weshalb Unternehmen auf eine Zusammenarbeit mit Start-ups verzichten. So geben 53 Prozent der Geschäftsführer an, dass sie einfach keine Zeit für Start-up-Kooperationen haben. „Wer keine Zeit für eine Zusammenarbeit mit Start-ups hat, hat offenbar keine Zeit für die Zukunft seines Unternehmens“, kommentiert Bitkom-Präsident Achim Berg.

Aber die muntere Start-up-Szene bringt die Vorurteile zunehmend ins Wanken. So haben Christioph Piechnick und fünf weitere Absolventen der TU Dresden die Firma Wandelbots gegründet, um die Programmierung von industriellen Robotern zu vereinfachen. Begonnen hatte alles mit einer Sensorjacke, die Körperbewegungen automatisch erfasst und diese Daten kabellos an die Roboter weiterleitet.

Inzwischen wurde der TracePen entwickelt, ein sensor-bestückter Stift, mit Hilfe dessen Roboterpfade einfach programmierbar sind. Die Methode ist bis zu 20 Mal schneller und zehn Mal günstiger als herkömmliche Programmierverfahren und hat schon das Interesse von VW und Infineon geweckt. Dr. Georg Püschel, Geschäftsführer von Wandelbots: „Das Verfahren liefert eine hohe Genauigkeit und man kann alle Robots unabhängig vom Hersteller programmieren.“

Neue Geschäftsmodelle

„Relayr ermöglicht es Anbietern und Betreibern industrieller Anlagen ihre Fertigungsstraße auf Predicitive Maintenance Niveau zu bringen und Empfehlungen zum besseren Betrieb der Anlagen zu geben“, so David Petrikat, Marketingleiter bei Relayr. Neu ist es die Konnektivität und Datenbasis zu benutzen, um Maschinen und Anlagen anders zu monetarisieren.

Statt eines einmaligen Verkaufs gibt es ein „as a Service“ Modell, das dem Unternehmen wiederkehrenden Umsatzströme bringt. Die Idee begeisterte nicht nur Kunden wie Lanxess oder Grohe. Ende 2018 kaufte der Rückversicherer Munich Re Rrelayr für 300 Millionen Dollar.

Martin Urbanek, Geschäftsführer von Openhandwerk: „openHandwerk ist eine Software zur Digitalisierung von Arbeitsprozessen im Handwerk von der Auftragsannahme über die Abwicklung bis hin zur Rechnungsstellung. Dazu gehört ein Dokumentenmanagementsystem mit Auftragsverwaltung und Disposition sowie Zeiterfassung, Tracking und Performancemessung.“ Ziel ist den Auftragsbereich transparent zu machen für Angebot und Ressourcenplanung. Es verbindet die Insellösungen in Unternehmen und gestattet das Arbeiten ohne Medienbrüche.

Impargo digitalisiert die Transportlogistik von Industrie- und Transportunternehmen. Gerhard Hänel, Geschäftsführer von Impargo: „Es gibt in Europa gut 500 000 Transportdienste, davon sind 85 Prozent Kleinstunternehmen. Die haben wenig Geld, aber hohe Herausforderungen zu bewältigen.“

Diesen bietet man eine standardisierte Software an, die für kleines Unternehmen zwar nicht individuell konfigurierbar, aber intuitiv installierbar ist. Statt Kosten in der Größenordnung von 10.000 € und mehr, kosten die Lizenzen hier nur einen kleinen Bruchteil davon. So helfen Start-ups die KMUs digital voran zu bringen und die Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg beider zu legen.

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